Category: Worte auf Papier


Frankfurt Sommertag

30.Juli 2004

 

Frankfurt träumt im Hexenkessel,

Menschen gaukeln, Schwäne schaukeln.

Viel Geschiebe im Getriebe dem Leben zuliebe.

 

Ich möchte seerosenbadengehen mit Goethe

im Palmengarten.

Aber der schlummert im Goethehaus zwischen

alten Bildern, Dielen, Schränken und Efeu berankten Mauern.

Er sieht mich nicht.

 

Meine müde gelaufenen Beine freuen sich

auf weißes Plastikgestühl.

Der Nagellack von den Zehennägeln ist ab

vom Laufen und Raufen mit dem Großstadtpflaster.

Menschenleiber, sonderbare, blonde, braune, schwarze Haare.

Der Sari steht ihnen gut.

Sie können damit sogar Auto fahren.

 

Es gibt einen schönen Kindergarten in Frankfurt,

mitten in der Stadt, im Grünen.

Du hörst die Kinder lachen bis in den fünften Stock

des Penthouses mit Blick auf die Frankfurter Skyline.

 

Ich möchte dichten gehen mit Goethe

im Palmengarten,

aber der schlummert im Goethehaus zwischen

alten Bildern, Dielen, Schränken und Efeu berankten Mauern.

Er sieht die Brautpaare nicht.

 

Lachend kommen sie daher auf den Kieswegen,

aber die Entenmutter mit ihren drei Jungen

war schon vor ihnen da.

Weiße Sommerhosen wandeln zwischen roten Rosen,

auch ein Badeanzug mit Netzhemd darüber ist dabei,

denn es ist heiß in Frankfurt.

 

Auf dem Römerberg servieren sie Matjeshering.

 

Der Wind säuselt durch die Haare

eines Mädchens auf dem Main.

Das Schiff fährt in den Abend.

Kein stummer Liebeskummer.

„Wolfgang liebt mich schon seit zehn Jahren,

ich ihn aber nicht“, tönt es vom Oberdeck.

 

Bald geht die Sonne unter

und endlos reiht sich Flugzeug an Flugzeug

wie auf einer Perlenkette zum Landeanflug ein.

Jetzt sieht es aus, als seien sie Sterne.

 

Ich möchte Sterne pflücken gehen mit Goethe

im Palmengarten,

aber der schlummert im Goethehaus zwischen

alten Bildern, Dielen und Schränken und

Efeu berankten Mauern.

Er hat sie lange gepflückt.

 

Mir bleiben die Kamillenblüten, die Silotürme

und die Trauerweiden am Ufer, die roten

Schleusenlichter, die Angler und Griller am Fluss,

der Skipper mit den nackten Beinen in der Schleuse,

Achtung Absackungen am Ufer,

die einen Schiffsgarten tragende „Salisso“

im Vorübergleiten.

Wonne kommt auf, denn

die Abendröte erzählt Märchen über Sachsenhausen.

 

Foto: Wolf Tekook (www.wolftek.de)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 2. Juli 2011

Mein Vater hatte einen Rasierpinsel. Irgendwann wurden dann Rasierpinsel zu Auslaufmodellen und der modernen Technik des Trockenrasierens geopfert. Das war schade. Sie sahen ziemlich dekorativ aus, diese Rasierpinsel. Ein echter Mann hielt sich auch mehrere – wie heute die männlichen Restexemplare von Pfeifenrauchern sich gerne mehrere Pfeifen zulegen. Manche geben sogar gerne und selbstbewusst damit an, über einhundert davon zu haben. Ja, auch der Mann ist ein urzeitlich geprägter Sammler mit Resten von Hamsterverhalten auf den Genen.

Aber kommen wir zurück zum männlichen Attribut des Rasierpinsels. Leider gibt es ja nun auch keine Männer mehr, die sich damit rühmen, eine Rasierpinselsammlung ihr eigen zu nennen. Auch das ist schade. Aber – der Rasierpinsel hat nicht ausgedient! Die moderne Zeit führt dazu, dass er einem ganz neuen Wirkungsfeld zugeführt wurde: Das weibliche Geschlecht sorgt heute dafür, dass der Rasierpinsel in der Welt bleibt und nicht für immer aus unserem Blickfeld verschwindet.

Das Blickfeld war es auch, das mich auf dieses neue Leben, die Renaissance, des Rasierpinsels aufmerksam gemacht hatte. Ich saß nämlich hinten rechts in einem Taxi in Hamburg und wurde von einer Dame gefahren. Schick sah sie aus. Ihr Taxi picobello sauber – und dann war da dieser Rasierpinsel. Ich konnte ihn ganz deutlich mit seinen zarten Borsten in der Mittelkonsole zwischen Fahrer- und Beifahrersitz stecken sehen.

Lange hielt ich es nicht aus, sie nicht zu fragen: „Was machen Sie mit diesem Rasierpinsel?“ Die Antwort kam lachend mit einem kurzen Blick nach hinten und Zwinkern mit den Augen: „Damit putze ich den Staub von meinem Armaturenbrett. Ist doch schön sauber, nicht?“ Ja, sie hatte recht. Die nun folgende Philosophie über den Rasierpinsel und seine Bedeutung in der modernen Welt, die Vielseitigkeit seiner Anwendungsmöglichkeiten außerhalb des Badezimmers und der männlichen Befindlichkeiten kann ich hier nicht wiedergeben. Es war köstlich!

Die Frage ist nun: Wo krieg ich schnell einen Rasierpinsel für meine Auto her?

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 1. Juli 2011

Mir ist da eine exklusive Möglichkeit ins Haus geflattert, eine richtig exklusive. Man bietet mir an, eine Insel zu kaufen, eine richtige kleine tropische Insel und das alles steuerfrei. Meine Gedanken beginnen zu kreisen.

Welch ein wunderbarer Gedanke, eine eigene Insel zu haben. Robinson zu spielen, wann immer man möchte und das alles steuerfrei. Unter einer Palme am Strand zu liegen – ohne Kokosnüsse natürlich, die auf den Kopf fallen könnten – ein erfrischendes Getränk in der Nähe und das alles steuerfrei. Allerdings liegt diese Insel so weit weg, dass die Reise dorthin alles andere als paradiesisch zu nennen wäre und damit wohl auch die steuerlich günstige Variante ihren Reiz verlöre.

Der Zufall will es, dass mein Freund Wolfgang gerade einen neuen Teich für seine Kois bauen muss. Nach vielen Jahren ging die Teichfolie kaputt. Die Fische wurden schon ausquartiert. Ich hingegen bin gedanklich noch immer auf der Insel und habe einen Inselgedanken, der mir immer sympathischer vorkommt, als ich das höre. Denn Wolfgang hat 360 Quadratmeter Kautschukteichfolie bestellt und muss dafür nun etwa 2500 Euro bezahlen. Das ist deutlich weniger, als ich für meine Insel hätte bezahlen müssen, nämlich 50 000 Euro.

Die Idee ist also klar. Wolfgang baut zu relativ günstigen Preisen einen neuen Teich. In diesen Teich muss er nun nur noch eine Insel einplanen. Das wird nicht allzu schwer sein, Palme inklusive. Kokosnüsse kommen aus dem Supermarkt. Erfrischende Getränke sind immer im Kühlschrank. Paradiesische Töne aus dem Lautsprecher werden auch kein Problem sein. Da hätten wir doch alles beieinander, was das Herz begehrt.

Nicht ganz, meinen Sie? Sie denken an die fehlende Sonne und das fehlende Meeresrauschen? Widersprechen kann ich da nicht. Sonnenscheingarantie ist bei uns wohl nicht abzugeben. Aber seien wir doch ehrlich: Wir haben sie im Herzen. Auch das Meeresrauschen dürfte kein Problem sein. Wahrscheinlich rauscht es nach der dritten Pina Colada und einem Singapur Sling wie von selbst…

 

von Johanna R. Wöhlke

Das Internationale Maritime Museum Hamburg im Mittelpunkt einer Ferienaktion für Kinder im Sommer 2011

Manchmal bleiben von Pressekonferenzen mehr Eindrücke zurück als Informationen über Daten und Fakten. In diesem Fall ist es der eine Satz: „Wenn man nichts kennt, kann man nichts gut finden“ und das Zitat von Antoine de Saint-Exupery: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

(von links) Ingo Sobisch (action-family e.V.), Petra Ostarhild (action-family e.V., Sylvia Canel (MdB-FDP), Professor Peter Tamm, Annette Moritz (Museumspädagogin IMM), Holger Freiherr von Neuhoff ( Leiter ÖA des IMM)

Das Internationale Maritime Museum Hamburg (IMM) und der Verein „action-family e.V.“ hatten eingeladen, um ein gemeinsames Ferienprojekt für Kinder vorzustellen: das WeltentdeckerCamp. „Zwölf lange Wochen Sommerferien, für berufstätige Eltern eine echte Herausforderung“, so Ingo Sobisch, 1.Vorsitzender von „action.family e.V.“ – berufstätige Eltern werden ihm zustimmen! Die Hafen City zu erforschen und das Museum mit seinem vielfältigen Angebot wahrzunehmen, das wird im Mittelpunkt dieses Camps stehen.

In dieser Zusammenarbeit beider Institutionen ergeben sich für alle Beteiligten wunderbare Synergien, so wichtig, dass auch der Stifter und Gründer des IMM, Professor Peter Tamm, es sich nicht nehmen ließ, dieses Projekt in den Räumen seines Lebenswerkes vorzustellen. Peter Tamm: „Als Schirmherr des WeltentdeckerCamps weiß ich, dass es in der Hafen City viel zu entdecken gibt und es wichtig ist, gerade für Kinder spielerisch neue Horizonte zu schaffen. Für jeden sollte es das größte Geschenk sein, Kindern die Welt zu zeigen und sie immer wieder neue Entdeckungen machen zu lassen, damit sie aus der Geschichte für ihre Zukunft lernen. Das FerienCamp bringt nicht nur Leben in die HafenCity, sondern ist so spannend, dass ich für ein paar Tage gerne auch mal wieder Kind wäre.“

Sylvia Canel und Annette Moritz vom museumspädagogischen Dienst des IMM bei der Demonstration eines Vuklanausbruchs, dahinter ein gewaltiges Modell der Queen Mary 2 aus einer Million Legosteinen

Auch die Politik ist mit der FDP-Bundestagsabgeordneten aus Hamburg, Sylvia Canel, als Schirmherrin mit „im Boot“. Sie betonte die ideale Verknüpfung zwischen Bildung, Unterhaltung und Ferien, die von diesem Projekt ausgehen: „Als Mutter zweier Söhne weiß ich, wie wichtig es ist, Kindern immer wieder Erlebnisräume für eine gute Bildung und Erziehung zu öffnen!“

Das Camp soll vom 25. bis 29. Juli und vom 1. bis 5. August durchgeführt werden. „Die Kinder gehen von der HafenCity aus auf große Tour“, so Ingo Sobisch und Petra Ostarhild von action-family e.V. Die Kurse werden mehrsprachig angeboten. Nähere Informationen unter: www.action-family.de sowie www.weltentdeckercamp.de sowie unter der Telefonummer 040 – 55 55 11 11. Informationen über das IMM unter www.internationales-maritimes-museum.de

Ingo Sobisch und Petra Ostarhild von action-family e.V.

Zurück bleibt der erste Eindruck: Wenn man nichts kennt, kann man nichts gut finden -  Kindern also Erfahrungsmöglichkeiten zu eröffnen, und: die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer – Kindern zu helfen, ihre Träume zu entwickeln und zu entfalten und vielleicht am Ende auf eine solide, tragfähige Basis zu stellen. Besonders das IMM dürfte dafür einer der prädestinierten Plätze in Hamburg sein, basiert es doch selbst darauf, dass sich hier ein Begeisterter ein Leben lang mit einer einmaligen und grandiosen maritimen Sammlung seinen Traum vom Meer und vom Wasser erfüllt hat, Peter Tamm. Er hat sich einen Traum erfüllt, von dem er selbst sagt, er sei getragen von „der Demut vor der Grandiosität des Wassers“. Auch das gäbe es also noch zu entdecken!

Professor Peter Tamm, Sylvia Canel und Heiko Hermans (Vorstand des IMM) (von links)

Fotos: Wöhlke

Drei Tage im Dienste der Schifffahrt

Internationale Tagung für Schiffsantriebe in Finkenwerder

Finkenwerder – Angetrieben wovon stellen sich 140 Herren und Damen bereitwillig im Kreis auf, schauen und winken entspannt in eine Kamera, die sich aus dem vierten Stock des „Rilano Hotel Hamburg“ in Finkenwerder am Ufer der Elbe auf sie richtet, um sie zu fotografieren? Vielleicht von den Themen dieser großen, mit renommierten Wissenschaftlern besetzten Tagung, einem internationalen Symposium für Schiffsantriebe, „smp11“: „Second International Symposium On Marine Propulsors“.

Aus der ganzen Welt sind sie nach Finkenwerder angereist, um an drei Tagen miteinander die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Schiffsantriebssysteme zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen, vom 15. bis 17. Juni. Es ist das zweite in einer Reihe von Symposien, die alle zwei Jahre in wechselnden maritimen Metropolen der Welt durchgeführt werden – 2009 war es Trondheim und 2013 wird es Tasmanien sein.

Organisatoren der diesjährigen Tagung sind das Institut für Fluiddynamik und Schiffstheorie (FDS) der Technischen Universität Hamburg-Harburg und die Schiffbautechnische Gesellschaft (STG). Ein Hauptaugenmerk des Symposiums lag auf der Verbesserung des Wirkungsgrades von Schiffsantrieben im Hinblick auf die Verringerung der Umweltbelastung sowie auf der Entwicklung neuer Antriebssysteme. Ein großer Teil der mehr als 60 Fachvorträge befasste sich mit dem Thema „Green Propulsion“.

Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Gewinnung erneuerbarer Energien aus der Meeresströmung. Hier standen besonders Gezeitenkraftwerke im Blickpunkt. Im Anschluss an die Tagung finden verschiedene Workshops statt, um mit Hilfe moderner Rechenverfahren das Verhalten von Schiffsantrieben unter realen Bedingungen zu simulieren. Dies ermöglicht mittel- und langfristig den Herstellern von Schiffsantrieben eine kostengünstigere und die Ressourcen schonende Entwicklung und Produktion.

Prof. Dr.-Ing. Moustafa Abdel-Maksoud, Leiter des FDS und Hauptorganisator des Symposiums: „Dieses Treffen ist eine einzigartige Plattform für den Gedankenaustausch zwischen international anerkannten hochrangigen Wissenschaftlern und namhaften Vertretern  der Schiffsindustrie aus aller Welt im Hinblick auf die Verringerung des Energieverbrauchs und damit des CO2-Ausstoßes.“ Die Umwelthauptstadt Hamburg ehrte die Gäste mit einem Empfang im Kaisersaal des Rathauses.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Eingangshalle des Rathauses

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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erschienen im Hamburger Abendblatt am 22. Juni 2011

Wie war es doch früher so schön. Ich plaudere mal aus dem Nähkästchen: Meine Mutter nähte uns in jedem Frühjahr zu Ostern neue Kleider. Sie war Schneiderin, und es gefiel ihr, ihre beiden Töchter gleich auszustatten, auch wenn wir keine Zwillinge waren. Alles neu machte das Frühjahr. Darauf war Verlass.

Seit einigen Jahren haben die Begriffe Erneuerung und das Erneuern Konkurrenz bekommen. Die Konkurrenz kommt aus dem Englischen und heißt: update – wir sprechen es apdeet aus, versuchen wir es mal! Update bedeutet soviel wie auf den neuen Stand bringen, etwas Veraltetes wieder frisch machen. Hörte ich da eben aus dem Hintergrund jemanden sagen: aufpolieren? Wäre gar nicht so schlecht, finde ich.

Unsere Computer bekommen diese Kur regelmäßig verordnet und verpasst, täglich. Sie werden immer und permanent „apgedeetet“ und wir müssen es ertragen. Wehe wenn nicht! Das geht gar nicht, geht nicht, funktioniert nicht und noch viel mehr: macht total unglücklich! Wer von uns möchte schon unglücklich sein? Wer von uns möchte schon unglücklich vor seinem PC sitzen, ihn nicht optimal mit all seinen Möglichkeiten zum Gebrauch zur Verfügung haben?

Es ist ganz klar: Ohne update geht gar nichts mehr! Ein date haben reicht in dieser Welt nicht mehr aus – das update ist Pflicht, mehr als das: Es ist Notwendigkeit! So war da früher bei meiner Mutter nicht beim Schneidern. Da kam der Frühling und mit ihm die Erneuerung. Mein PC meldet sich gerade und sagt laut und unmissverständlich: „Bei mir ist immer Frühling, ich bin immer da und neu, niemals veraltet, immer auf dem neuen Stand. Hasch mich, ich bin der Frühling…“  Das macht mich nun sprachlos. Ende.

erschienen im Hamburger Abendblatt am 4./5. Juni 2011

Von Johanna R. Wöhlke

Leitender Vorarbeiter André Buchholz vor dem riesigen Informationsschild am Eingang.

Es gibt immer wieder neue regionale Beispiele für gelungene funktionale Architektur, die dem Bürger im öffentlichen Raum originell und schön begegnet. Das kann auch bei einem Profanbau wie einem Recyclinghof der Fall sein – wie in dem unten aufgeführten Beispiel des neuesten Recyclinghofes der Stadtreinigung in Hamburg, im Hamburger Stadtteil Neugraben im Süden der Stadt. Dort macht eine Rotunde die Müllentsorgung zu einer „runden Sache“. Ein Grund, ein überzeugendes Stück funktionaler Architektur für den Bürger vor Ort vorzustellen.

 

Recyclinghof Neugraben ist eine runde Sache.

Kunden kommen sich an im Kreis angeordneten Müllcontainern nicht ins Gehege

So weit das Auge reicht nur Felder und Wiesen, blauer Himmel, in der Ferne das Alte Land und die Elbe, Vögelgezwitscher, Hunde an der Leine beim friedlichen Auslauf mit Herrchen und Frauchen im Schlepptau.

Henry Ockelmann empfängt die Besucher.

“Im Aschenland” ist es schön und doch findet sich hier auch der ideale Platz südlich der Elbe, um sich seiner Altlasten zu entledigen. Die Rede ist vom neuen Recyclinghof der Stadtreinigung Hamburg in der Straße „Im Aschenland“ in Neugraben. Er ist ein Beispiel dafür, zu welch überzeugenden Ergebnissen planerische Kreativität auf zehntausend Quadratmetern kommen kann, wenn sie sich mit praktischen Bedürfnissen und Erfordernissen auseinandersetzt, wie sie dem Bürger die Müllentsorgung fast schon zum Vergnügen werden lassen.

André Buchholz, leitender Vorarbeiter im Aschenland, spürt man die Freude über diesen neuen Standtort ab, der im Februar eröffnet worden ist. Was ist nun das besondere, das besonders Gute und Schöne – an einem Recyclinghof, an diesem Recyclinghof? Die Antwort ist einfach: Er ist nun mal eine vollkommen runde Sache! Er ist eine runde Sache im wahrsten Sinne des Wortes, weil als riesige Rotunde konzipiert.

Der Besucher wird an der Einfahrt empfangen, zum Beispiel wie ich von Henry Ockelmann. Er steht vor dem roten Wärterhäuschen, davor das Schild „Stadtreinigung Hamburg Kasse“, das dem Besucher schwarz auf weiß verdeutlicht, dass er hier halten sollte. Außerdem signalisieren der dicke weiße Strich auf der Fahrbahn und die Aufschrift „STOP“, dass hier gehalten werden muss. Man hält.

Im bekannten Orangeoverall mit zwei schwarzen Taschen um den Körper nähert sich Henry Ockelmann, und nun beginnt der Service der Stadtreinigung, gepaart mit – wie könnte es anders sein – dem unvermeidlichen Hinweis darauf, dass für bestimmten Müll eine extra Gebühr fällig wird: für Grünabfälle 50 Cent pro 100 Liter, für Bauschutt 9,20 Euro pro 100 Liter, für Altreifen 3 Euro pro Stück, Hausmüll 3 Euro pro 120 Liter und für Altöl bis sieben Liter 3 Euro.

Damit aber noch nicht genug. Es folgt auch ein genauer Hinweis darauf, in welchem Container der mitgebrachte Müll zu entsorgen ist und wo auf dem Gelände der sich befindet. Alle Container sind nummeriert – es gibt über zwanzig –  einmal in die „Umlaufbahn“ um die Rotunde einschwenken und an der entsprechenden Stelle von der äußeren Fahrbahn in den mittleren Ladestreifen wechseln, dort vor der Fußgängermarkierung anhalten. So geht es weiter. So haben sie alle ihre sichere Fahrbahn: die ankommenden und abfahrenden Autos, die Entladenden und die Fußgänger.

Der Müll wird zur Mitte in die in die Rotunde abgesenkten Container entsorgt. Kein Recken und Strecken, kein Abmühen und Jonglieren mit zu hebenden Gegenständen. Siebzehn dieser riesigen 35 Kubikmeter-Container stehen bereit, um den Müll aufzunehmen. Hat der Besucher seinen Müll entsorgt, verlässt er das Gelände auf derselben Fahrbahn weiter in Richtung Ausfahrttor. Durch die getrennten Tore: Einfahrt und Ausfahrt für die Besucher und die Zufahrt zur Mitte der Rotunde zum Abtransport der gefüllten Container ist immer ein reibungsloses Miteinander garantiert. Der Recyclinghof muss nicht geschlossen werden, während die riesigen Laster rangieren müssen, wenn sie die vollen Container abholen.

Robert Aust ist aus Finkenwerder gekommen, um Müll zu entsorgen, Altmetall und Holz: „Ich bin Rentner und helfe meinem Sohn“, erzählt er und André Buchholz weiß zu berichten, dass viele ältere Menschen hierher kommen, auch viele ältere Paare gemeinsam. Die vielen Einfamilienhäuser im Umkreis bilden das Haupteinzugsgebiet. Da gibt es im Frühling und Herbst „Highlife“ mit Grünabfällen und Laub. Das ist dann auch  Highlife für die 6 Mitarbeiter, Öffnungszeiten montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr, am Sonnabend von 8 bis 14 Uhr.

Die Baggerschaufel zerkleinert das Holz schon im Container.

Bürgernah und bürgerfreundlich, das ist der neue Recyclinghof und außerdem praktisch und originell, architektonisch ansprechend und von der Lage her sicherlich nicht in Gefahr, seinen Platz irgendwann einmal räumen zu müssen. Müll und Problemstoffe problemlos zu entsorgen, das ist hier möglich.

 

Fotos: Johanna R. Wöhlke

erschienen im Hamburger Abendblatt am 8. Juni 2011

Es ist Morgenstimmung im Lande. Die Menschen sind aufgestanden, haben ihre Morgenwäsche absolviert, den Tee oder Kaffee getrunken, gefrühstückt auf die Schnelle oder auf die langsame, gemütliche Weise – alles das. Dann geht es in den Tag, für jeden auf seine Weise.

Für den Busfahrer heute am Morgen ist eigentlich nicht mehr Morgen. Er ist schon seit einigen Stunden unterwegs. Der Tag begann in schwarzer Nacht und endet vor dem verdienten Schlaf am Mittag. Die Krankenschwester geht vom Nachtdienst nach Hause und lebt ebenfalls in einem Rhythmus, der nicht vom Auf- und Untergang der Sonne bestimmt ist. Piloten und Stewardessen von Flügen nach irgendwo erleben Tage und Nächte im Fluge vergehend. Schlafen im Rhythmus eines durch die Erddrehung bedingten Auf- und Untergehens der Sonne? In diesem Beruf werden Zeit und Geschwindigkeit wohl ganz besonders auf den Kopf gestellt.

Was unser Körper braucht und wie er Stress mit der Zeit verarbeiten kann, das ist schon längst nicht mehr wirklich die Frage, die uns bewegt. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir unterwerfen uns den Erfordernissen und Bedürfnissen einer hektischen modernen und die Mobilität fordernden Welt. Berufe wie das Bäckerhandwerk oder die pflegenden Berufe, die ohne Nachtarbeit nicht zu denken sind, können ein Lied davon singen.

Die moderne Berufswelt, die moderne Welt überhaupt, fordern von uns immer wieder ein Zeitmanagement unseres Lebens ab. Unser Leben, über Jahre geplant wie ein Uhrwerk mit Schule, Stempelkarte, Flugschein oder Krankenhausüberweisung. Versorgung braucht Verlässlichkeit. Das ist eine Binsenweisheit. Wer krank ist, geht davon aus, dass sein Arzt heute wie immer zuverlässig in seiner Praxis anwesend ist und helfen kann. Wer eine Reise machen möchte, geht davon aus, dass Bus, Bahn und Flugzeuge ihre Fahr- und Flugpläne einhalten.

Könnte nun das Fazit sein, dass wir uns in dieser Welt immer alle ganz besonders aufeinander verlassen können müssen? Neben Kompetenz auch auf Pünktlichkeit?  Rigoros verneinen würde ich das nicht… ich vermute, Sie haben es auch genossen, Ihre Zeitung heute früh pünktlich im Postkasten vorzufinden…

 

 

 

 

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 31. Mai 2011

Dieter ist mit seiner Frau Gertrud an der Nordsee unterwegs, denn es gefällt ihnen einfach immer wieder. Das ist nichts Ungewöhnliches für uns Nordlichter. Wir hier im Norden wissen ja, wie schön es im Norden ist! Wenn Dieter unterwegs ist, sendet er auch ab und zu auch eine Nachricht. Da steht dann zum Beispiel mit einem Augenzwinkern: Gerade sei er aufgestanden, um ans Meer zu gehen – aber das Meer war weg. So was aber auch.

Mit diesem Urlaubsproblem  kann ich den Dieter und seine Frau nicht alleine lassen. Wir im Norden sind freundlich und hilfsbereit. Ich sende ihm also ein Gedicht von mir, in dem ich die Schönheiten des Meeres beschreibe, sozusagen als Beschwörungsformel. Ich weiß ja sicher, dass diese Art der Beschwörung wirken wird, regelmäßig, an der Nordsee immer! Wie erwartet, hat es dann auch funktioniert und Dieter schreibt erfreut: „Dein Gedicht hat geholfen. Das Meer ist wieder da!“ Hurra!

Aber Dieters Urlaub ist noch nicht zu Ende. Er überrascht mit weiteren Nachrichten von der Küste. Diesmal sendet er keine Nachricht, er sendet das Bild eines Plakates vor der Eingangstür der Schlachterei seines Urlaubsortes. Dort scheint es sehr merkwürdig zuzugehen. Die Schlachterei bietet an: Pümmelwurst und Wattwürmer, Biker Beißer und Bauernschinken, Feldjäger und andere Spezialitäten.

Das macht mich nachdenklich. Sollte ich Dieter und Gertrud vielleicht doch lieber anbieten, ihren Urlaub abzubrechen, zu uns zu kommen und sie so davor bewahren, im schönen, friedlichen, wunderbaren Norden zu Kannibalen zu werden? Ich warte erst einmal ab – und da kommt die erlösende Information. Dieter schreibt glaubwürdig. „Ich muss nicht alles probieren!“ Recht so. Gott sei Dank! Allerdings sollte ich mich vielleicht einmal davon überzeugen, was sich hier im Norden an manchen Orten so für neue Essgewohnheiten etabliert haben…

Und hier mein “Beschwörungsgedicht” zur Glosse:

Das Meer

 

Weiße Gischt türmt Wasserwände.

Schwung auf Schwung und ohne Ende

wütet, spült es, fließt es leise,

rauscht es stets auf seine Weise.

 

(siehe auf dieser Seite unter “Bücher”: Federpferde. Himmlische Gedichte)

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 30. Mai 2011

Lange habe ich gebraucht, um den Genforschern auf diesem Wege DIE interessante Entdeckung zukommen können zu lassen, aber nun ist es soweit: Der Mensch stammt vom Hamster ab! Das wird einige unter uns erstaunen, denn bislang war Darwin mit seiner Abstammungslehre der Hit. Jetzt aber beginnt eine neue Zeit, die Postaffenzeit! Nur zur Erklärung: Wenn der Wissenschaftler „post“ sagt, meint er nicht, dass er Briefe versendet. Post ist lateinisch und bedeutet so viel wie hinter oder nach.

Wer nach Beweisen fragt, dem werde ich eine Erklärung nicht schuldig bleiben. Der moderne Mensch outet seine diesbezügliche Natur darin, dass er süchtig nach Giveaways ist. Das wiederum kommt aus dem Englischen, schreibt sich eigentlich give away, und meint einfach: etwas weggeben, verschenken.

Wenn der moderne Mensch unterwegs ist, dann sammelt er auf allen möglichen Veranstaltungen diese Giveways ein, egal ob er sie braucht oder nicht. Er sammelt Kugelschreiber, Streichhölzer, Einkaufsbeutel aus Baumwolle oder Leinen, Bonbons, Kekse, Schreibblöcke, Radiergummis, Postkarten – alles eben, was man so schnell in die Tasche stecken kann.

Dann geht der moderne Mensch in seine Höhle, pardon, in seine Wohnung, sein Zuhause und versteckt diese Gegenstände, genauer gesagt: er schafft Plätze für sie. Das können Schubladen, Küchenschränke, Dosen und Töpfchen sein. Manchmal vergisst der moderne Mensch diese Plätze auch und findet sie erst später wieder, wenn er einmal im Jahr Frühjahrsputz macht zum Beispiel. Aber auch dann noch hadert er mit sich selbst, etwas zu entsorgen, was er doch so freudvoll und glücklich mit nach Hause gebracht hatte vor langer Zeit. Er erinnert sich, ist glücklich und froh, betrachtet und versteckt erneut.

Wenn diese weltweit gemachten Beobachtungen kein Beweis dafür sind, dass der Mensch nicht vom Affen, sondern vom Hamster abstammt, dann will ich ab morgen Johanna Renate Darwin heißen. Sie meinen, das könnte nun ein Beweis dafür sein, dass ich dabei bin, Namen zu sammeln? Könnte sein, mehrere hab ich ja schon. Ich hamstere sie sozusagen….