Category: Journalismus


Hamburgs kostbarstes Blumenbuch neu verlegt
Von Johanna Renate Wöhlke

Wenn vor den Eingangsstufen zum alten Lichthof der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek der rote Teppich ausgelegt wird, muss es sich um etwas ganz Besonderes handeln. Umso schöner, wenn der rote Teppich für ein einzigartiges Stück Hamburger Kultur ausgerollt wird, in dem etwas Altes Verschollenes in neuer Form wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, das Moller Florilegium: Hans Simon Holtzbeckers gemaltes Blumenalbum des Barockgartens des Hamburger Bürgermeisters Barthold Moller. Der renommierte Münchner Kunstbuchverlag Hirmer stellte ihn in seinem neuen Buch „Das Moller Florilegium“ in der Staats- und Universitätsbibliothek vor. Hirmer_und_Kleidt

Barthold Moller lebte von 1605 bis 1667 und beauftragte den Maler Hans Simon Holtzbecker damit, seinen Garten zu malen. Das geschah um das Jahr 1660 herum. Ein Barockgarten damals mitten in Hamburg? Ein prächtiger Barockgarten, gemalt nach der Natur – so schön, dass diese Arbeit am Ende fünf Bände umfasste! Alle fünf Bände gerieten in Vergessenheit und galten als verschollen. Drei Bände mit 598 Blumenbildern auf 269 großformatigen Pergamenten tauchten wieder auf, zwei blieben verschollen.

Verleger Albert Hirmer (links) und Hirmer Geschäftsführer Jürgen Kleidt mit ihrem neuen Kunstband, dem Moller Florilegium.

Dietrich Roth, promovierter Botaniker und ehemaliger Bibliotheksdirektor an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg – er leitete die späteren zwei Ankäufe des Moller Florilegiums seitens der Staatsbibliothek: „Hans Simon Holtzbeckers Florilegien, Zeugnisse herausragender künstlerischer Begabung, genauer Beobachtung und immensen Fleißes, sind eine Quelle von großer Bedeutung für die Geschichte der Blumenmalerei und der Gartenkunst sowie für die historische Botanik und die Einführung von Zierpflanzen in Deutschland“, und er fügt hinzu: „Von keinem der drei nunmehr bekannten Bände hatte die Fachwelt bis dahin Notiz genommen.“

TulpenKultursenatorin Karin von Welck erinnerte sich während ihrer Ansprache in der Staats- und Universitätsbibliothek mit Freude an die Zeit, als sie noch Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder war und die Information erhielt, dass ein Band des Moller Florilegiums wieder aufgetaucht war und  1999 bei Christie`s in London versteigert werden sollte – spannende Hintergrundgeschichten um die „Auferstehung“ eines Gartens und den erfolgreichen Versuch, das Buch für Hamburg zu ersteigern.

Damals eine heißbegehrte und bewunderte Rarität: die Tulpe

Es kostete 1,5 Millionen Mark und gleichzeitig wurde bekannt, dass auch ein zweiter Band aufgetaucht war. Auch er konnte mit finanzieller Unterstützung der Hermann Reemtsma-Stiftung, der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Kulturstiftung der Länder, des Bundes und der Freien und Hansestadt Hamburg, der Hamburger Sparkasse und privater Geldgeber erworben werden. Damals nannte Bürgermeister Ortwin Runde das Moller Florilegium ein „anschauliches Zeugnis der hochentwickelten Hamburger Gartenkultur des 17.Jahrhunderts“ und lobte die gemeinschaftlichen Anstrengungen von öffentlichen und privaten Geldgebern, ohne deren gemeinschaftliche Anstrengung die Rückkehr dieses bibliophilen Kunstschatzes nicht möglich gewesen wäre.

Karin von Welck fiel es nicht schwer, dem im Lichthof der Staatsbibliothek versammelten Auditorium ein Lachen zu entlocken, als sie ihre Gedanken von damals schilderte. Auch die bezogen sich auf Geld und darauf, wie denn wohl der Erwerb weiterer kostspieliger Bücher hätte organisiert werden können, sollten sie auftauchen. Diese Gedanken mussten nicht zu Ende gedacht werden: Der dritte Band befindet sich noch immer in einer amerikanischen Privatsammlung, der vierte und fünfte blieben verschollen.

Das „Moller Florilegium der Neuzeit“ ist nun der hervorragend bebilderte Hirmer-Band mit 336 Seiten, 182 großen Farbtafeln und 85 Abbildungen in einer Größe von 24 mal 35 Zentimetern – der nicht dafür gemacht ist, wie die beiden Originale von der Staatsbibliothek im klimatisierten Glaskasten aufbewahrt zu werden, sondern dafür, einem breiten Publikum diese Hamburger Gartenkultur des Barock nahe zu bringen. Unterstützt wurde auch dieses große verlegerische Unterfangen von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, der Hermann Reemtsma Stiftung und der Kulturstiftung der Länder. Dem heutigen Betrachter dieser Bücher, ihrer Bilder und ihrer Geschichte könnte sich ein leises Bedauern aufdrängen: Schade, dass es in Hamburg heute keine Bürgermeistergärten mehr gibt!

Text & Foto: Johanna R. Wöhlke

Sternekoch Michael Röhm aus Lüneburg setzt sich für den Erhalt der Kartoffelsorte „Linda” ein

Michael Röhm

Eine dreißig Jahre alte Kartoffelsorte einfach so vom Markt verschwinden lassen? Sternekoch Michael Röhm vom Restaurant „Zum Heidkrug” in Lüneburg kann das nicht glauben. Auch er stimmt ein in den Chor der Kartoffelliebhaber, die erreichen wollen, daß die Sorte „Linda” nach dem Ablauf des Sortenschutzes nicht vom Markt genommen wird, viele Zeitungen berichteten. Röhm: „Das ist ein Stück Kultur, ein Stück Tradition. Es gehört zu uns und sollte nicht einfach so aufgegeben werden!”

Ein Korb voller „Nicoletta” Kartoffeln aus Frankreich.
Michael Röhm hätte nichts dagegen, wenn statt
dessen deutsche Kartoffeln im Korb lägen.

Gute Kartoffeln auf dem Teller, Kartoffeln, die gelb beim Schälen sind und nach Erde und nach Kartoffeln duften, bei dem Gedanken geraten Alltagsköche und Sterneköche wie Michael Röhm gleichermaßen ins Schwärmen. Über 25 neue Sorten hat Röhm schon ausprobiert, auch als Erstlinge, und keine hat ihm so richtig zugesagt. Auch große „Griller”, importiert aus Florida, haben ihn nicht überzeugt. Linda für`s Gratin, das möchte er nicht missen.

Wenn man Zuhause nicht fündig wird, dann schweift der Blick über die Grenze. So bezieht Röhm seine Kartoffeln, besonders für Kartoffelpüree, mit Vorliebe aus Frankreich. „Nicoletta” ist seine Favoritin. Der Anspruch in der Sterneküche ist hoch. „Die Kartoffel als Beilage muß schmecken und wir Sterneköche haben alle ein Problem mit sehr guten mehligen Kartoffeln für unsere Pürees. Unsere Verpflichtung ist Qualität.”

Die Königin der Beilagen kann „variiert werden bis zum Geht-nicht-mehr”, sagt Röhm und erzählt von seiner Lehrzeit im Maritim Golf- und Sporthotel in Timmendorf. Ein Jahr lang haben sie dort jeden Tag eine andere Kreation gemacht, „wilde Dinger” wie die „Pommes Estobal”: kegelförmig geformtes Püree mit gehacktem Blattspinat, in Kokos paniert und der Friteuse gebacken.

Auch beim Schleswig-Holstein Gourmet Festival stellt Röhm immer wieder gemeinsam mit anderen Sterneköchen Deutschlands unter Beweis, welch ein Genuss gute Kartoffeln sind.

Übrigens engagiert sich Röhm auch noch für eine andere „runde” Sache, den Fußball — seit dreißig Jahren als Mitglied beim FC St.Pauli in Hamburg. Vielleicht eine erfolgversprechende Steilvorlage für die dreißig Jahre alte Linda?

Fotobearbeitung mit dem Computer. Senioren lernen an der VHS Buxtehude
von Johanna R. Wöhlke

An diesem Herbstmorgen lacht die Sonne. Das Grün der Bäume ist klar, das Orange der Kürbisse in vielen Vorgärten strahlt, der Himmel ist blau mit kleinen, fedrigen Wolken. Atmosphärisch schöne Voraussetzungen für einen Kurs in der Volkshochschule Buxtehude, dessen Teilnehmer sich fortbilden wollen, fortbilden im Umgang mit dem Computer. Genauer gesagt, mit dem Programm Photoshop, das Graphiken und Bilder bearbeitet.

Ein wenig gedämpftes Licht, aber in den
Köpfen wird es heller im Kursraum 106
der VHS Buxtehude

Die Sonne lacht auch in den Kursraum 106 mit seinen Computern und Bildschirmen. Die Rollos müssen herunter gefahren werden, damit sie nicht blendet. Während das Tageslicht im Raum gedämpft wird, beginnt das große Lichtbild an der Wand zu leuchten. An ihm wird Kursleiter Klaus Jankowski für jeden Teilnehmer nachvollziehbar genau das zeigen und demonstrieren, weswegen alle hier sind: die Computerwelt der Bildbearbeitung. Das besondere an diesem Kurs: Hier sitzen Frauen und Männer im Alter von 53 bis 78 Jahren, die nicht die geringste Scheu davor haben, sich dieses Wissen anzueignen. Für sie sind Maus, Tastatur und Menüleisten keine Fremdwörter. Sie wollen es wissen. Gisela Gibs aus Buxtehude, mit ihren 78 Jahren die älteste Teilnehmerin, weiß ganz genau, was ihr wichtig ist: auf der Höhe der Zeit bleiben und den Anschluss an diese neue Technik nicht verlieren: “Das wird sich sicher noch weiter entwickeln. Das interessiert mich!” Außerdem wartet Zuhause eine riesige Diasammlung, die sie gerne auf dem Computer speichern können will und natürlich bearbeiten.
Die 73 Jahre alte Renate Gresens aus Neugraben hat noch andere Ziele. Sie will die Homepage ihrer Kirchengemeinde ehrenamtlich mit pflegen und meint: “Wenn ich was mache, dann mach ich es richtig.” Sie hat an der Volkshochschule Buxtehude schon andere Seniorenkurse für Computer belegt und weiß zu erzählen, dass Zuhause ihre Enkelkinder gerne mit der Oma über Computerfragen fachsimpeln, denn Oma kann ja mit dem Gerät umgehen.

Kursleiter Klaus Jankowski freut sich mit den
Damen seines Kurses (vorne von links): Renate
Lehmann, Gisela Gibs, Renate Gresens

Eigene Weihnachtskarten machen, alte Dokumente einscannen und bearbeiten, natürlich die eigenen Fotos qualitativ verbessern und auch künstlerisch damit experimentieren, das alles steht auf der Wunschliste der Kursteilnehmer genauso wie das Verständnis dafür zu erweitern, wie “das Ganze eigentlich geht”.

Das achtzehn Stunden Programm an drei Tagen stehen alle gut durch. Kursleiter Klaus Jankowski macht das Frage und Antwort Spiel mit seinen Schülern offensichtlich viel Vergnügen. Er macht mit seiner ältesten Schülerin des Kurses auch in der Pause durch und hängt gerne noch einige Minuten dran.

Auch am letzten Tag gibt es noch viele Fragen über die Zeit hinaus. Aber da kann Jankowski nach einer Weile nur noch auf die anderen Kurse der Volkhochschule Buxtehude verweisen und einen Photoshop Kurs für Fortgeschrittene. Den wird die technikfreudige Gisela Gibs natürlich auch besuchen – wenn es in ihren Zeitplan passt.

Fotos: Johanna R.Wöhlke


James Last
Abschiedskonzert in der Color Line Arena im Hamburg am 18.November 2006

von Johanna Renate Wöhlke

Wenn große Männer Abschied nehmen, dann ist es immer ein großer Abschied, niemals ein kleiner. Diese Abschiede haben etwas von “eigentlich will ich nicht gehen”. Als sei es unfreiwillig, so ein Abschiedskonzert, in dem niemand glauben mag, dass der Künstler dort oben auf der Bühne es ernst meint.

Ernst gemeinte Abschiede gleichen der Bewegung, eine schöne Blume aus der Vase zu nehmen und nun leider entsorgen zu müssen. Das geht nicht ohne Tränen. Die Blumensträuße aus Musik, die James Last mit seinem Orchester an diesem Abend in der Color Line Arena in Hamburg überreichte, waren bunt, groß und voller Leuchtkraft.

Eine gute Big Band ist ein Klanguniversum. Ein alt und doch nicht müde gewordener Orchesterchef wie James Last bringt dieses Universum zum Schwingen und Klingen und sein Publikum im besten Fall zum wehmütigen Träumen, aber auch zu enthusiastischen Liebesbeweisen. Die andächtigen Träumer behielten ihre Plätze, die Enthusiasten zog es in den Bereich vor der Bühne, um dort zu tanzen und ihrem Idol nahe zu sein. Spaß, Freude, Verehrung, Blumen, Karten, Briefe – so soll es sein.

Ein Paar war aus Mexiko gekommen, um dieses Konzert zu hören. Fahnen aus Schweden waren zu sehen. Wer nur den “alten”, den ursprünglichen Partysound von James Last erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Erstklassige Sänger erweisen sich als Meister der Popmusik in Ballade und Rock. Die Jahre haben die Haare von James Last weiß werden lassen, aber seine Klänge nicht konserviert. Ton in Ton, weiß in weiß dann der Auftritt im zweiten Teil. Schon zwanzig Jahre alt sei dieser Anzug, erklärt James Last dem klatschenden Publikum, das ihn genau so sehen wollte, in diesem weißen Anzug, mit dem er berühmt geworden ist.

Die bunte Mischung macht den Abschied leichter als gedacht – und dann kommt da noch zum Schluss der süße Bonbon des Meisters selbst: Eigentlich sei das ja kein wirkliches Abschiedskonzert. Wenn zwei Jahre vorüber sein werden, vielleicht… ja, vielleicht? Dann – auf ein neues Abschiedskonzert!

Kieselsteingeflüster vom Deich

…oder Eddy Winkelmann, die Gitarre und der Deich
Text und Fotos: Johanna Renate Wöhlke

Am Deich, vor den Toren Wilhelmsburgs, blühen schon die Veilchen. Der Blick ist weit und unverstellt. Am Horizont taucht bei gutem Wetter die Silhouette Hamburgs auf. „Skyline”, sagt Eddy Winkelmann dazu, den ich hier in seiner selbst gewählten Idylle besuche. „Ich lauf hier stundenlang, ich brauche einen klaren Horizont”, heißt es in einem seiner Lieder. Hier hat er ihn, hier kann er das. Hier arbeitet er in seinem Studio unter dem Reetdach, schreibt seine Texte, Balladen und Lieder, spielt Gitarre, bereitet sich auf seine Auftritte und Konzerte vor.

Familienidylle am Deich: Eddy
Winkelmann mit seiner Frau Marketta
und dem Söhnchen Mika

Seit Sohn Mika geboren worden ist, gehört auch der fest in seinen Tagesrhythmus. Da kann Eddys Frau Marketta, die im Kulturhaus Süderelbe in Neugraben arbeitet, auch schon mal nachmittags mit einer Freundin in die Innenstadt zu einer Kunstausstellung fahren — Papa passt dann auf und hat im günstigsten Fall wieder eine Inspiration für einen Song gewonnen.

Es ist zu spüren: Der Mann Eddy Winkelmann ist hier Zuhause, angekommen, viele Jahre auf der Suche gewesen. Auf der Bühne im Schmidts auf der Reeperbahn ist er schon viele Jahre künstlerisch Zuhause. „Ich sitz in der Hafenkneipe mit blauen Jungs im blauen Licht”, singt er in einem seiner Lieder, dort wo Freddy leider schon lange nicht mehr war. Eddy Winkelmann ist noch immer da, aus Passion. 1990 hat er dort begonnen mit den bekannten Tresen-Shows und „unendlich vielen Mitternachtsshows”.

Heimatgefühl? Aber ja.
Eddy Winkelmann, die Gitarre
und der Deich.

Im Dezember des vergangenen Jahres war es Eddy Winkelmann, der die letzte Vorstellung im alten, wohl legendären Schmidts geben durfte, vor einem Publikum, das den Saal fast nicht verlassen wollte. Wehmütig und begeistert von Eddy und seiner Band. Er führte auch als Moderator durch die Abschiedssendung des alten Schmidts im NDR3 Fernsehen. Es wird auch wieder Eddy Winkelmann sein, der das neue Schmidts im Mai 2005 mit eröffnen wird.

Comedy und Musik, damit hat er damals angefangen bis er 1994 sein erstes Soloprogramm vorstellte und 1995 einen Plattenvertrag bei Polydor bekam. Da war er viel im Fernsehen von Nord bis Süd, in Talkshows, in der Schaubude, im ZDF, in vielen dritten Programmen wie zum Beispiel eine Woche lang mit Jürgen von der Lippe im WDR oder Harald Schmidt im Südwestfunk.

Eine tolle Zeit, aber nicht für immer. Wenn man ihm aufmerksam zuhört, scheint es so gewesen zu sein, dass seine Inhalte durch die Verpflichtungen des Vertrages sich nicht genug entwickeln konnten. „Bei einem Plattenvertrag steht das Geschäft im Vordergrund und nicht der Inhalt. Danach war es wieder umgekehrt”, so Winkelmann. Comedy war nicht mehr vorrangig. Seine Lieder und Texte wurden reifer.

Hamburglieder ja, aber nicht ohne einen Bissen Ironie wie in „Freddy war schon lange nicht mehr hier”. Nordsee und Elbe besingen ja, aber dann auch solche wie „Treibgut und Strandperlen” oder „Kieselsteingeflüster”, die den Zuhörer in eine Geschichte hinein ziehen, die er selbst erlebt haben könnte. So wie er die See als Kombüsenjunge ein Jahr lang auf der Cap san Diego erlebt hat, ausgestiegen aus einem Job, in dem er meinte, nicht alt werden zu können und dann den Einstieg wagte und seinem Wunsch nach der Bühne nach gab.

Das ist eine von Winkelmanns Stärken: Man nimmt ihm ab, was er singt. Seine Lieder zwischen Chanson, Ballade und Rock passen zu ihm. Der Komödiant findet auch mit 47 Jahren immer noch genug aktuellen Stoff, indem er zum Beispiel das erste graue Haar besingt. Alle Versuche, für seine Auftritte etwas anderes anzustreben, wären wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt.

Rundum hat er genug zu tun: Er schreibt zum Beispiel für die Fernsehsendung „Freut euch des Nordens”, macht Synchron, hat auch kleine Lehrfilme für die Sesamstraße gemacht, dreht Werbespots für die Deutsche Bundesbahn, tritt mit einzelnen Titeln aus seinem Bühnenprogramm in anderen Programmen von Hamburg bis Flensburg auf. In Hamburg neben den beiden jährlichen Konzertreihen im Schmidt in der Schmidtshow mit Corny Littmann – auch im „Polittbüro” am Steindamm, aber auch an Orten wie dem Kulturhaus Süderelbe in Neugraben, gerade neulich in einer gemeinsamen Lesung mit Musik mit Gerlach Fiedler.

„Ich fühle mich als Gast auf dieser Welt”, sagt Winkelmann. „Mein ganzes Leben ist anachronistisch verlaufen. In vielen Sachen bin ich ein Spätentwickler und habe jetzt dank günstiger Umstände viele Möglichkeiten. Mein Lebensgefühl jetzt: Ich bin in der Familie angekommen.” Das wiederum hat zu dem Gedanken geführt, vielleicht doch ein günstiges Studio in der Nähe zu mieten, um ruhig arbeiten zu können. Merke: Nicht nur auf der Bühne, auch in der Familie tobt das Leben…


Carlheinz Hollmann, Journalist, Moderator, Autor, Medienmanager
Text und Fotos: Johanna Renate Wöhlke

Luhmühlen – “Geheimnisvolle, unter der S-Bahnlinie zu verschiedenen Orten hin verlegte Schnüre haben gestern die Polizei in Klein Flottbek in Atem gehalten. Erste Vermutungen einer geheimdienstlichen oder konspirativen Aktion bestätigten sich nicht. Vielmehr ermittelte die Polizei einen jugendlichen Bastler als Verursacher. Um mit seinen Freunden in Verbindung zu bleiben und mit ihnen kommunizieren zu können, hatte er die Telefonschnüre vom Haus seiner Eltern aus verlegt. Auf Anfragen der Polizei teilte der Jugendliche Carlheinz H. mit, dass er sich unter anderem mit solchen Aktionen auf sein angestrebtes Berufsziel eines Rundfunkreporters vorbereiten wolle. Dafür sei es nämlich unabdingbar wichtig, mit anderen im Gespräch zu bleiben.” So oder ähnlich könnte es sich im Radio angehört haben oder in der Zeitung zu lesen gewesen sein, damals in den vierziger Jahren, als der Jugendliche Carlheinz Hollmann sich spielerisch und doch schon so ernsthaft, systematisch und konkret mit etwas beschäftigte, ohne das die moderne Welt unvorstellbar geworden ist: Kommunikation durch Medien.

Solange er denken kann, wollte er zum Rundfunk. Verbindungen aufbauen, kommunizieren, neugierig sein, berichten – das war sein Ding! Diese neue Welt war im Aufbruch, und er wollte dabei sein. Während des Krieges fummelt er Zuhause mit den Frequenzen der Radiosender und findet den Luftlagesender. Dann tut er etwas, was heute mit dem modernen Wort “Serviceteil” in den Medien erscheint: Je nach Meldungslage versorgt er seine Klassenkameraden zum Beispiel mit Informationen darüber, ob wegen befürchteter Luftangriffe die Schule ausfällt oder nicht. View full article »

erschienen im Hamburger Abendblatt

Loki Schmidt am Schachtisch

 

Hannelore, “Loki”, Schmidt, Gattin des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt aus Hamburg
von Johanna Renate Wöhlke

Nein, es ist nicht aus der Mode gekommen, den Älteren und Alten zuzuhören, wenn sie die “Wie-es-damals-war” Geschichten erzählen. In diesem Fall ergab sich für mich sogar ein Besuch bei Loki Schmidt. Die Geschichte vor der Geschichte ist schnell erzählt: Dem Helmut Schmidt, so berichtete mir mein Schwiegervater, dem ist er im Fischbeker Holtweg in Hamburg Neugraben nach dem Krieg begegnet, vor einem der damaligen Wochenendgrundstücke, von dem hier viele bis heute noch wissen, dass es das Wochenendgrundstück der Großeltern von Loki Schmidt war. “Und ich als Sanitätsfeldwebel musste ihn als Offizier natürlich grüßen!”
Begegnungen mit Persönlichkeiten der Weltgeschichte, wenn auch nur kurz wie hier mit Helmut Schmidt, dem späteren Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, das vergisst man nicht. Ich aber werde aus einem anderen Grund hellhörig. Großeltern und Wochenendgrundstück, das hört sich nach Kindheit und Kindheitserlebnissen im Spiel in der Fischbeker Heide an, vielleicht sogar über viele Jahre. Also ein Thema für mich. Loki Schmidt enttäuscht mich nicht. Gerne ist sie bereit, über ihre Kindheitserlebnisse in der Fischbeker Heide und ihre Kindheitsspiele zu erzählen. Bis etwa 1936 als sechzehnjährige verbrachte sie ihre Ferien und Wochenenden auf dem Grundstück der Großeltern, die es 1880 gekauft hatten. Danach war sie wieder nach der Ausbombung dort, “wie alle da landeten, wo sie Verwandte hatten”. View full article »

Professor Hermann Rauhe
ehemaliger Präsident, jetzt Ehrenpräsident der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg

von Johanna Renate Wöhlke

Erwartungsvoll, neugierig und gespannt fahre ich an diesem Morgen zum verabredeten Interviewtermin mit dem Präsidenten der Hochschule für Musik und darstellende Kunst am Harvestehuder Weg, Professor Hermann Rauhe. Denn schon auf dem Anrufbeantworter und später am Telefon hat er spontan und begeistert auf das Thema reagiert und dadurch in mir einen Erwartungszustand wachgerufen – Neugier auf das Gespräch, die Situation, das Zusammentreffen mit einer offensichtlich aufgeschlossenen, offenen und begeisterungsfähigen Persönlichkeit, die Zugänge zu sich selbst nicht versperrt, sondern weit aufmacht. So jedenfalls stellt es sich mir schon nach den wenigen Sätzen dar, die wir bislang miteinander gewechselt haben.
“Nirgendwo ist der Mensch so sehr er selber wie im Spiel”, empfängt er mich, und es sprudelt aus ihm heraus wie aus einer unerschöpflichen Quelle, die sich schon aus so vielen Wassern gespeist hat, dass in ihr reiches Wissen und Erfahrung zu sein scheint, vernetzt und ineinander verwoben, wie das wohl nur auf der Höhe eines erfüllten Forscher- und Lehrerlebens möglich wird. View full article »


Hans-Ulrich Klose
ehemaliger Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und vieles mehr

von Johanna Renate Wöhlke

Eine Gruppe kleiner Jungen läuft auf einem Friedhof hinter einem Beerdigungszug her, beobachtet was geschieht, stellt den Zug nach. Am Wegesrand pflücken die Jungen Löwenzahnblüten und werfen sie später auf das Grab. Wirklichkeit und Spiel mischen sich in dieser Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod, im spielerischen Kontakt mit Tod, Trauer, Tränen, Spannung und Lachen. Der kleinste dieser “Gang” heißt Hans-Ulrich Klose. Er hat ein an Grenzerfahrungen reiches politisches Leben im Zusammenwirken vieler vor sich: als Mitglied des Bundestages für die SPD, ihr Schatzmeister und Fraktionsvorsitzender, Erster Bürgermeister Hamburgs, Bundestagsvizepräsident und auch Vorsitzender der AG 60 Plus, der Seniorenorganisation in der SPD.

Spielen als kleiner Junge, damals in Breslau und als Sechsjähriger ab 1943 evakuiert nach Bad Landeck im heutigen Polen, das bedeutete immer spielen in der Gruppe, in Gemeinschaft mit vielen Kindern. Diese Erfahrung hat Hans-Ulrich Klose nachhaltig geprägt: “Viele mit denen man umging, so auch mein vier Jahre älterer Bruder, haben die jüngeren natürlich auch gedeckelt. Wir mussten einstecken, aber wir haben auch gelernt, nicht gleich von jetzt bis zur nächsten Sekunde aufzugeben.”

Spielen bedeutete auch immer spielen mit den Dingen, die es einfach so gab, nicht mit Spielzeug. Der Bauernhof gegenüber, der Sattler und Schmied daneben, sie waren reales Leben, aber auch die Spiel- und Beobachtungsfelder. Zuschauen und nachspielen waren angesagt, kreativ umgehen mit den Dingen, die es gab oder die selbst gebastelt werden konnten. Da wurden zwei Jungen zu Pferden, einer zum Wagen, ein anderer zum Kutscher. Da waren die nicht voneinander abgegrenzten Gärten ein Revier, das wie eine Wildnis durchschlängelt und durchstöbert werden konnte und die Äpfel und Kirschen in Nachbars Garten immer wieder begehrte Ziele von Streifzügen.

Gemeinsam pflückten die Kinder auch Beeren und sammelten Pilze im Wald. Hans-Ulrich Klose: “In unserer nicht wie heute so medial bestimmten Kinderwelt mussten wir kreativ mit den Dingen umgehen, die wir hatten.” Umso mehr als zwischen 1944 und 1946 wegen des Krieges kein Schulunterricht stattfand. Dann wurde auch der Krieg im Spiel imitiert: das Soldatsein, spannende Straßenkämpfe. Zoff in der Gruppe, das gab es natürlich auch. Hans-Ulrich erinnert sich mit gemischten Gefühlen daran, besonders aus einem Grund: Er war bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr mit Abstand der kleinste. “Kann sein, dass ich ein kleiner Terrier Typ war, denn ich musste mich immer behaupten und kämpfen”, meint er heute.

Angenehm ist die Erinnerung an den Vater, einen Lehrer. Er las an langen Winterabenden vor, auch der Schimmelreiter und Pole Poppenspeeler waren dabei. Ein Spielzeug war allerdings auch für den jungen Hans-Ulrich unverzichtbar: der Ball. “Wo ein Ball ist, ist Klose”, hieß es damals. Auch in der kirchlichen Jungschar wurde viel Sport getrieben. “Ich war ein guter Tischtennisspieler”, erinnert er sich. Heute spielt er noch Tennis. Geprägt durch die Spiele der Kindheit war auch Hans-Ulrich Kloses erster Berufswunsch als Kind: Sattler. Als Gymnasiast erwachte dann sein Interesse für Geschichte und Archäologie. Er wechselte sogar das Gymnasium, weil er Altgriechisch lernen wollte. Durch das Herstellen und Binden eigener kleiner Bücher zog es ihn kurzfristig auch zur Buchbinderei. Und als er dann Abitur machte, wäre er gerne als Offizier Pilot geworden, schwankte dann zwischen den Fächern Germanistik, Englisch und Geschichte, entschied sich aber aufgrund der Lektüre eines Buches, das ihm sein Vater gegeben hatte: “Einführung in das juristische Denken”, für Jura.

Vorher aber geschieht 1954 der entscheidende Einschnitt im Leben des jungen Klose: Er geht ein Jahr als Austauschschüler in die USA. Danach ist er nicht nur zwanzig Zentimeter gewachsen, sondern auch sein Interesse für Politik ist durch die Berührung mit der amerikanischen Demokratie und dem beeindruckenden Wohlstand des Landes erwacht. Dabei war die Entscheidung zwischen SPD und FDP von Anfang an nicht klar, obwohl der Vater SPD-Mitglied war. Erst am 1.März 1964 tritt er in die SPD ein. Klose: “Mein Vater war so klug, mir nur wenige Ratschläge zu geben. Einer davon war: Wenn du nicht willst, dass die roten oder braunen Banausen es machen, mach es selbst.” Mit roten Banausen waren die Stalinisten, mit braunen die Nazis gemeint.

Warum also die SPD? Klose nennt fünf Punkte: die Spiegel-Affäre, den amerikanischen Präsidenten Kennedy, sein Interesse an Geschichte, “die rationale Einsicht, dass die SPD eine ungebrochene demokratische Tradition hatte” und “dass die Freiheitsrechte unserer Verfassung nur umgesetzt werden können, wenn die materiellen Bedingungen stimmen”. Vor allem auch wollte er seinen eigenen Beitrag leisten, selbst etwas tun, mit eigenen Vorstellungen gestalten, “auch wenn mein Beitrag noch so klein sein würde” und wenn es wie früher in der Gemeinschaft der spielenden Kinder eine Gratwanderung bedeutete zwischen gedeckelt werden, einstecken müssen, durchhalten und nicht aufgeben.

Spielerisch begleitet hat ihn dabei seit dem zweiten Jurasemester ein Kartenspiel mit Namen Stichling, bei dem es darauf ankommt, vor jeder Runde vorauszusagen, ob man den Stich bekommen wird oder nicht. Ein Spiel mit drei bis sechs Personen, angesiedelt zwischen Glück und Berechnung. Alle vier Klose Kinder spielen es, die Familie und Freunde. Klose hat es ihnen beigebracht. Miteinander, gemeinsam in der Gruppe etwas zu tun und zu spielen, Hans-Ulrich Klose scheint es immer noch zu mögen.

Hans-Ulrich Klose erklärt einer Mitarbeiterin, Ute Berger, sein Lieblingskartenspiel Stichling.

Im  Hamburger Abendblatt/Harburger Rundschau erschienen)