Category: Worte auf Papier


Erschienen im Hamburger Abendblatt am 14. April 2011

Es ist die Zeit der Vögel, scheint es mir. Wenn es zu Weihnachten hieß: Allüberall auf den Tannenspitzen sah ich goldene Lichtlein blitzen, dann müsste es nun heißen: Allüberall auf den Tannenspitzen sah ich zwitschernde Vögel sitzen – und wie sie zwitschern. Sie zwitschern nicht nur, sie machen auch andere Dinge und sind sogar schon mit der Brutpflege beschäftigt. Einen Sommer lang sind sie mit der Brutpflege beschäftigt und dann, endlich, fliegen sie aus, die groß gewordenen Kleinen.

Das bringt eine Menschenfrau unwillkürlich zu menschlichen Gedanken, was die Brutpflege angeht. Ein Vogel hat nur einen Sommer lang zu tun, das allerdings jeden Sommer wieder, zugegebenermaßen. Wir Menschen haben ein ganzes Leben lang zu tun, na ja, nicht ganz, ebenfalls zugegebenermaßen, aber eigentlich doch ein ganzes Leben lang. Kinder bleiben immer Kinder, sagt der Volksmund zu Recht.

Welch einen langen und mühsamen Prozess hat uns die Natur auferlegt, unsere „Brut“ großzuziehen: neun Monate im Bauch der Mutter, sechs Jahre bis zum Schulanfang, viele weitere bis zum Ende der Berufsausbildung – da können schon mal locker 25 Jahre ins Land gehen in dieser Zeit.

Was ist aus uns Eltern geworden in diesen 25 Jahren? Wie hat sich unser Leben neben und mit den Kindern entwickelt? Was ist geworden aus dem „Nest“, dem ewigen Heranschleppen von „Regenwürmern und Getier“, dem Begleiten von „Flugversuchen“, dem Schützen und Bewahren?

So sind die Gedanken im Frühling, wenn die Vögel auf den Tannenspitzen sitzen und ehrlich gesagt und ganz leise unter vorgehaltener Hand: Es war eine wunderschöne Zeit, aber noch mal das Ganze von vorn? Da setze ich mich lieber unter die Tanne und höre zu, wie die Vögel zwitschern. Jetzt ist ihre Zeit!

erschienen im Hamburger Abendblatt am 12. April 2011

Wie sieht ihr Frühstück aus? Ich wette, da gibt es so viele Antworten, wie wir Leserinnen und Leser haben! Die Frage ist als sehr interessant einzustufen. Keine Angst, ich werde hier keine psychologische Abhandlung am Morgen darüber schreiben, was für besondere Neigungen Sie haben könnten, wenn sie das Ei köpfen oder es lieber im Glas oder als Rühr – und Spiegelei bevorzugen. Davon halte ich nichts. Es geht einfach nur darum, die Vielfalt menschlichen Seins auch hier zu entdecken und ein wenig darüber zu schmunzeln!

In dieser Hinsicht ist frühstücken wie Theater. Jeder gibt seine eigene Vorstellung. Die Vorstellung läuft in einem fast schon Ritual zu nennenden Rhythmus ab und kennt grundsätzlich zwei Spielorte: das eigene Zuhause oder „Ich-bin-unterwegs“. Es gibt Menschen, die weichen von ihren Ritualen nicht ab. Sie essen ihre Lieblingsspeisen zum Frühstück, egal wo sie sind. Da kann das Hotelfrühstücksbuffet noch so reichlich bestückt sein – sie essen ihr Käsebrötchen ohne Butter und trinken ihren schwarzen Tee.

Es gibt aber auch noch die Abweichler, die sich gerne auf das Erlebnis einlassen, am Morgen einmal mit überfülltem, aber glücklichem Magen in die nächste Geschäftsbesprechung zu begeben, sich an den Strand zu legen oder den Reisebus zu den Pyramiden zu besteigen. Die habe ich schon an  Hotelbuffets erlebt und mich gefragt: Wo lassen sie das alles? Aber der menschliche Körper ist ein Wunderwerk. Er kann sich auch auf solche Extremsituationen gut einstellen, offensichtlich, denn sie sind ja sehr lustbetont!

Frühstücken macht nun mal Spaß. Ausgiebiges Frühstück mit netten Menschen und lieben Freunden – das ist mehr als nur ein kulinarischer Genuss! Frühstücken wir also mit Appetit und Freude, mit Lust und Vergnügen, mit Zeit und Muße – wann immer es möglich ist. Es ist ein perfekter Start in den Tag!

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 11. April 2011

Wann ist ein Arzt ein guter Arzt? Sich diese Frage zu stellen, bedeutet, sich auf glattes Eis zu begeben. Zu oft schon habe ich es erlebt, dass Patienten von ein und demselben Arzt ganz unterschiedliche Meinungen vertreten haben: einmal war er klasse, einmal war er einfach nur miserabel. Warum ist das so?

Die naheliegende Antwort ist wohl: Menschen sind Individuen und nehmen individuell wahr. Jeder von uns schaut alles – also auch einen Arzt – durch seine „Brille“ an. Wie aber ist es dann möglich, eine halbwegs objektive Einschätzung einer Person und ihrer Arbeit zu bekommen? Fragen über Fragen tun sich auf.

Schwierig in diesem Zusammenhang ist wohl die Ansicht – warum auch immer sie sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben mag – ein Arzt könne gesund machen. Ich behaupte, das kann er nicht. Aber er kann etwas ganz Wunderbares: Er kann sein Wissen und die Möglichkeiten der Medizin dafür einbringen, Menschen dabei zu helfen, gesund zu werden! Jeder Arzt verzeihe mir meine laienhafte Meinung -  zum Gesundwerden gehören immer drei: das ärztliche Wissen, der Patient als Persönlichkeit und die „black box“ seines kranken Körpers.

Da hat alles seinen Platz: Gläser, Kanülen, Pillen, Spritzen, Beutel, Schläuche, Messer und Scheren sowie auch Fragen und Hören, Schauen und Tasten, Fühlen und Horchen, Lieben und Reden, Glauben und Hoffen.

Am Ende wünschen wir uns alle, Menschen zu bleiben aus Fleisch und Blut. Mitten im Leben. Die moderne Medizin hilft dabei auf wunderbare Weise und der Dank ihr gegenüber  und den Menschen, die dort ihren Dienst tun, sollte nie vergessen werden.

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 9.April 2011

Jetzt ist es passiert. Jetzt ist es geschehen. Ich bin verzweifelt. Ich habe alles hingeworfen. Ich habe keine Lust mehr. Aus, basta! Warum? Was würden Sie tun, wenn Ihnen schwarz vor Augen wird und Sie nichts mehr sehen – trotz allen Bemühens und trotz allen guten Willens durchzuhalten. Auch Sie sagten: Ich habe keine Lust mehr!

Mein Mann stand amüsiert davor, obwohl es eigentlich um ihn ging, um ihn und seine schwarzen Socken. Wie kann er da lachen? Nur und immer schwarze Socken, schwarz, schwarz, schwarz. Ich verweigere mich. Kaum ein Paar, dass ich passend zusammenlegen kann. Immer bleiben mehrere Strümpfe übrig und suchen nach dem Strumpfpartner, ohne ihn jemals wieder zu finden. Es ist ein dauerndes Drama. Es ist eine dauernde Katastrophe. Ich will nicht mehr!

Wie wird sich der Ehefrieden wieder herstellen lassen? Er könnte seine Socken selbst  zusammenlegen. Ich sollte es ihm einmal vorschlagen. Aber ich bin mir sicher, es wird ihm ähnlich ergehen wie mir. Schwarz zu schwarz unter lauter Schwarzen, das macht einen ungeduldigen Mann doch schon nach kurzer Zeit sanatoriumsreif. Bei mir hat es Jahre gedauert. Jetzt streike ich!

Die Lösung habe ich als konflikterfahrene Frau natürlich auch parat. Er soll sich schwarze Socken mit irgendeinem Muster kaufen: ein kleines rotes Karo an der Seite, ein klitzekleiner Streifen, irgendetwas Farbiges, das signalisiert: Wir gehören zusammen! So sollte es gehen. Farbe an die Socke, Farbe und Freude  ins Leben!

Bis dahin lege ich zusammen, wie die Strümpfe nun mal kommen, und schere mich nicht um ihre echte, schwarze Identität. Alles ist gut. Ich habe mich abgeregt. Schauen wir nach vorne in eine bessere  Zukunft – das ist immer der beste Weg! Ach ja, eben kommt die Meldung rein: Die Schwäne sind wieder auf der Alster! Endlich mal was Weißes…

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 7. April 2011

Seien wir ehrlich! Sind wir nicht immer mal wieder auf der Suche nach DEM Zufall, der unser Leben endlich mit der Riesenportion Glück und Erfolg versorgt, die wir uns erhoffen, erträumen, erwünschen? Wer ist schon frei davon? Natürlich hören wir immer wieder auf die klugen Worte weiser Menschen, die Predigten am Sonntag, die uns auf den Kern, das Wesentliche des Lebens hinweisen wollen, all das – aber eigentlich bleiben wir die Fatalisten, die sich alles Gute vom Schicksal erhoffen und auch dazu neigen, mit unserem Schicksal zu hadern, wenn es uns gerade das nicht beschert.

Es gibt so viele schöne Geschichten darüber, wie das nicht Planbare das Leben der Menschen bestimmt und das Geplante immer wieder aushebelt. Der Volksmund sagt dazu unter anderem: Der Mensch denkt und Gott lenkt. Das besagt im Grunde nichts anderes als das.

Zufälle haben die größten Erfindungen der Menschheit begleitet  - zum Beispiel die Erfindung des Periodensystems in der Chemie durch den russischen Wissenschaftler Mendelejew. Ihm kam die Idee zur Anordnung der Elemente beim Kartenspielen. Ein anderes Beispiel ist die Entstehung des Weltkonzerns Michelin für Luftreifen durch Edouard Michelin, der für einen Radfahrer einen Luftreifen reparierte und dabei das Potential des Luftreifens für Autoreifen erkannte. Beispiele dieser Art gibt es viele.

Zufall oder nicht? Schicksal oder nicht? Wahrscheinlich eine müßige Frage. Der Kölner sagt: Et kütt wie et kütt! Und meint damit: Hab keine Angst vor der Zukunft, es wird schon werden. Bevor dieser kleine Text nun auch zu so etwas wie einer Sonntagspredigt ausartet, schließe ich hier. Ich bin sowieso an einem Punkt angelangt, an dem sich jeder seine eigenen Gedanken machen wird und machen soll. Auch da übrigens tröstet auf dem Weg ein kölnisches Wort: Et is noch immer jot jejange – Optimismus pur! Jeder, der Platt versteht, versteht auch das, natürlich!

Harry Springer feierte seinen 60. Geburtstag und Andreas Göhring machte für ihn eine Sonderausgabe Seite 1 des Hamburger Abendblattes, pardon Altenblattes…:-))))
“Mezzotinto”, eine kleine Literaturzeitschrift in Hamburg, die beide gegründet hatten, war für mich eine wichtige Station im Leben. Bei Harry habe ich zum ersten Male meine Gedichte präsentiert und gelesen. Wir haben viele gemeinsame Veranstaltungen miteinander gehabt. Dass Andreas mich dann zur Stil Ikone im Post Kapitalimsus machte – es hat mich natürlich sehr gefreut!
Ihr beiden “Mezzotintler”, noch einmal danke für schöne gemeinsame Stunden und Erfahrungen! Es ist noch nicht vorbei!

Harry Springer

Andreas Göhring

erschienen im Hamburger Abendblatt am 31. März 2011

Wer zu viel Zeit hat und nicht weiß, wie er sie verbringen soll, der muss sich Gedanken darüber machen, wie er sich die Zeit vertreiben kann. Von diesen Menschen scheint es auf der Welt viele zu geben. Sie haben so viel Zeit, die bedauernswerten Leute, und nun machen sie sich Gedanken darüber, sie sinnvoll einzusetzen. Ihre Idee: Sie wollen mir helfen. Wie wunderbar!

Sie schreiben mir zum Beispiel Emails. In der letzten Zeit kamen einige davon an. Aus ihnen geht hervor, dass sich diese so sehr um ihre Mitmenschen Kümmernden Sorgen um den Zustand meiner Kreditkarten machen. Sie machen sich sogar Sorgen um Kreditkarten, die ich gar nicht habe. Das scheint mir nicht nur auf den ersten Blick der Sorge zu viel zu sein. Aber wie gesagt, wenn der Mensch viel Zeit zur Verfügung hat, dann setzt er sie nun mal für seine Mitmenschen ein, koste es, was es wolle.

Heute kam wieder so eine Email an. Diesmal möchte man mich auf ein Problem mit meiner Visa-Karte aufmerksam machen. Es muss sehr dringend sein, denn der Verfasser des Briefes hat vergessen, sein Schreiben auf Rechtschreibfehler hin zu kontrollieren. Da steht nun folgendes:

„Hallo Gast Visa Europe, Ihre Kreditkarte wurde ausgesetzt, weil wir ein Problem festgestellt, auf Ihrem Konto. Wir haben zu bestimmen, dass jemand Ihre Karte ohne Ihre Erlaubnis verwendet haben. Für Ihren Schutz haben wir Ihre Kreditkarte aufgehangen. Um diese Suspension aufzuheben, klicken Sie hier und folgen Sie den Staat zur Aktualisierung der Informationen in Ihrer Kreditkarte. Vermerk: Wenn diese nicht vollständig ist, werden wir gezwungen sein, Ihre Karte aussetzen.“

Meine arme Karte: ausgesetzt und aufgehängt! Nun mache ich mir wirklich Sorgen! Andererseits – die Briefeschreiber werden es schon richten. Sie haben viel Zeit dafür!

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 30. März 2011

Immer wieder sehe ich, wie sehr sich die fußballbegeisterten Männer der Nation damit abquälen, den Fußball für alle Beteiligten zu einem rundum vollkommenen Vergnügen zu machen. Leider gelingt es ihnen nie. Immer verliert eine Mannschaft, die nicht verlieren will. Immer muss wieder ein Trainer den Job quittieren und zu einem anderen Verein wechseln. Ich vermute, Fußballtrainer leben nur in angemieteten möblierten Wohnungen und packen die Koffer erst gar nicht aus.

Für mich als unbeteiligten Fußballfan am Rande ist das eine nicht befriedigende Situation. Ich mache mir Sorgen – nicht nur um die Trainer und Mannschaften, sondern auch um den Bluthochdruck der gestressten Fans und Vereinsvorstände –  und habe mir deshalb Gedanken gemacht. Das Ergebnis ist genial, eine wunderbare Lösung für das Problem, die alle zufrieden machen wird: Hiermit schlage ich vor, zukünftig die Trainerrotation in der Fußballbundesliga einzuführen, nicht nur als Nervenberuhigungsmittel, sondern auch als Ausgangsbasis für sicheren, wechselnden Erfolg aller Mannschaften.

Was bedeutet nun Trainerrotation genau? Möglich wäre, dass ein Fußballtrainer automatisch nach vier Wochen zu einem anderen Verein in der Bundesliga wechselt. Das schaffte nicht nur für die Trainer sichere Arbeitsplätze und sorgte für fehlenden Stress in den Vereinsvorständen. Es belebte die Fußballbundesliga auch auf völlig neue Weise. Vorzustellen wäre eine begleitende Art von Lotto als Zufallsauswahlverfahren, aus dem sich jeweils ergeben könnte, zu welchem Verein die Trainer jeweils wechseln. Das produzierte Spaß und Freude und könnte außerdem noch eine zusätzliche Geldquelle für die Vereine sein.

Also, ich finde meine Idee genial, wie ich schon sagte. Da ich nicht wirklich etwas von Fußball verstehe, darf ich auch gerne mal unkonventionelle Vorschläge machen. Wer weiß, was daraus dann werden könnte. Der Ball ist rund und runde Sachen eignen sich nun mal auch für gedankliche Rotationen besonders gut…

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 18. März 2011

Da liegt es, das Geschenk. Es kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich kann es nicht wirklich einordnen. Hübsch ist es, das ist zweifelsfrei. Ich mag es. Aber wieso kommt es mir so bekannt vor. Die Gedanken daran schiebe ich zur Seite. Wahrscheinlich habe ich ein ähnliches Teil in irgendeinem Geschäft gesehen, es hat mir gefallen und nun erinnere ich mich daran. Das wird es sein.

Dann kommt mein Mann. Er hat ein exzellentes Gedächtnis und hat mich damit schon so manches Mal überrascht. Er schaut sich das Geschenk an und lacht. Wieso lacht er? „Ich kenne es!“, meint er und lacht noch immer. Dann gehen wir gemeinsam auf eine Erinnerungsreise, die uns einige Jahre zurück führt und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Dieses Geschenk haben wir Freunden vor Jahren gemacht, ein schönes Geschenk. Sie haben sich sehr darüber gefreut damals, aber da sie immer sehr viele Geschenke bekommen, ist es wahrscheinlich verpackt und wohl behütet in einem Schrank gelandet und hat vor sich hin gedöst. Jetzt bin ich mir sicher: Geschenke können dösen! Nun ist es zurück!

Eigentlich ist das nicht schlimm, überlege ich mir, ein wenig skurril, aber nicht schlimm. Wie viele Geschenke wohl auf diese Weise in den Kreislauf des Schenkens eingebracht werden? Sollte man erwarten, dass Freunde sich daran erinnern, von wem sie etwas geschenkt bekommen haben? Peinlichkeitsgefühle könnten aufkommen. Nicht bei mir. Ich treibe die skurrile Erklärungsweise weiter: Wenn ein Geschenk von mir so wenig den Geschmack des Beschenkten getroffen hat oder den Bestand an für ihn unnützen Dingen noch mehr erhöht hat, dann darf es gerne zu mir zurück kommen, sozusagen auf Heimaturlaub gehen und bleiben.

Wir werden natürlich nicht darüber reden. Das tut man nicht. Ich habe mich auch brav bedankt und zugestimmt als ich gefragt wurde, ob das Geschenk denn gefallen habe. Es hat. Ich hatte es ja vor Jahren selbst ausgesucht…

erschienen im Hamburger Abendblatt am 16. März 2011

Ich bin eine von Jugend auf erprobte Schnarchertragerin! Mein Vater pflegte in jeder Nacht ganze Wälder abzusägen. Ich hörte es durch die Schlafzimmerdecke bis in mein Kinderzimmer darüber. Neben ihm lag meine Mutter. Immer habe ich mich gefragt: Wie hält sie das nur aus? Sie hielt es aus und schlief. Keiner verstand wieso.

Die schönste Geschichte diesbezüglich grassierte in der Familie bezüglich einer Reise in den frühen fünfziger Jahren. Meine Eltern waren mit Freunden mit dem Zelt unterwegs. Man zeltete am Bodensee. Am ersten Morgen gab es unliebsame Blicke der Zeltplatzbewohner, danach unmissverständlich die Aufforderung, doch etwas gegen das Schnarchen zu unternehmen. Man sei im Urlaub und habe nicht die Absicht, auf dem Gelände eines Sägewerkes zu übernachten. So ist das mit dem Schnarchen.

Als ich neulich mit meinem kleinen Köfferchen im Zimmer des Krankenhauses erschien, wo ich für eine Nacht einquartiert war, empfing mich die Dame aus dem Nebenbett mit den Worten: „ Ich muss sie warnen, ich schnarche!“ Gut, dachte ich mir, sie schnarcht. Warten wir mal ab.

Sie schnarchte. Sie schnarchte auf eine sehr charmante und vielseitige Weise. Es war gar nicht mal sehr laut, aber es war nicht zu überhören. Alle Varianten zwischen leisem Säuseln beim Einziehen der Luft, kleineren holperigen Schnaufern, länger gezogenem Pfeifen bis hin zu diesem unverwechselbaren Geräusch, das wir alle schnarchen nennen. Ich würde sagen: Sie war eine wirklich variantenreiche Vertreterin der Schnarchzunft.

 

Es war gerade Karneval und ich hätte ihr gerne einen Orden verliehen. Leider hatte ich keinen dabei. Aber wer kann auch schon ahnen, dass einem im Krankenhaus nächtlich so ausgereifte Schnarchkonzerte geboten werden, dass diese nach einem Orden verlangen…