Category: Worte auf Papier


Von Johanna Renate Wöhlke

Wirtschaftstag 2011 des Wirtschaftsrates der CDU in Berlin – zwischen Visionen und Realismus

Professor Kurt J. Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates

„Deutschland: Motor in Europa – Industrieland mit Zukunft“, unter dieses Motto hatte in diesem Jahr der Wirtschaftsrat der CDU seine Jahrestagung in Berlin gestellt. Im Dorint Hotel Convention Center Berlin waren mehr als 2000 Mitglieder und Gäste versammelt. Professor Kurt J. Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates, empfing die Gäste in seiner Rede auf der Eröffnungsveranstaltung mit einem positiven Votum: „Die deutsche Wirtschaft hat sich in Höchstform aus der Krise zurückgemeldet. Der Arbeitsmarkt zieht an, und Made in Germany ist weltweit erste Wahl. Unsere Nachbarn beneiden uns um die gesunde, breit aufgestellte Wirtschaftsstruktur unseres Landes.“

Bei der Eröffnungsveranstaltung des Wirtschaftstages wirkten außerdem der Notenbankchef Italiens, Prof. Mario Draghi, sowie Prof. Dr. Jürgen Stark, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, und der Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Dr. Jürgen Großmann, mit.

Professor Mario Draghi, Notenbankchef Italien

Mit Mario Draghi sprach der wahrscheinlich nächste Präsident der Europäischen Zentralbank zu den Delegierten und Gästen. In einem wichtigen Punkt zur EU- Schuldenkrise und anderen deckten sich seine Ausführungen mit der Position des Wirtschaftsrates: Hilfeleistungen an Pleiteländer solle es nur geben, wenn deren Sozialleistungen nicht höher sind als die der Geberländer. Eine Dramatisierung gegenüber den angesprochenen Ländern in Südeuropa verbietet sich allerdings nach diesen Ausführungen, denn ihr Anteil an der Wertschöpfung in ganz Europa beträgt nur etwa 6 Prozent.

Jürgen Großmann

Jürgen Großmann sprach mit bekannter Deutlichkeit und Witz über die seiner Meinung nach mit einem schnellen Atomausstieg verbundenen Risiken für die Stromversorgung, insbesondere der Gewährleistung der erforderlichen zuverlässig vorhandenen Grundlastversorgung in einem Land, dessen Industrie ein wichtiger Teil der Infrastruktur des Landes darstelle. Energiepolitik sei immer auch Industriepolitik. Ohne wettbewerbsfähige Energieversorgung sei kein Industriestandort denkbar.

Angela Merkel

Im weiteren Verlauf des Wirtschaftstages trafen auf hochkarätig besetzten Podien Vertreter aus Politik und Wirtschaft aufeinander. Die diskutierten Themen: „Globalisierung nach der Krise: Weltwirtschaft zwischen Währungsdumping und neuem Protektionismus“; „Weltmarktführer oder Protestnation: Industriestandort Deutschland am Scheideweg“; „Innovationsfähigkeit international: Kampf um Rohstoffe, Arbeitsplätze und kluge Köpfe.“

Angela Merkel und Kurt J. Lauk gratulieren Fredrik Reinfeldt (links)

Bundeskanzlerin Angela Merkel  hielt, wie in den vergangenen Jahren, die Hauptrede auf der Abendveranstaltung zum Thema „Soziale Marktwirtschaft: Die europäische Lösung aus der Schulden- und Währungskrise“.  Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt erhielt in diesem Jahr die Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold für seine „stabilitätsorientierte und wirtschaftsfreundliche Reformpolitik…die Schweden gestärkt aus der Krise geführt hat“.

Fredrik Reinfeldt

Reinfeldt erläuterte in seinem anschließenden Vortrag die Grundprinzipien dieser Politik, die er im Kern als ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen des Einzelnen, eingebettet und integriert in eine Gemeinschaft, darlegte.

Eine Form von Demut gelernt

Tuomo Hattaka

Dass sich gerade zu diesem Zeitpunkt während des Tagesverlaufs in den Podien alle Fragen zum Industriestandort immer wieder mit der Energiefrage verknüpften, lag auf der Hand. Auf dem Podium des Panels „Weltmarktführer oder Protestnation: Industriestandort Deutschland am Scheideweg“, stellte der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe AG, Tuomo Hatakka, in bemerkenswerter Klarheit fest: „Man braucht Visionen, aber man braucht auch Realismus.“ Er habe im Verlauf seiner Arbeit im Bereich der Energieversorgung eine Form von Demut gelernt. Die Zusammenhänge der Netze seien hochkomplex. Er schätze die Zeitspanne einer konsequenten Umstellung auf grünen Strom auf 40 bis 50 Jahre, in denen grundlastfähige Energieerzeuger den Markt sicher versorgen könnten. Die enormen Kosten dieser Umstellung müssten kommuniziert werden. Schon heute investiere das Unternehmen 5 bis 8 Milliarden Euro jährlich. Mit einer an der möglichen Praxis nachzuvollziehenden Vision schloss er seine Ausführungen auf dem Podium: „ Solange es noch keine Stromausfälle gibt, ist noch nichts los. Das Problem ist, alle nehmen ganz selbstverständlich an: Der Strom kommt aus der Steckdose.“

Professor Dr. Norbert Winkeljohann

Norbert Winkeljohann, Vorstandssprecher der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers AG,  unterstützte Hatakka  und führte aus, dass Investitionssicherheit in diesem Zusammenhang die wichtige Standortfrage eines Industrielandes sei: „Meine Sorge ist, dass wir gar nicht mehr über Investitionen nachdenken und damit darüber, wie viele Produktivarbeitskräfte wir mittelfristig behalten.“

Dr. Hermann Otto Solms

Hermann Otto Solms (FDP), Vizepräsident des Deutschen Bundestages, betonte, dass solche Umbrüche, wie wir sie gerade im Bereich der Energiepolitik erleben, nötig seien. Man müsse damit leben und reagieren, wenn die Bürger die Kernenergie ablehnten. Allerdings müsse die Politik nicht emotional, sondern rational handeln und eine Politik entwickeln, die sowohl die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit als auch Energieverträglichkeit berücksichtige.

Thomas Richterich, Vorstandsvorsitzender der Nordex SE, die Windkraftanlagen baut, berichtete davon, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der Widerstand der Bevölkerung auch gegen grüne Energieformen wie Windkraftanlagen existiere. „Man muss überall kämpfen.“

Tuomo Hattaka, Thomas Richterich, Michael Fuchs ( von links)

Auch in Amerika gebe es „Fledermäuse“, deren Bedrohung ins Feld geführt werde und den Ausbau dieser Energieerzeugungsart bremse. „Nur in China ginge es wohl schneller“, fügte er hinzu und betonte in diesem Zusammenhang, als wie wichtig er in einer Demokratie den Interessenausgleich ansehe. Intelligente Lösungen für Energieerzeugung, Energieeffizienz und Effizienz der demokratischen Prozesse seien gefragt. „Diese Prozesse müssen unbedingt entwickelt werden“, so Richterich.

Hermann Otto Solms, Hans Helmut Scherrer, Klaus Betz ( von links)

Hans Helmut Schetter, Aufsichtsratsvorsitzender des Immobilienkonzerns Bilfinger Berger Budownictwo S.A., hielt die Einschätzung des Industriestandortes Deutschland auf dem Podium für zu wohlwollend. „Die Großprojektmöglichkeit kommt uns abhanden, siehe Stuttgart 21, und ohne Großprojekte geht es nicht. Da ist mir um die Zukunft bange.“ Klaus Betz, Geschäftsführer der Imtech Deutschland GmbH, betonte die Notwendigkeit, Energie einzusparen durch Entwicklung effizienter Produkte, Anlagen und Bauten. Er setzt auf einen vernünftigen Energiemix.

Dr. Michael Fuchs, Professor Dr. Norbert Winkeljohann (von links)

Der Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand, fragte in  seiner Schlussbemerkung den Saal: „Muss der Eisbär schwimmen lernen?“ und erntete nachdenkliches Schmunzeln. Als Fazit der Diskussionen kann festgehalten werden: Kurzfristige Taktik bindet nicht. Langfristige Konzepte sind gefragt, in die alle eingebunden werden müssen.

Die Position des Wirtschaftsrates dazu: „Es reicht nicht, dass sich Bundesregierung, Bundestag und  Bundesrat auf den Ausstieg und über den Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Kernenergie verständigen. Wir brauchen Verlässlichkeit und Klarheit, wie wir die Energie-Infrastruktur – Speicher, Netze, Kraftwerke – so ausbauen, dass wir die neuen Energien auch rechtzeitig und sicher integrieren können. Eines ist zwingend: Wir können aus den alten Strukturen nicht aussteigen, bevor die neuen stehen. Jeder  nationale Alleingang zerstört den europäischen Binnenmarkt. Importverbote sind ein Schritt in die Isolation. Der Schutz der Bevölkerung kann nur gelingen, wenn wir europaweit aus der Kernenergie aussteigen. 40 von 146 Kernkraftwerken stehen in bis zu 50 Kilometern Entfernung zu unserer Grenze.“

erschienen im Hamburger Abendblatt am 25. Mai 2011

Von Johanna R. Wöhlke

An diesem Abend und immer hat er seinen großen Auftritt: der Mann mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit! Wann ist ein Mann ein Mann mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit? „Richtige“ Männer wissen das genau: Wenn sie Frauen Komplimente machen! Männer, die dieses Mittel der Kommunikation nicht nutzen, haben entweder einen extrem starken Charakter mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein, sind schüchtern, interessieren sich nicht für Frauen oder machen nur der eigenen Frau Komplimente. Auch das soll es geben.

Die in diesem Zusammenhang für uns Frauen wichtige Frage ist aber eine andere. Sie lautet: Meint er es wirklich ernst mit seinen Komplimenten oder redet er nur so daher, die jüngeren Damen benutzen hierfür gerne die Formulierung: Ist er nur ein Schleimer?

Liebe Damen, warum soll es uns da eigentlich anders ergehen als das Ergebnis einer Studie belegt. Sie befasste sich mit Komplimenten im Arbeitsleben und stellte fest: Wer Komplimente macht, kommt immer positiv an – und nun folgt das wirklich Erstaunliche: Er kommt auch dann positiv an, wenn das Kompliment als nicht wirklich ernst gemeint zu erkennen ist.

Im Verhältnis Männer und Frauen bedeutet das dann ja wohl, sagen wir es überspitzt: Der Mensch will betrogen werden, wenn es dem Wohlgefühl dient. Flirten macht das Leben schön! Hier würde ich jetzt gerne zum Ausdruck bringen, dass dieser Satz mit einem Lächeln geschrieben worden ist!

Fazit: Lassen wir uns von Männern und Menschen taktierende Komplimente machen soviel sie wollen. Fischen wir uns das Gute und Positive heraus und verachten wir die Schleimer nicht! Sie bringen Freude in unser Leben – die Freuden der netten, humanen Lüge, verpackt in Komplimenten. Es ist ja nur ein Spiel!

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 12. Mai 2011

Widmen wir uns einem heiklen Thema am Morgen. Widmen wir uns der Frage: War es Zufall oder Schicksal oder gar Bestimmung – was nun war es? Mir gefällt an diesen Begriffen  eines nicht: das Gefühl, eine von außen manipulierte Puppe an den Fäden von etwas zu sein zu sollen, das über mich verfügt, ohne dass ich eine Chance hätte, mich dagegen zu wehren, eigene Entschlüsse zu fassen, ich selbst zu sein, zu lernen, Fehler zu machen, all das.

Praktische Hilfe für diese wirklich schwerwiegende Frage des Lebens brachte gestern der Brötchenkorb auf dem Frühstückstisch. Als erstes war es mein Schicksal, die Brötchen essen zu müssen, die ein anderer für mich eingekauft hatte. Dann hatte ich noch das Pech, mich an den Tisch zu setzen, als einige schon ihr Lieblingsbrötchen ausgewählt hatten. Meine Auswahl war also erheblich eingeschränkt. Das Schicksal wollte es außerdem an diesem Morgen, ja presste mich in die Unabänderlichkeit, dass mein Lieblingsbrötchen schon vergeben war. Da ging nichts mehr. Kein Vorwärts, kein Zurück.

Wenn das Brötchen unserer Wahl nicht mehr frei ist, das ist ein höchst bedauerliches Frühstücksschicksal am Morgen. Was wir gerne hätten, ist nicht mehr da –  noch schlimmer: Es ist nicht mehr da, weil ein anderer es sich einverleibt hat für immer und ewig. Wir müssen etwas Anderes essen als wir gewünscht, erhofft hatten, das unserem Geschmack gar nicht so sehr entspricht. Hier ist Standhaftigkeit gefordert und etwas, das eng im Zusammenhang mit Schicksal gesehen werden muss: sich fügen!

Wenn Sie inzwischen auch angefangen haben zu schmunzeln, ist es recht. Ich möchte es weiter auf den „Schmunzelpunkt“ bringen und fortfahren in meiner Argumentation: Wenn der Mensch nicht will, dass ihm ein Schicksal aufgezwungen wird, muss er sich seine Brötchen entweder selbst backen, selbst einkaufen oder so rechtzeitig am Tisch erscheinen, dass die Auswahl noch groß genug ist. Er könnte auch auf Brötchen verzichten und Brot essen oder vielleicht einfach nur Spiegeleier. Wer das für unwichtige Brötchenphilosophie hält, könnte recht haben. Aber ein Lächeln am Morgen war sie vielleicht wert!

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 9. Mai 2011

Physik ist etwas Wunderbares! Wenn man doch nur immer alles verstände! Das waren nun zwei Ausrufungszeichen und – es waren nicht zwei Ausrufungszeichen zuviel. Ihre Faszination reicht für mich vom Begreifen der Funktionsweise des Motors meines Autos bis hin zur Relativitätstheorie Albert Einsteins. Was ist bei uns von dieser vielschichtigen und komplexen Theorie hängengeblieben? Es ist dieser wunderbare Satz: Es ist doch alles relativ oder: Es kommt immer auf den Standpunkt des Betrachters an.

Wer hätte diese Erfahrung im Leben noch nicht gemacht? Wer hat also noch nie eine unmittelbare Begegnung mit der Relativität gehabt? Keiner. Sie begegnet uns überall. Natürlich hatte Einstein recht. Seine Relativitätstheorie reicht sogar bis zum Einkauf der Brötchen am Morgen in der wunderbar duftenden Bäckerei. Wie das?

Der junge Mann kauft seine Brötchen heute gegen zehn Uhr am Vormittag ein, für ihn immer noch Frühstückszeit. Er wählt aus – Tigerbrötchen wie fast immer – und man kommt ins Gespräch. „Heute aber spät unterwegs“, meint die Verkäuferin. Sie kennt diesen Kunden. Der junge Mann schaut zur Uhr und meint: „Spät? Es ist doch erst 10 Uhr! Da kann von spät noch keine Rede sein!“

Die Verkäuferinnen hinter dem Tresen schauen sich lachend an. Dann meint eine: „Na ja, es ist eben alles relativ. Kommt darauf an, wann man aufgestanden ist.“ Wir müssen nicht Albert Einstein bemühen. Wir verstehen auch so. Was ist früh? Was ist spät? Natürlich: Es kommt immer auf den Standpunkt des Betrachters an. Albert Einstein und das nachts backende Bäckereihandwerk -  die beiden passen zusammen! Man könnte allerdings auch schmunzelnd reimen:  Frische Brötchen hinterm Tresen – sind nie relativ gewesen…

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 3. Mai 2011

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Die Leistung lässt uns nicht los. Wehe, wir leisten nicht, dann ist was los. Ich habe nichts gegen Leistung, im Gegenteil. Ich erbringe sie gerne und wenn es geht auf hohem Niveau, aber muss es denn immer und in jedem Augenblick meines Lebens sein?

Ich lerne. Ich lerne in jedem Augenblick. Ja, es muss in jedem Augenblick meines Lebens sein! Zum Beispiel auch dort, wo ich es gar nicht vermute: in meinem Haushalt. Was kann ich da nicht alles leisten!

Die neue Disziplin heißt Energiesparen. Ich habe das als Aufforderung zur Faulheit aufgefasst und meinem Mann das mitgeteilt. Schließlich spare ich die meiste Energie, wenn ich gar nichts tue. In diesem Moment habe ich meinen Mann endlich einmal sprachlos erlebt. Dann fasste er sich wieder und meinte, diese Aufforderung bezöge sich dann wohl auch auf ihn. Da müssten wir wohl beide Energie einsparen.

Gut. Wir setzten uns hin und sparten Energie dadurch, dass wir nichts taten. Wir stellten die Heizung ab und holten uns die Wolldecken. Wir tranken den Tee kalt. Der Weißwein kam warm auf den Tisch und auf gekochte Eier kann man auch mal verzichten beim Abendbrot. Auch unsere Gespräche stellten wir ein. Das verbraucht gemeinsam mit Denken einfach zu viel Energie.

Mein Mann stellte den Fernsehapparat an. Oh, nein, so geht das nicht. Ausschalten, das spart Energie. Mein Mann meinte – das Radio aber vielleicht wegen Nachrichten? Oh nein, war meine konsequente Antwort, das verbraucht zu viel Energie. Und die Lampen wegen etwas Helligkeit? Auch das geht nicht. Das verbraucht zu viel Energie. So saßen wir da im Dunkeln und sparten Energie. Schließlich meinte mein Mann, wenn gar nichts mehr ginge, vielleicht wäre dann Liebe möglich?

Da hatte er aber die Rechnung ohne mich gemacht! Wenn ich Energie spare, dann konsequent!

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 29.April 2011

Ein Brot muss durchgeschnitten werden, damit man es genießen kann. Dann ist eine Scheibe Brot also der Durchschnitt durch ein Brot, eine Scheibe Brot aber deshalb noch lange nicht durchschnittliches Brot. Denn diese eine Scheibe Brot kann keine Aussage darüber rechtfertigen, wie dieses Brot im statistischen Durchschnitt aussieht.

Machen wir uns den Spaß und stellen uns die Informationen über diese Welt wie ein Brot vor und betrachten die Informationen der Statistik, die uns immer so gerne mit Durchschnittswerten konfrontiert. Neulich zum Beispiel wieder einmal mit der Aussage: Die deutsche Frau hat im Durchschnitt 1,36 Kinder. Das ist eine hoch, sehr hoch interessante Aussage. Ich will mir das Kind nicht vorstellen, das übersteigt meine Fantasie. Was hat die Mathematik gemacht?

Um in unserem Beispiel zu bleiben: Sie hat alle deutschen Frauen in die Brotmaschine geworfen, verquirlt und eine Kostprobe gezogen. Also stimmt nichts mehr, weder das Brot noch die Kostprobe sagen etwas über das echte Brot aus. Es gibt einen Mittelwert. Aber warum?

Genauso ist es mit dem Wetter und Durchschnittstemperaturen, die im Zweifelsfall nie so sind wie die an meinem Wohnort oder Aussagen wie: Jeder Künstler verkauft in seinem Leben 0,3 Bilder. Ich weiß damit nichts über das echte Leben, ich kenne nur einen mathematischen Wert, der nicht auf Menschen angewandt werden kann.

Ich aber möchte den echten Knust oder die echte Mitte des Brotes,  die echte Mitte des Lebens, die echte Geschichte, das echte Erleben. Statistik ist ein Spiel mit Zahlen. Spiele sind nie das wirkliche Leben – 1,36 Kinder sind es auch nicht. Aber wie wunderbar sind unsere echten…

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 28. April 2011

„Leben, das ist etwas anderes“, meint mein Gesprächspartner. Wir haben über den Beruf gesprochen und darüber, wie sehr ihn sein Beruf ausfüllt und gleichzeitig so belastet, dass manchmal die Lust am Leben stark reduziert wird. Stress, so nennt die Umgangssprache das. Stress, stressig und gestresst – wer kennt diese drei Wörter nicht, wem begegnen sie nicht immer wieder, zu viel immer wieder!

In der Mühle des Berufes sein, das kann Stress bereiten. Jeden Tag funktionieren zu müssen, verlässlich funktionieren zu müssen. Schließlich wird man gerade dafür bezahlt und gerade das ist es auch, was Kunden und Arbeitgeber erwarten, zu recht erwarten können, denn sie bezahlen Geld für die von ihnen erworbene Leistung. Geben und Nehmen heißt dieses Spiel des Lebens, das kein Spiel ist.

Die Wünsche und Gedanken streifen oft in Berufe ab, von denen die Annahme existiert: Da wäre ich glücklicher geworden. Besonders die Künste verstehen es, einen Glorienschein um sich zu entfalten. Wie oft habe ich es schon gehört: Musiker wäre ich gerne geworden, Maler, Schauspieler, Sänger. Die Liste ist lang. Dort, so meint man, sei die Freiheit in einem weitaus höheren Maße angesiedelt als in allen anderen Berufen. Dort zu arbeiten, das scheint wie ein leuchtender Stern am nächtlichen Himmel des täglichen Trotts zwischen Bürostuhl und Fabrik.

Frei sein in der Kunst? Wer von seiner Kunst seine Brötchen und sein Auto bezahlen will, ist wahrscheinlich weniger frei als jeder sonst, denn er ist unmittelbar davon abhängig, dass seine Arbeit gefällt und fremde Geldbörsen öffnet. Das Ohr an den Bedürfnissen der Kunden zu haben, am Verkaufserfolg unmittelbar gemessen zu werden, ist das tägliche unkreative Brot des Künstlers, wenn er nicht gesponsert wird. „Kreativitätstötendes“ Marketing allüberall! Verlässlich funktionieren allüberall!

„Leben, das ist etwas anderes“, ein Spruch, den man wohl in allen Berufen irgendwann einmal zum Besten geben wird…

 

 

 

 

Ostermontag 2011

Das Schaf

 

Das Schaf, es weidet vor sich hin,

denn Weiden bringt ihm Lustgewinn.

 

Es weidet gern auf grünen Wiesen,

auch neben weißen Flugzeugriesen.

 

Denn Gras verdaut sich luftig, lecker

handelt es sich um Flugzeugäcker.

 

erschienen im Hamburger Abenblatt am 20.April 2011

Ich habe ihn schon über das Feld hüpfen sehen, den Osterhasen. Es waren sogar mehrere. Ich bin mir ganz sicher, dass es Osterhasen waren, denn sie hatten es so eilig davonzukommen, dass es sich nur mit vorösterlicher Eile erklären lässt. Ja, folgen wir den Mythen und glauben an sie, dann ist diese Zeit jetzt Stress pur für den Osterhasen, denn sie bemalen die Eier. Sie bemalen sie nicht nur, sie sollen sie auch noch legen und verschenken. Nicht nur ich meine: Das ist des Guten zu viel!

Deshalb habe ich zur Selbsthilfe gegriffen und aus lauter Mitleid und Mitgefühl mit den Osterhasen einige von ihnen gekauft. Ja, man kann sie kaufen. Ich habe allerdings kleine Stoffosterhäschen gekauft, etwa handgroß, mit niedlichen Schnuten, Öhrchen und allem, was noch zu einem niedlichen kleinen Häschen gehört. Es waren nicht wenige, die ich mit nach Hause brachte, genau zwanzig Stück.

Meine Vermutung war, damit entziehe ich sie dem Osterstress. Sie sahen so klein und niedlich aus, da wollte ich ihnen einen so anstrengenden Job nicht zumuten. Was habe ich gemacht? Ich habe sie aufgehängt, aufgehängt an ihren kleinen mit Magneten ausgestatteten Pfötchen. Die „kleben“ nun aneinander und so „kleben“ auch die Häschen fest an einer  Stange in meiner Küche. Häschen an Häschen, eine ganze Hasengalerie!

Ich kann ihnen ansehen, wie sie sich freuen. Sie hängen da ganz ruhig und friedlich und schauen mir dabei zu, wie ich Eier koche oder brate. Keiner will etwas von ihnen. Keiner hetzt sie. Keiner zwingt sie dazu, Massen von Eiern zu transportieren. In meiner Küche ist das Osterfest ein wirkliches Fest für den Hasen! Auch Hasenbraten gibt es nicht! Die Hasen und ich, wir verstehen uns. Wir sind ein Herz und eine Seele.

Mein Mann meint, so ein arbeitsfreies Ostern, das hätte er auch gerne. Darauf konnte ich ihm nur antworten: „Bitte, zeig mal Deine Hände, wenn die auch magnetisch sind, können wir es mit der Küchenstange ja mal versuchen…“

 

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 18. April 2011

Kochen ist auf allen Sendern in. Es scheint: Alle Welt kocht und hat nichts anderes im Sinn als zu kochen! Das ist gut so. Gutes Essen ist eine wahre Freude, ein wahres Vergnügen, eine wahre Lust. Es ist nur so, wenn ich das am Rande und unmaßgeblich bemerken darf: Es sollte auch schmecken! Das ist meine gedankliche Kurve zu unseren Lieblingsgerichten!

Ja, die Lieblingsgerichte, wir kommen nicht von ihnen los. Sie begleiten uns ein Leben lang und sind im wahrsten Sinne des Wortes unverzichtbar. Die herrschende Meinung dazu ist, dass unser Geschmackssinn in der Jugend geprägt wird. Wir nehmen ihn mit ins Leben und können uns nicht mehr von ihm trennen, also auch nicht von unseren Lieblingsgerichten aus dieser Zeit.

Ein Beispiel dafür sind mein Mann und ich. Wir sind in Sachen Essen völlig unterschiedlich sozialisiert: ich aus einer ostpreußischen Familie kommend, in der gekocht, gebacken, gebraten und geschmort wurde, was das Zeug hielt, alles üppig und reichlich, der frische Fisch vom Markt, selbst geschuppt, ausgenommen, die Hühner zur Kleinkinderzeit noch selbst von der Großmutter geschlachtet, gerupft, all das. So sind meine Lieblingsgerichte: ehrlich, frisch, bäuerlich.

Mein Mann ein Großstadtkind mit keinerlei Erfahrungen auf diesem Gebiet und schon immer mehr Sinn für die „feine“ Küche. Wenn ich an meinem halben Hähnchen nage, schneidet er in dessen Brustfilet. Wenn ich die Kartoffeln mit Lust in Soße wiege und genussvoll verzehre, liebt er sie einfach so, ein wenig Butter vielleicht, Gemüse, feines Fleisch. So geht es weiter. Die kommende Zeit ist seine: Spargel mit Schinken. Mir fehlt dabei immer die Soße, Sie ahnen es schon.

Wieder einmal komme ich zu dem Schluss: Jeder auf seine Art und wie er es mag. Vielfalt in der Küche. Das scheint ein gutes Rezept ohne Rezept zu sein!