Category: Worte auf Papier


James Last
Abschiedskonzert in der Color Line Arena im Hamburg am 18.November 2006

von Johanna Renate Wöhlke

Wenn große Männer Abschied nehmen, dann ist es immer ein großer Abschied, niemals ein kleiner. Diese Abschiede haben etwas von “eigentlich will ich nicht gehen”. Als sei es unfreiwillig, so ein Abschiedskonzert, in dem niemand glauben mag, dass der Künstler dort oben auf der Bühne es ernst meint.

Ernst gemeinte Abschiede gleichen der Bewegung, eine schöne Blume aus der Vase zu nehmen und nun leider entsorgen zu müssen. Das geht nicht ohne Tränen. Die Blumensträuße aus Musik, die James Last mit seinem Orchester an diesem Abend in der Color Line Arena in Hamburg überreichte, waren bunt, groß und voller Leuchtkraft.

Eine gute Big Band ist ein Klanguniversum. Ein alt und doch nicht müde gewordener Orchesterchef wie James Last bringt dieses Universum zum Schwingen und Klingen und sein Publikum im besten Fall zum wehmütigen Träumen, aber auch zu enthusiastischen Liebesbeweisen. Die andächtigen Träumer behielten ihre Plätze, die Enthusiasten zog es in den Bereich vor der Bühne, um dort zu tanzen und ihrem Idol nahe zu sein. Spaß, Freude, Verehrung, Blumen, Karten, Briefe – so soll es sein.

Ein Paar war aus Mexiko gekommen, um dieses Konzert zu hören. Fahnen aus Schweden waren zu sehen. Wer nur den “alten”, den ursprünglichen Partysound von James Last erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Erstklassige Sänger erweisen sich als Meister der Popmusik in Ballade und Rock. Die Jahre haben die Haare von James Last weiß werden lassen, aber seine Klänge nicht konserviert. Ton in Ton, weiß in weiß dann der Auftritt im zweiten Teil. Schon zwanzig Jahre alt sei dieser Anzug, erklärt James Last dem klatschenden Publikum, das ihn genau so sehen wollte, in diesem weißen Anzug, mit dem er berühmt geworden ist.

Die bunte Mischung macht den Abschied leichter als gedacht – und dann kommt da noch zum Schluss der süße Bonbon des Meisters selbst: Eigentlich sei das ja kein wirkliches Abschiedskonzert. Wenn zwei Jahre vorüber sein werden, vielleicht… ja, vielleicht? Dann – auf ein neues Abschiedskonzert!

Im Himmel gebadetes Obst

Eine skurril-poetische Gedankenreise Die skurrile Poesie der Johanna Renate Wöhlke lädt ein zu einem neuen und unbekannten Leseabenteuer in das eigene Selbst. Geschrieben ohne Punkt und Komma entstehen Assoziationen, Wort- und Gedankenfelder, ineinander verwoben und verschachtelt, alles mit Allem verknüpfend, die faszinierende Gedankenreisen möglich machen. Johanna Renate Wöhlke:Im Himmel gebadetes Obst 112 Seiten. ISBN 10: 3-931628-56-6. ISBN 13: 978-3-931628-56-7. 8,90 Euro

Im Himmel gebadetes Obst Doppel-CD Hörbuch

Im Himmel gebadetes Obst CD-Cover 1 Im Himmel gebadetes Obst CD-Cover 2 Johannes Glück liest “Im Himmel gebadetes Obst” mit dem Charme eines Österreichers aus Wien: poetisch sanft und doch ausdruckstark nuancierend in der Interpretation dieser skurril poetischen Texte. Seine Ausbildung in Schauspiel, Gesang und Tanz erhielt der dreißig Jahre junge Künstler am Konservatorium der Stadt Wien. Er bestand sein Diplom mit Auszeichnung. Die Bühne und der Gesang sind aber nur zwei Aspekte im Wirken des Künstlers. Er komponiert, schreibt Liedtexte und arbeitet als Autor, davon auch zwei Jahre von 2003 bis 2005 in Musicalproduktionen in New York. Zwei von ihm geschriebene Werke – die musikalische Komödie “Das Greingold oder Marder unter uns” sowie die Operette “Das Dingsbums, das man Liebe nennt” – wurden in Grein und in Wien gespielt. Gerade arbeitet er an “Krawutzi Kaputzi”, einer musikalischen Komödie, die am Kabarett Simpl in Wien produziert wird. Auf seiner homepage www.charmsong.com ist alles zu erfahren, was den künstlerischen Werdegang und das künstlerische Wirken von Johannes Glück betrifft. Johanna Renate Wöhlke:Im Himmel gebadetes Obst CD: ISBN 10: 3-931628-60-4. ISBN 13: 978-3-931628-60-4. 14 Euro

Im Himmel gebadetes Obst Hörbuch zum Downloaden

Das Hörbuch ist auch als online-Version verfügbar. Sie können hier gerne Kostproben  als mp3 downloaden und anschließend das komplette Hörbuch bei Libri.de online kaufen. Kostproben des Hörbuchs:

Engelsgeschenke

Ich vermisse dich

Matjes ist ein Essen

Johanna Renate Wöhlke:Im Himmel gebadetes Obst Hörbuch ISBN 10: 3-931628-51-5. ISBN 13: 978-3-931628-51-2. 5,99 Euro Mit einer Lesung “Hamburger Melange” im Literaturhaus Hamburg am 24. September 2007 stellten wir Buch und Hörbuch vor. Johannes Glück war aus Wien gekommen und Reiner Regel umrahmte mit meiner Musik auf Klarinette und Saxophon die Lesung.

Johannes Glück liest im Literaturhaus Hamburg

Nach der Lesung im Literaturhaus Hamburg am 27.9.2007

Johannes Glück, Johanna Renate Wöhlke und Reiner Regel nach der Lesung im Literaturhaus Hamburg

Kieselsteingeflüster vom Deich

…oder Eddy Winkelmann, die Gitarre und der Deich
Text und Fotos: Johanna Renate Wöhlke

Am Deich, vor den Toren Wilhelmsburgs, blühen schon die Veilchen. Der Blick ist weit und unverstellt. Am Horizont taucht bei gutem Wetter die Silhouette Hamburgs auf. „Skyline”, sagt Eddy Winkelmann dazu, den ich hier in seiner selbst gewählten Idylle besuche. „Ich lauf hier stundenlang, ich brauche einen klaren Horizont”, heißt es in einem seiner Lieder. Hier hat er ihn, hier kann er das. Hier arbeitet er in seinem Studio unter dem Reetdach, schreibt seine Texte, Balladen und Lieder, spielt Gitarre, bereitet sich auf seine Auftritte und Konzerte vor.

Familienidylle am Deich: Eddy
Winkelmann mit seiner Frau Marketta
und dem Söhnchen Mika

Seit Sohn Mika geboren worden ist, gehört auch der fest in seinen Tagesrhythmus. Da kann Eddys Frau Marketta, die im Kulturhaus Süderelbe in Neugraben arbeitet, auch schon mal nachmittags mit einer Freundin in die Innenstadt zu einer Kunstausstellung fahren — Papa passt dann auf und hat im günstigsten Fall wieder eine Inspiration für einen Song gewonnen.

Es ist zu spüren: Der Mann Eddy Winkelmann ist hier Zuhause, angekommen, viele Jahre auf der Suche gewesen. Auf der Bühne im Schmidts auf der Reeperbahn ist er schon viele Jahre künstlerisch Zuhause. „Ich sitz in der Hafenkneipe mit blauen Jungs im blauen Licht”, singt er in einem seiner Lieder, dort wo Freddy leider schon lange nicht mehr war. Eddy Winkelmann ist noch immer da, aus Passion. 1990 hat er dort begonnen mit den bekannten Tresen-Shows und „unendlich vielen Mitternachtsshows”.

Heimatgefühl? Aber ja.
Eddy Winkelmann, die Gitarre
und der Deich.

Im Dezember des vergangenen Jahres war es Eddy Winkelmann, der die letzte Vorstellung im alten, wohl legendären Schmidts geben durfte, vor einem Publikum, das den Saal fast nicht verlassen wollte. Wehmütig und begeistert von Eddy und seiner Band. Er führte auch als Moderator durch die Abschiedssendung des alten Schmidts im NDR3 Fernsehen. Es wird auch wieder Eddy Winkelmann sein, der das neue Schmidts im Mai 2005 mit eröffnen wird.

Comedy und Musik, damit hat er damals angefangen bis er 1994 sein erstes Soloprogramm vorstellte und 1995 einen Plattenvertrag bei Polydor bekam. Da war er viel im Fernsehen von Nord bis Süd, in Talkshows, in der Schaubude, im ZDF, in vielen dritten Programmen wie zum Beispiel eine Woche lang mit Jürgen von der Lippe im WDR oder Harald Schmidt im Südwestfunk.

Eine tolle Zeit, aber nicht für immer. Wenn man ihm aufmerksam zuhört, scheint es so gewesen zu sein, dass seine Inhalte durch die Verpflichtungen des Vertrages sich nicht genug entwickeln konnten. „Bei einem Plattenvertrag steht das Geschäft im Vordergrund und nicht der Inhalt. Danach war es wieder umgekehrt”, so Winkelmann. Comedy war nicht mehr vorrangig. Seine Lieder und Texte wurden reifer.

Hamburglieder ja, aber nicht ohne einen Bissen Ironie wie in „Freddy war schon lange nicht mehr hier”. Nordsee und Elbe besingen ja, aber dann auch solche wie „Treibgut und Strandperlen” oder „Kieselsteingeflüster”, die den Zuhörer in eine Geschichte hinein ziehen, die er selbst erlebt haben könnte. So wie er die See als Kombüsenjunge ein Jahr lang auf der Cap san Diego erlebt hat, ausgestiegen aus einem Job, in dem er meinte, nicht alt werden zu können und dann den Einstieg wagte und seinem Wunsch nach der Bühne nach gab.

Das ist eine von Winkelmanns Stärken: Man nimmt ihm ab, was er singt. Seine Lieder zwischen Chanson, Ballade und Rock passen zu ihm. Der Komödiant findet auch mit 47 Jahren immer noch genug aktuellen Stoff, indem er zum Beispiel das erste graue Haar besingt. Alle Versuche, für seine Auftritte etwas anderes anzustreben, wären wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt.

Rundum hat er genug zu tun: Er schreibt zum Beispiel für die Fernsehsendung „Freut euch des Nordens”, macht Synchron, hat auch kleine Lehrfilme für die Sesamstraße gemacht, dreht Werbespots für die Deutsche Bundesbahn, tritt mit einzelnen Titeln aus seinem Bühnenprogramm in anderen Programmen von Hamburg bis Flensburg auf. In Hamburg neben den beiden jährlichen Konzertreihen im Schmidt in der Schmidtshow mit Corny Littmann – auch im „Polittbüro” am Steindamm, aber auch an Orten wie dem Kulturhaus Süderelbe in Neugraben, gerade neulich in einer gemeinsamen Lesung mit Musik mit Gerlach Fiedler.

„Ich fühle mich als Gast auf dieser Welt”, sagt Winkelmann. „Mein ganzes Leben ist anachronistisch verlaufen. In vielen Sachen bin ich ein Spätentwickler und habe jetzt dank günstiger Umstände viele Möglichkeiten. Mein Lebensgefühl jetzt: Ich bin in der Familie angekommen.” Das wiederum hat zu dem Gedanken geführt, vielleicht doch ein günstiges Studio in der Nähe zu mieten, um ruhig arbeiten zu können. Merke: Nicht nur auf der Bühne, auch in der Familie tobt das Leben…


Der Mensch im Gemüsefach der Geschichte.

Alltagsminiaturen

“Der Mensch im Gemüsefach der Geschichte” ist Alltäglichem und Außergewöhnlichem ausgesetzt und mit seinen Stärken und Schwächen konfrontiert. Er erlebt Wonnen im BSE-Zeitalter, sich selbst aber nicht als ein Skelett mit Ohren. Er sucht noch immer nach der Weltformel Frau und fragt: “Wie kleckern Sie?” Er macht in jedem Jahr antizyklische Weihnachtsgeschenke, ist manchmal ein Handtuchtyp oder ein Suppenkaspar. Passende Worte fallen ihm nicht immer ein, denn er schläft auch gerne mal im Theater, und wenn er sich nicht gerade Gedanken über den Sexualtrieb und die Steuer macht oder nach der passenden Anti-Faltencreme sucht, sitzt er auf der Palme, flirtet, trinkt Eierlikör zum Frühstück, hat Mitleid mit den Papagalli und pflegt den Müßiggang im Autostau. Am Ende ist er dann zerfasert und breit und fragt sich im Gemüsefach der Geschichte: Wann werde ich endlich erwachsen? Kommen Sie mit auf diese kleine Reise durch einhundert kleine Schmunzelgeschichten!

Johanna Renate Wöhlke:Der Mensch im Gemüsefach der Geschichte
117 Seiten. ISBN 10: 3-931628-24-8. ISBN 13: 978-3-931628-24-6. 9,95 Euro

Lob kam für “Der Mensch im Gemüsefach der Geschichte. Alltagsminiaturen” von der Redaktion des größten deutschen Frauenmagazins, der FÜR SIE. ( FÜR SIE, Nr.1/2005 vom 18. Dezember 2004, S.123) Unter “Unsere Jahrgangsbesten – in diesem Jahr erschienen 80 000 Bücher. Das sind die Favoriten der FÜR SIE Redaktion” steht das Buch unter den elf ausgewählten Büchern an vierter Position. Das war ein sehr freudiges Ereignis! Danke!

Carlheinz Hollmann, Journalist, Moderator, Autor, Medienmanager
Text und Fotos: Johanna Renate Wöhlke

Luhmühlen – “Geheimnisvolle, unter der S-Bahnlinie zu verschiedenen Orten hin verlegte Schnüre haben gestern die Polizei in Klein Flottbek in Atem gehalten. Erste Vermutungen einer geheimdienstlichen oder konspirativen Aktion bestätigten sich nicht. Vielmehr ermittelte die Polizei einen jugendlichen Bastler als Verursacher. Um mit seinen Freunden in Verbindung zu bleiben und mit ihnen kommunizieren zu können, hatte er die Telefonschnüre vom Haus seiner Eltern aus verlegt. Auf Anfragen der Polizei teilte der Jugendliche Carlheinz H. mit, dass er sich unter anderem mit solchen Aktionen auf sein angestrebtes Berufsziel eines Rundfunkreporters vorbereiten wolle. Dafür sei es nämlich unabdingbar wichtig, mit anderen im Gespräch zu bleiben.” So oder ähnlich könnte es sich im Radio angehört haben oder in der Zeitung zu lesen gewesen sein, damals in den vierziger Jahren, als der Jugendliche Carlheinz Hollmann sich spielerisch und doch schon so ernsthaft, systematisch und konkret mit etwas beschäftigte, ohne das die moderne Welt unvorstellbar geworden ist: Kommunikation durch Medien.

Solange er denken kann, wollte er zum Rundfunk. Verbindungen aufbauen, kommunizieren, neugierig sein, berichten – das war sein Ding! Diese neue Welt war im Aufbruch, und er wollte dabei sein. Während des Krieges fummelt er Zuhause mit den Frequenzen der Radiosender und findet den Luftlagesender. Dann tut er etwas, was heute mit dem modernen Wort “Serviceteil” in den Medien erscheint: Je nach Meldungslage versorgt er seine Klassenkameraden zum Beispiel mit Informationen darüber, ob wegen befürchteter Luftangriffe die Schule ausfällt oder nicht. View full article »

erschienen im Hamburger Abendblatt

Loki Schmidt am Schachtisch

 

Hannelore, “Loki”, Schmidt, Gattin des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt aus Hamburg
von Johanna Renate Wöhlke

Nein, es ist nicht aus der Mode gekommen, den Älteren und Alten zuzuhören, wenn sie die “Wie-es-damals-war” Geschichten erzählen. In diesem Fall ergab sich für mich sogar ein Besuch bei Loki Schmidt. Die Geschichte vor der Geschichte ist schnell erzählt: Dem Helmut Schmidt, so berichtete mir mein Schwiegervater, dem ist er im Fischbeker Holtweg in Hamburg Neugraben nach dem Krieg begegnet, vor einem der damaligen Wochenendgrundstücke, von dem hier viele bis heute noch wissen, dass es das Wochenendgrundstück der Großeltern von Loki Schmidt war. “Und ich als Sanitätsfeldwebel musste ihn als Offizier natürlich grüßen!”
Begegnungen mit Persönlichkeiten der Weltgeschichte, wenn auch nur kurz wie hier mit Helmut Schmidt, dem späteren Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, das vergisst man nicht. Ich aber werde aus einem anderen Grund hellhörig. Großeltern und Wochenendgrundstück, das hört sich nach Kindheit und Kindheitserlebnissen im Spiel in der Fischbeker Heide an, vielleicht sogar über viele Jahre. Also ein Thema für mich. Loki Schmidt enttäuscht mich nicht. Gerne ist sie bereit, über ihre Kindheitserlebnisse in der Fischbeker Heide und ihre Kindheitsspiele zu erzählen. Bis etwa 1936 als sechzehnjährige verbrachte sie ihre Ferien und Wochenenden auf dem Grundstück der Großeltern, die es 1880 gekauft hatten. Danach war sie wieder nach der Ausbombung dort, “wie alle da landeten, wo sie Verwandte hatten”. View full article »

Professor Hermann Rauhe
ehemaliger Präsident, jetzt Ehrenpräsident der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg

von Johanna Renate Wöhlke

Erwartungsvoll, neugierig und gespannt fahre ich an diesem Morgen zum verabredeten Interviewtermin mit dem Präsidenten der Hochschule für Musik und darstellende Kunst am Harvestehuder Weg, Professor Hermann Rauhe. Denn schon auf dem Anrufbeantworter und später am Telefon hat er spontan und begeistert auf das Thema reagiert und dadurch in mir einen Erwartungszustand wachgerufen – Neugier auf das Gespräch, die Situation, das Zusammentreffen mit einer offensichtlich aufgeschlossenen, offenen und begeisterungsfähigen Persönlichkeit, die Zugänge zu sich selbst nicht versperrt, sondern weit aufmacht. So jedenfalls stellt es sich mir schon nach den wenigen Sätzen dar, die wir bislang miteinander gewechselt haben.
“Nirgendwo ist der Mensch so sehr er selber wie im Spiel”, empfängt er mich, und es sprudelt aus ihm heraus wie aus einer unerschöpflichen Quelle, die sich schon aus so vielen Wassern gespeist hat, dass in ihr reiches Wissen und Erfahrung zu sein scheint, vernetzt und ineinander verwoben, wie das wohl nur auf der Höhe eines erfüllten Forscher- und Lehrerlebens möglich wird. View full article »


Hans-Ulrich Klose
ehemaliger Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und vieles mehr

von Johanna Renate Wöhlke

Eine Gruppe kleiner Jungen läuft auf einem Friedhof hinter einem Beerdigungszug her, beobachtet was geschieht, stellt den Zug nach. Am Wegesrand pflücken die Jungen Löwenzahnblüten und werfen sie später auf das Grab. Wirklichkeit und Spiel mischen sich in dieser Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod, im spielerischen Kontakt mit Tod, Trauer, Tränen, Spannung und Lachen. Der kleinste dieser “Gang” heißt Hans-Ulrich Klose. Er hat ein an Grenzerfahrungen reiches politisches Leben im Zusammenwirken vieler vor sich: als Mitglied des Bundestages für die SPD, ihr Schatzmeister und Fraktionsvorsitzender, Erster Bürgermeister Hamburgs, Bundestagsvizepräsident und auch Vorsitzender der AG 60 Plus, der Seniorenorganisation in der SPD.

Spielen als kleiner Junge, damals in Breslau und als Sechsjähriger ab 1943 evakuiert nach Bad Landeck im heutigen Polen, das bedeutete immer spielen in der Gruppe, in Gemeinschaft mit vielen Kindern. Diese Erfahrung hat Hans-Ulrich Klose nachhaltig geprägt: “Viele mit denen man umging, so auch mein vier Jahre älterer Bruder, haben die jüngeren natürlich auch gedeckelt. Wir mussten einstecken, aber wir haben auch gelernt, nicht gleich von jetzt bis zur nächsten Sekunde aufzugeben.”

Spielen bedeutete auch immer spielen mit den Dingen, die es einfach so gab, nicht mit Spielzeug. Der Bauernhof gegenüber, der Sattler und Schmied daneben, sie waren reales Leben, aber auch die Spiel- und Beobachtungsfelder. Zuschauen und nachspielen waren angesagt, kreativ umgehen mit den Dingen, die es gab oder die selbst gebastelt werden konnten. Da wurden zwei Jungen zu Pferden, einer zum Wagen, ein anderer zum Kutscher. Da waren die nicht voneinander abgegrenzten Gärten ein Revier, das wie eine Wildnis durchschlängelt und durchstöbert werden konnte und die Äpfel und Kirschen in Nachbars Garten immer wieder begehrte Ziele von Streifzügen.

Gemeinsam pflückten die Kinder auch Beeren und sammelten Pilze im Wald. Hans-Ulrich Klose: “In unserer nicht wie heute so medial bestimmten Kinderwelt mussten wir kreativ mit den Dingen umgehen, die wir hatten.” Umso mehr als zwischen 1944 und 1946 wegen des Krieges kein Schulunterricht stattfand. Dann wurde auch der Krieg im Spiel imitiert: das Soldatsein, spannende Straßenkämpfe. Zoff in der Gruppe, das gab es natürlich auch. Hans-Ulrich erinnert sich mit gemischten Gefühlen daran, besonders aus einem Grund: Er war bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr mit Abstand der kleinste. “Kann sein, dass ich ein kleiner Terrier Typ war, denn ich musste mich immer behaupten und kämpfen”, meint er heute.

Angenehm ist die Erinnerung an den Vater, einen Lehrer. Er las an langen Winterabenden vor, auch der Schimmelreiter und Pole Poppenspeeler waren dabei. Ein Spielzeug war allerdings auch für den jungen Hans-Ulrich unverzichtbar: der Ball. “Wo ein Ball ist, ist Klose”, hieß es damals. Auch in der kirchlichen Jungschar wurde viel Sport getrieben. “Ich war ein guter Tischtennisspieler”, erinnert er sich. Heute spielt er noch Tennis. Geprägt durch die Spiele der Kindheit war auch Hans-Ulrich Kloses erster Berufswunsch als Kind: Sattler. Als Gymnasiast erwachte dann sein Interesse für Geschichte und Archäologie. Er wechselte sogar das Gymnasium, weil er Altgriechisch lernen wollte. Durch das Herstellen und Binden eigener kleiner Bücher zog es ihn kurzfristig auch zur Buchbinderei. Und als er dann Abitur machte, wäre er gerne als Offizier Pilot geworden, schwankte dann zwischen den Fächern Germanistik, Englisch und Geschichte, entschied sich aber aufgrund der Lektüre eines Buches, das ihm sein Vater gegeben hatte: “Einführung in das juristische Denken”, für Jura.

Vorher aber geschieht 1954 der entscheidende Einschnitt im Leben des jungen Klose: Er geht ein Jahr als Austauschschüler in die USA. Danach ist er nicht nur zwanzig Zentimeter gewachsen, sondern auch sein Interesse für Politik ist durch die Berührung mit der amerikanischen Demokratie und dem beeindruckenden Wohlstand des Landes erwacht. Dabei war die Entscheidung zwischen SPD und FDP von Anfang an nicht klar, obwohl der Vater SPD-Mitglied war. Erst am 1.März 1964 tritt er in die SPD ein. Klose: “Mein Vater war so klug, mir nur wenige Ratschläge zu geben. Einer davon war: Wenn du nicht willst, dass die roten oder braunen Banausen es machen, mach es selbst.” Mit roten Banausen waren die Stalinisten, mit braunen die Nazis gemeint.

Warum also die SPD? Klose nennt fünf Punkte: die Spiegel-Affäre, den amerikanischen Präsidenten Kennedy, sein Interesse an Geschichte, “die rationale Einsicht, dass die SPD eine ungebrochene demokratische Tradition hatte” und “dass die Freiheitsrechte unserer Verfassung nur umgesetzt werden können, wenn die materiellen Bedingungen stimmen”. Vor allem auch wollte er seinen eigenen Beitrag leisten, selbst etwas tun, mit eigenen Vorstellungen gestalten, “auch wenn mein Beitrag noch so klein sein würde” und wenn es wie früher in der Gemeinschaft der spielenden Kinder eine Gratwanderung bedeutete zwischen gedeckelt werden, einstecken müssen, durchhalten und nicht aufgeben.

Spielerisch begleitet hat ihn dabei seit dem zweiten Jurasemester ein Kartenspiel mit Namen Stichling, bei dem es darauf ankommt, vor jeder Runde vorauszusagen, ob man den Stich bekommen wird oder nicht. Ein Spiel mit drei bis sechs Personen, angesiedelt zwischen Glück und Berechnung. Alle vier Klose Kinder spielen es, die Familie und Freunde. Klose hat es ihnen beigebracht. Miteinander, gemeinsam in der Gruppe etwas zu tun und zu spielen, Hans-Ulrich Klose scheint es immer noch zu mögen.

Hans-Ulrich Klose erklärt einer Mitarbeiterin, Ute Berger, sein Lieblingskartenspiel Stichling.

Im  Hamburger Abendblatt/Harburger Rundschau erschienen)