Category: Journalismus


6. Pegauer Bildhauer-Pleinair 2012

Das Pleinair ist zu Ende

Es sind nicht nur die großen Zentren, in denen Wichtiges entschieden wird und geschieht. Wer die Regionen mit ihren vielfältigen Möglichkeiten des Lebens in all seinen Facetten nicht schätzt und wahrnimmt, hat wahrscheinlich das Leben nicht wahrgenommen. Schließlich ist alles Leben regional, auch alle Kunst. Angesiedelt zu sein an einem Ort, in Verbindung gebracht zu werden mit einem vertrauten Umfeld und dort wahrgenommen zu werden, ernst genommen werden und akzeptiert – welcher Künstler wünscht sich das nicht. Hier kommt die kleine sächsische Stadt Pegau ins Spiel, denn dort wird  seit sechs Jahren regionale sächsische Kulturgeschichte geschrieben: das Pegauer Pleinair.

Der Wächterlöwe von Jiang Bian-Harbort

Vierzehn Tage lang arbeiten drei Bildhauer, immer Ende Mai  bis Anfang Juni, unter den Augen und regelmäßiger Anteilnahme der Bevölkerung und vieler auswärtiger Gäste im Klostergarten an drei Skulpturen. Gegründet haben diesen workshop Rainer und Bärbel Pleß, Pegauer Künstler und Galeristen der Galerie „das blaue haus“.  Rainer Pleß ist selbst Bildhauer und viele seiner Skulpturen schmücken die Stadt, gehören zum Stadtbild in Pegau – genauso wie die Skulpturen der immer wieder wechselnden anderen Teilnehmer des Pleinairs. Alle Skulpturen nämlich werden dauerhaft im Stadtgebiet aufgestellt.

Rainer Pleß: „ Die Künstler bekommen für diese Zeit ein Honorar, das Material wird gestellt und es bestehen keine Vorgaben außer eine Skulptur zu schaffen für den öffentlichen Raum. Der Künstler kann frei arbeiten, ohne Themenvorgabe, ohne Wettbewerbszwang, ohne ständig im Hinterkopf den Gedanken zu haben: “Kann ich das auch verkaufen?“ Die geschaffenen Skulpturen gehen in das Eigentum der Stadt Pegau über.

Der Koloss von Pegau von Markus Petersen

Anders als bei ähnlichen Veranstaltungen wird jedem Künstler garantiert, dass seine Skulptur dauerhaft im Stadtgebiet aufgestellt wird.  Während des Schaffensprozesses treten die Bildhauer in regen Kontakt mit den Bürgern, die auf diese Weise am Entstehungsprozess „ihrer“ Skulpturen teilhaben. Die Einwohner schlagen die Standorte für die Skulpturen vor. Diese Vorschläge werden von einem Gremium, Bürgermeister, Kulturbeauftragter der Stadt, Baudezernent und von mir bestätigt.

Durch den entstehenden Dialog der Künstler mit ihren „Verbrauchern“ entsteht ein gegenseitiges Verstehen, welches dazu führt, dass die Bürger stolz auf „ihre“ Skulpturen sind, nicht Ungewolltes vor die Nase gesetzt bekommen und Verständnis für Kunst entwickeln.“

Wenn Rainer Pleß über seine und die Arbeit seiner Frau hier vor Ort berichtet, dann spürt man ihm seine Begeisterung ab. Kunst, das ist ihr Leben seit Jahrzehnten. Sich einbringen, abmühen und engagieren, das ist ihre gemeinsame Freude in dieser Region. Pleß: „Durch die regelmäßig und zu gleichen Zeiten stattfindenden Veranstaltungen sind diese bereits weit über Pegau hinaus bekannt. Die Zeitung berichtet regelmäßig, Besucher kommen von nah und fern und selbst die Grund- und Mittelschule unserer Stadt bezieht das Pleinair in ihren Kunstunterricht ein.

Dadurch, dass immer nur drei Bildhauer arbeiten, bleibt die Veranstaltung, die ausschließlich durch Sponsorengelder finanziert wird, bezahlbar, und die Stadt wird nicht innerhalb kurzer Zeit mit Kunst im öffentlichen Raum überfordert. So ist unsere Stadt bereits ein Skulpturenpark in urbanen Raum, der sich in stetiger Entwicklung befindet. Pegau wird damit eine deutschlandweit einmalige Kommune.“

Ein Zusammenhang von Rainer Pleß

In diesem Jahr waren zum ersten Mal nur Pegauer Künstler beim Pleinair dabei: Jiang Bian-Harbort, eine in China geborene, in Dresden studierte, in Pegau verheiratete Bildhauerin. Markus Petersen, in Kiel geboren, in Dresden studiert, in Pegau wohnend und Rainer Pleß selbst, Wahlpegauer, der als Organisator gemeinsam  mit seiner Frau, der Galeristin Bärbel Pleß, jedes Jahr teilnimmt.

Und woher kamen die Steine und der Baumstamm dafür und vor allem: Wer brachte die Kolosse in den Klostergarten von Pegau? Pleß: „Eine ortsansässige Spedition hat ihren 8-Tonner gesponsert und die Sandsteine aus dem Steinbruch Cotta bei Dresden geholt. Aus demselben Steinbruch stammen die Steine für die Frauenkirche. Der Baumstamm ist eine Ulme und wurde in Pegau gefällt. Ihre Wurzeln hoben den Boden einer Garage hoch, da passte es gerade wunderbar für uns.“

Auch zu den Titeln der entstandenen drei Skulpturen gibt es Pegauer Geschichten zu erzählen. Rainer Pleß nennt seine Doppelskulptur „Ein Zusammenhang“ und schmunzelt dabei, den Betrachtern damit ein Rätsel aufzugeben. Jiang Bian-Harbort wollte mit ihrem Löwen „Der Wächterlöwe“ ein Tiersymbol schaffen, das eine Verbindung  zwischen chinesischer und deutscher Kultur darstellt – man denke an die Löwenskulpturen vor chinesischen Restaurants und: Pegaus Wappentier ist der Löwe! Markus Petersen war unschlüssig, wie er seine Skulptur nennen sollte. Aber das Problem wurde beim Besuch im Klostergarten im Rahmen des Kunstunterrichtes von einem Schüler der vierten Klasse der Grundschule Pegau gelöst. Er schlug vor, den bearbeiteten Baumstamm „Der Koloss von Pegau“ zu nennen. So ist es geschehen.

Die Übergabe

Auch in diesem Jahr wurden die Kunstwerke am Ende des Pleinairs feierlich der Stadt übergeben. Bürgermeister Peter Bringer lässt es sich nicht nehmen, bei solchen Feierlichkeiten dabei zu sein, wie er auch immer bei den Vernissagen in der Galerie „das blaue haus“ erscheint und so das Interesse der Stadt an Kunst vor Ort demonstriert.

Zweimal im Jahr finden übrigens in Pegau, durchgeführt durch die Galerie „das blaue haus“, Skulpturenrundgänge statt. Sie werden von den Gästen der Stadt immer zahlreicher angenommen.

Pegau ist nicht nur geografisch in der Nähe Leipzigs angesiedelt. Der Ort hat ein Rathaus, das nach den Plänen des Leipziger Rathauses gebaut worden ist. Aber das ist eine andere Geschichte und auch, dass Napoleon hier übernachtet hat und darüber Geschichten erzählt werden.

Im kommenden Jahr, wenn sich das Datum der Völkerschlacht bei Leipzig zum 200. Male jähren wird, wird auch die Weltgeschichte wieder einmal von diesem Ort und anderen Orten im Sächsischen Notiz nehmen. Die Skulpturen des Pegauer Pleinairs, sie werden die Geschichte dieser kleinen Stadt in Sachsen begleiten, das ist sicher. Sind doch Skulpturen aus Stein und Holz  immer menschengemachte Modelle gelebter Erdgeschichte. Keiner kann ihnen diesen Hauch von Ewigkeit absprechen.

www.stadt-pegau.de

www.galerie-blaues-haus.de

 

 

 

 

 

Ein kleiner Bericht über die Festveranstaltung in der Universität Hamburg

Das Hauptgebäude der Universität Hamburg

Es war eine Sternstunde der Erinnerung an Carl Friedrich von Weizsäcker, Physiker, Philosoph und Friedensforscher. Zu Ehren  seines 100. Geburtstages versammelte sich in der Hamburger Universität eine Festgemeinde, um sein Andenken zu ehren und sich seiner zu erinnern. Eingeladen hatten gleich mehrere: die „Udo Keller Stiftung Forum Humanum“ mit Sitz in Neversdorf, zwischen Hamburg und Bad Segeberg gelegen, die den Nachlass von Carl Friedrich von Weizsäcker beherbergt; die Universität Hamburg, seine langjährige Lehr- und Wirkungsstätte;  das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik aus Hamburg, dessen erster Direktor Weizsäcker hätte vor vierzig Jahren werden sollen sowie das „Carl Friedrich von Weizsäcker Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung“, ZNF, aus Hamburg – alle auf jeweils besonders Weise mit dem Namen und Wirken von Weizsäckers verknüpft und verbunden.

 

Dieter Lenzen

Dieter Lenzen, Präsident der Hamburger Universität, eröffnete die Veranstaltung mit einem Grußwort, in dem er darauf hinwies, dass Weizsäcker mit seiner programmatischen Verbindung von Wissenschaft, Religion und Politik heute als Visionär und Wegbereiter des interdisziplinären und interkulturellen Dialogs gilt. Die Universität Hamburg war die letzte universitäre Wirkungsstätte Weizsäckers und ist gerade in diesem Zusammenhang seinem Erbe verpflichtet und den Fragen nach der Aktualität seines Denkens heute. „An welche Aspekte der Arbeit Carl Friedrich von Weizsäckers ließe sich für die Lösung unserer drängenden Gegenwarts- und Zukunftsfragen anknüpfen?“, fragte Lenzen.

 

Julian Nida-Rümelin

Als Festredner hatten die Veranstalter Julian Nida-Rümelin gewonnen. Er lehrt als Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians Universität München und ist einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden als Kulturstaatsminister bis 2002 im ersten Kabinett Gerhard Schröder.

 

Nida-Rümelin und Carl Friedrich von Weizsäcker – beide verbindet, sowohl ein Physik- als auch ein Philosophiestudium absolviert zu haben, also in beiden Wissenschaften zuhause zu sein. Das Leitmotiv Carl Friedrich von Weizsäckers: Wissenschaft trage die Verantwortung für ihre eigenen Ergebnisse, auch wenn deren Folgen nicht gewollt oder absehbar sind, machte sich Nida-Rümelin allerdings nicht zum Gegenstand seines Vortrages.

Auch der Sohn Weizsäckers, Ernst Ulrich von Weizsäcker, war gekommen

Er sprach zwar zum Thema: „Zum Ethos wissenschaftlicher Verantwortung“, machte sich aber auf seine Weise auf den Weg, das Gestern und Heute zu verknüpfen. In seinem frei gehaltenen Vortrag gab er einen Abriss zur Wissenschafts- und Philosophiegeschichte in ihrer komplexen Entwicklung zwischen Ausbildungsfunktion, Bildungsfunktion, Lehre und Forschung durch die Jahrhunderte, insbesondere vor dem Hintergrund seiner Spezialgebiete Ethik, Entscheidungs- und Rationalitätstheorie sowie Demokratietheorie in der heutigen Zeit.

 

Cai Werntgen, Vorsitzender und Geschäftsführer der Udo-Keller-Stiftung, sprach ein Grußwort

Im Rahmen seiner Demokratietheorie geht Nida-Rümelin davon aus, dass die Demokratie nicht ohne einen normativen Grundkonsens auskommt, der  im Hinblick auf eine globale Zivilgesellschaft aber hinreichend neutral sein  müsse, um mit einer Vielfalt unterschiedlicher Lebensformen und kultureller Prägungen vereinbar zu sein. Der besteht unter anderem darin, auf die individuelle Optimierung der eigenen Interessen zu verzichten und eine gemeinsame Strategie festzulegen, Kooperation zu fördern. Ist dies in der herrschenden Strukturierung der Universitäten als Bildungsziel angelegt?

 

Nida-Rümelin äußerte sich besorgt darüber, dass der universitäre Betrieb immer mehr verschule und die Studierenden quasi nahtlos aus dem festen Stundenplan der Schule in den festen Stundenplan der Universität führe, unselbständige Erwachsene produziere. Das habe mit studieren nichts mehr zu tun. Wer nur noch damit beschäftigt sei, seine „Credit Points“, Leistungspunkte, zu optimieren und nicht mehr dazu komme, ein Buch zu lesen, sei mit einer Universität konfrontiert, die angepasste Persönlichkeiten fördere und nicht das selbstständige Denken.

 

Michael Brzoska, Direktor des Institutes für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg

Ein Plus für die Demokratie des ständigen gegenseitigen Dialoges? Wohl eher nicht. Die Zuhörer wurden mit solchen und anderen Fragen nachdenklich nach Hause geschickt. Nida-Rümelins Frage: „Hätte ein Einstein heute an einer unserer Universitäten die Chance, eine Professur zu bekommen?“, erntete im Publikum vielfaches Lachen und deutlich vernehmbar: nein!

 

Vordenker scheinen erforderlich zu sein. Möglichkeiten, das Denken zu lernen und zu pflegen sind dafür unabdingbar. Interpretiert man Nida-Rümelin richtig, dann klagt er den Ort der Universität als Ort genau dafür ein. Hier schlösse sich dann sicherlich der Kreis zu Carl Friedrich von Weizsäcker, dem allenthalben für sein Wirken in Deutschlang bescheinigt wird, ein Vordenker für so etwas wie eine demokratische „Weltinnenpolitik“ gewesen zu sein.

 

Udo Keller Stiftung: http://www.forum-humanum.org/index.php?sub=cfvw&seite=bibliothekcfvw

 

Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung: http://www.znf.uni-hamburg.de/index.html

 

Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik: www.ifsh.de/

 

Universität Hamburg: www.uni-hamburg.de

 

Maximilians Universität München, Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft: http://www.philosophie.lmu.de/

 

 

 

 

 

 

Eröffnungsfeier Kulturhaus Süderelbe im neuen „BGZ“

erschienen am 21. Juni 2012 im Hamburger Abendblatt

Bunte Meile und viel Leben am Eröffnungstag und Sommerfest des BGZ

Offiziell trägt es den langen Namen „Bildungs- und Gemeinschaftszentrum Neuwiedenthal/Neugraben-Fischbek“, kurz BGZ, und eingeweiht wurde es am 29. Februar dieses Jahres.  Neben anderen Nutzern hat auch das Kulturhaus Süderelbe hier seine neue Heimat gefunden. Es zog von dem ruhigen Waldgrundstück am Ehestorfer Heuweg in die verkehrsgünstige Lage direkt an der S-Bahn Neugraben – gemeinsam mit der HNT und seinem Fithus, der integrativen Ganztagsschule am Johannisland,  der Kita am Johannisland, der Pestalozzi Stiftung „Jugendfreizeitlounge Neugraben, der Evangelischen Beratungsstelle Süderelbe und dem Bundesliga Volleyballteam VT-Aurubis.

 

Dass hier „der Bär tobt“ erwies sich am vergangenen Freitag, als das Kulturhaus zu seiner Eröffnungsfeier eingeladen hatte. Gefeiert wurde im Rahmen des BGZ Sommerfestes gemeinsam mit allen Hauptnutzern, das mit Kinder -, Sport- und Spielaktivitäten für Freitag und Sonnabend Hunderte von Besuchern anzog.

 

Strahlende Gesichter zur Eröffnung des Kulturhauses (von links), hauptamtliche Mitarbeiterin für Büro, Administration und Kursanmeldungen - Marketta Eksymä-Winkelmann, Vorstandsmitglied Cornelia Nack, VereinsvorsitzenderMike Nitsch und hauptamtliche Mitarbeiterin für Kursleitung,m Projekte und Vernetzung - Dörte Ellerbrock.

Der Vorsitzende des Vereins „Kulturhaus Süderelbe e.V.“, Mike Nitsch, betonte in seiner Eröffnungsrede, dass man auf einem guten Weg sei, sich am neuen Standort einzuleben und auch hier das breit gefächerte Kulturangebot des Kulturhauses aufrecht zu erhalten und noch weiter auszubauen, im Zusammenwirken von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern. „Seit 1980 bieten der Verein Kulturhaus Süderelbe e.V. und seine Mitarbeiter in diesem Stadtteil die Möglichkeit, dass die Menschen ihre kreativen Potentiale entdecken, entwickeln und fördern können“ und fügte mit einem Blick in Richtung Politik hinzu: „Wir sind hier schon zufrieden, sehen aber noch Potential im Ausbau des Kulturhauses und unserer Angebote.“

 

Die Eröffnungsfeier, an der sich zahlreiche Künstler und Gäste beteiligten, erwies sich als gelungener Startschuss für die Nutzung des neuen BGZ und seiner vielfältigen Möglichkeiten, im Stadtteil ein Platz und Motor für die Kultur zu sein. Umfassende aktuelle Informationen über die Kurse und Veranstaltungen des Kulturhauses findet man immer unter www.kulturhaus-suederelbe.de

 

Rede des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Olaf Scholz, zur Eröffnung im Februar

Grußwort des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz zur Eröffnung des Bildungs- und Gemeinschaftszentrums Neuwiedenthal / Neugraben-Fischbek

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz bei seiner Eröffnungsrede am 29. Februar 2012

…wo wollen Hamburgerinnen und Hamburger leben? Ich meine natürlich: innerhalb Hamburgs? Darauf sind jede Menge Antworten möglich.

Ich zum Beispiel wohne in Altona, wie einige von Ihnen wissen. Der Stadtteil ist mir ans Herz gewachsen, seit ich als Kind dort oft meine Großeltern besucht habe. Andere träumen von einem Haus im Grünen. Den Traum kann man hier im Neubaugebiet „Elbmosaik“ erfüllt bekommen. Noch dazu mit bester Nahverkehrsanbindung. Mit der S-Bahn ist man in weniger als einer halben Stunde am Hauptbahnhof.

Aber wo wollen Familien mit Kindern leben? Das ist ziemlich klar. Das wissen wir aus vielen Studien. Egal ob in der Stadt – wo es leichter möglich ist – oder auf dem Land: Eltern wollen dort leben, wo es gute Schulen gibt, wo es gute Kindertagesstätten gibt – kurz: wo ihre Kinder bestmöglich gefördert werden. Denn Eltern wissen: Bildungschancen entscheiden über deren Zukunft.
Immer mehr Eltern schauen sich deshalb die Schulen an, bevor sie sich entscheiden, in einen bestimmten Stadtteil zu ziehen. Oder sogar: in eine bestimmte Stadt zu ziehen. Längst sind gute Schulen und Betreuungsangebote ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Wohnortwahl.

Viele Eltern wünschen sich außerdem, dass ihre Kinder den ganzen Tag gut aufgehoben sind. Denn immer mehr Mütter wollen oder können ihren Beruf nicht aufgeben. Deshalb fühlen sich Eltern dort deutlich wohler, wo sich die Betreuung der Kinder mit der Arbeit gut verbinden lässt. Es hilft ihnen bei der Organisation ihres Alltags, wenn sie Kindergarten und Schule an einem Ort finden und keine langen Fahrwege auf sich nehmen müssen.

Diese Entwicklung ist überall zu beobachten. Hamburg stellt sich darauf ein, denn als Stadt mit wachsender Einwohnerzahl, die eine Ankunftsstadt sein will, muss Hamburg gerade jungen Familien gute Bedingungen bieten.

Mit dem Bildungs- und Gemeinschaftszentrum in Neuwiedenthal / Neugraben-Fischbek – dem BGZ-Süderelbe, wie es inzwischen kurz und knapp heißt – erfüllt Hamburg alle diese Anforderungen.

Manch einer mag sagen: Im „Elbmosaik“ stehen doch fast noch keine Häuser! Das stimmt. Denn mit dem BGZ-Süderelbe beschreitet Hamburg Neuland. Hier verknüpft die Stadt den Aufbau einer Bildungsinfrastruktur mit der Entwicklung des Stadtteils. Hier wird eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt als Impuls für die Stadt- und Quartiersentwicklung in Neugraben und im „Elbmosaik“.

Eröffnung im BGZ

Ich verspreche Ihnen: Das mit den Häusern im „Elbmosaik“ wird sich ändern! Sie wissen, wir haben versprochen, jedes Jahr mindestens 6.000 neue Wohnungen zu bauen. Ein Teil davon entsteht hier. In den nächsten Jahren werden es Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser für etwa tausend Familien sein.

Wenn übrigens neulich in der Presse zu lesen war: „Hamburg plötzlich Spitze beim Wohnungsbau“, und dies ausdrücklich als „überraschende Nachricht“ verkauft wurde, dann war ich persönlich kein bisschen überrascht. Genau diese Aufbruchsstimmung haben wir ja in ganz Hamburg erzeugen wollen und die guten Zahlen bei den fertig gestellten und geplanten Wohneinheiten zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Zur Attraktivität des Wohngebiets wird das BGZ-Süderelbe einen wichtigen Impuls geben. Zum einen, weil es ein wirklich ansehnliches Gebäude geworden ist. Es ist mit einer Grundfläche von fast 15.000 Quadratmetern auch das größte Quartierszentrum dieser Art in Hamburg und weit darüber hinaus.

Zum anderen, weil es ein zentraler Ort für Bildung, Beratung und Begegnung im Stadtteil ist, ein Ort in dem die „Süderelbier“ alles finden: eine Kindertagesstätte für bis zu 144 Kinder, eine Ganztagsgrundschule für bis zu 500 Kinder. Die Kita „Am Johannisland“ und die gleichnamige Grundschule liegen direkt nebeneinander. Die Kinder können also quasi automatisch in die Schule hineinwachsen.

Beide, Kita und Schule, arbeiten integrativ. Das heißt: Kinder mit und ohne Behinderungen spielen und lernen gemeinsam. Das ist vorbildlich für Hamburg.

Hier gibt es eine Jugendlounge für alle Jungen und Mädchen zwischen 6 und 16, die ab 14 Uhr geöffnet ist. Hier kann man, wie ich mir habe erklären lassen, nicht nur „chillen“ oder Billard spielen. Hier  kann man auch etwas lernen, zum Beispiel über die Sterne. Man kann nämlich durch Teleskope den Nachthimmel beobachten. Oder Filme drehen und sie – natürlich unter fachkundiger Anleitung – an neuen Computern sogar selbst schneiden. Kein Wunder also, dass in der Jugendlounge seit ihrer Eröffnung im Dezember reger Betrieb herrscht.

Mike Nitsch freute sich. Der Umzug ist geschafft!

Hinzu kommt das Kulturhaus mit seinen vielen Angeboten von Musik und Kunst bis zu Yogakursen. Es gibt die evangelische Beratungsstelle Süderelbe. Und dann gibt es auch noch das Sportangebot: Das FitHus, das Fitnessstudio der Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft, wird schon jetzt täglich von 300 bis 400 Besuchern genutzt.

Und ein absolutes Highlight ist natürlich die 5.000 Quadratmeter große Dreifeldsport- und Veranstaltungshalle für 2.000 Besucher. Dass diese Halle mit dieser Ausstattung möglich wurde, dazu hat der Aurubis-Konzern nicht unwesentlich beigetragen, abgesehen davon, dass die Volleyball-Bundesligafrauen des VT-Aurubis hier trainieren und spielen. Hamburgs Kupferkesslern gilt deshalb mein besonderer Dank.

Die Sporthalle macht das BGZ Süderelbe zu einem Ort des Spitzensports mit nationaler Strahlkraft. Trotzdem findet hier natürlich auch Schulsport statt.

Meine Damen und Herren,

Sie sehen: ob Bildung, Beratung, Kultur, Sport oder Freizeit – im BGZ ist für jeden etwas dabei. Es ist ein Ort, der allen Stadtteilbewohnerinnen und -bewohnern offen steht. Und es ist ein Ort, an dem die Schule vorbildlich mit außerschulischen Partnern kooperieren kann.

Wenn soviel Unterschiedliches unter einem Dach stattfindet, muss das organisiert werden. Darum kümmert sich das Centermanagement der langjährig bewährten Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft STEG.

Die Mitarbeiter des BGZ-Centermanagements sorgen dafür, dass der Betrieb und die Kooperation der sieben Einrichtungen reibungslos funktioniert.

An dieser Stelle sage ich deshalb: Herzlichen Dank den Mitarbeitern für Ihr Engagement.
Ich weiß, dass die Realisierung des BGZ-Süderelbe nicht immer einfach war. Zum einen wegen unseres heimlichen Wappentiers. Der Wachtelkönig hat mit seinen knarrenden Äußerungen, wie wir alle wissen, in Hamburg schon manches Neubauvorhaben in Turbulenzen gebracht. Er soll auch im Neubaugebiet „Elbmosaik“ gesichtet worden sein, weshalb dort nun weniger Wohnungen gebaut werden.

Zum anderen hat das Projekt auch aus finanziellen Grünen kurzzeitig auf der Kippe gestanden. Ich habe gehört, dass die Beteiligen das mit Fassung getragen haben. In einer Planungsrunde soll es damals spontan zu einer Änderung der Tagesordnung gekommen sein: Statt weiter über die Konkretisierung des pädagogischen Konzeptes zu reden, kam eine Flasche Raki auf den Tisch.

Das alles war vor meiner Zeit und ich musste die Getränkefreigabe nicht bewilligen. Ich bin aber sehr froh, dass die Beteiligten nicht aufgegeben haben und eine Lösung gefunden worden ist, so dass wir heute die Eröffnung feiern können.

Meine Damen und Herren,

die Realisierung eines solchen Projekts stellt hohe Ansprüche an alle, die kooperiert haben: die Behörde für Schule und Berufsbildung, die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und das Bezirksamt Harburg. Ihnen allen dafür meinen herzlichen Dank.

Ich wünsche dem BGZ Süderelbe weiterhin eine so positive Entwicklung der Besucherzahlen wie sie jetzt schon zu beobachten ist. Ich wünsche uns und Ihnen, dass die Einrichtungen untereinander und mit dem Stadt weiterhin so kollegial zusammenarbeiten. Und ich wünsche uns allen eine zügige und positive Entwicklung des Neubaugebiets „Elbmosaik“.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

Fotos:  Wöhlke

 

 

Sommerausgabe 2012

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mein Artikel zum Thema “Reisen”:

 

 

 

Reisen

Dieser Artikel ist am 16. Mai 2012 im Hamburger Abendblatt erschienen

Menschenmengen an den Landungsbrücken begrüßen die Queen Mary 2 mit Riesenjubel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es ist das Ziel meiner Reise und nicht mehr weit. Hamburg. Nur noch eben schnell da vorne rechts -  pardon, steuerbord -  um die Ecke rum, eine große Ecke, genauer gesagt eine riesige Kurve – und dann sind wir in der Elbmündung, in der Elbe und ich in sechs Stunden etwa wieder Zuhause.

Nicht nur die „Kurve“ ist riesig. Das Schiff, auf dem ich auf dem Balkon vor unserer Kabine auf Deck 12 backbord stehe, ist es auch: die Queen Mary 2. Sie ist mehr als ein Schiff, sie ist ein „Ocean Liner“, eine Schiffsgattung also, von der geschrieben wird, dass ihre bedeutende Zeit schon lange vorbei sei und in die Zeit reicht, als es noch keine Flugzeuge gab und lange Distanzen von Kontinent zu Kontinent nur auf dem Meer zurückgelegt werden konnten: Europa – Amerika, das ging nur mit dem Schiff. Das ist Schifffahrtsgeschichte, zu der auch der Untergang der Titanic gehört. Vor wenigen Tagen haben wir, aus New York kommend, wenige Seemeilen entfernt die Stelle passiert, an der sie unterging. Meine erste Transatlantik Überquerung geht also ihrem Ende entgegen: zehn Tage Reise bis Hamburg, davon sechs auf hoher See bei fast immer Windstärke 8 und Wellengang um die fünf Meter. Das alles hat diesem Schiff nichts ausgemacht.

Nun also die Elbe, die Elbe entlang mit der Queen Mary 2. Da wird nichts untergehen können. Da wird etwas aufgehen, so sind sich hier alle sicher: das von allen an Bord mit großer Freude erwartete Hafenfest in Hamburg und damit verbunden der gigantische Empfang für die Queen, im Jahr 2004 in Dienst gestellt, und in deren Tradition sich einst nicht nur die  großen alten Dampfer wiederfinden lassen werden, sondern auch dieses Hamburg, dieses über alle Maßen begeisterte Hamburg und sein Empfang für dieses Schiff, das als Flaggschiff der britischen Reederei Cunard Line zu den berühmtesten Schiffen der Welt gehört und mit seinen 345 Metern Länge das drittlängste Passagierschiff der Welt ist. Schwarz, weiß, rot, elegant und schnittig – so hat dieses Schiff die Herzen der Hamburger und ihrer Gäste erobert. Wird es auch dieses Mal so sein?

Am vorigen Abend hatte Unterhaltungschef Ray Rouse am Ende der letzten Show an Bord mit bewegenden Worten auf dieses Hamburg eingestimmt. Hamburg, die heimliche Hauptstadt der Queen, das werde morgen ein fantastischer Tag werden, an dem sich alle die Zeit nehmen sollten an Deck zu sein, zu genießen und sich begeistern zu lassen.

Große und kleine Segler kommen der Queen bereits ab Stade entgegen

Hamburg scheint sich herausputzen zu wollen, denn sie Sonne strahlt an diesem Morgen. Das war während der Überfahrt wahrlich nicht immer so. Da ist sie, die Elbmündung, und die ruhig dahin fließende Elbe. Fast scheint das Schiff zu stehen. Der Helgoland Catamaran kommt uns entgegen und wühlt das Wasser auf. Alles bleibt ruhig bis zur Höhe von Stade. Die ersten kleinen Segelschiffe nähern sich der Queen, um sie zu begleiten. Der Hamburger Jachthafen in Wedel gleitet vorüber und wieder schließen sich kleinere Boote an. Einige von ihnen warten auf die kleinen Wellen der Queen, um sie zu schneiden und ordentlich durchgeschaukelt zu werden.

Am Ufer sind nun immer mehr Menschen wahrzunehmen. In Schulau können wir die berühmte Schiffsbegrüßungszeremonie kaum verstehen, denn ein Kleinflugzeug macht sich offensichtlich einen Spaß daraus, die Queen eine Weile in der Luft zu begleiten und fliegt in großen Bögen über dem Schiff hin und her.

Aber schon dort stehen die Menschen dicht bis an das Ufer, winken und rufen. Nun wird es immer voller auf dem Fluss und an den Ufern. Wir passieren das Kraftwerk Wedel, Falkenstein und Wittenbergen, Blankenese. Dort zeigt sich Hamburg von seiner eleganten Seite. Die ersten größeren Segler kommen uns entgegen, zum Teil voll besetzt mit Menschen, Winken und Rufen auf beiden Seiten. Ich traue mich von ganz oben ein lautes „Hummel, Hummel“ in die Weite zu rufen und erhalte ein vielfaches und lautes „Mors, Mors“ zurück. Das ist Hamburg! So geht es weiter.

Nicht nur an Bord werden die weißen Handtücher aus den Kabinen geholt, um damit zu winken. An Land haben sich die Wartenden auch mit allerlei Tüchern ausgestattet und das Nobelhotel Louis C. Jacob schießt auf diesem Feld den Vogel ab: Aus allen Fenstern und von der berühmten Lindenterrasse aus wird mit riesigen weißen Tischtüchern gewinkt – oder sind es Betttücher? Egal – wir gleiten weiter und nun sehe ich auch direkt vor mir Ray Rouse und die Mannschaft auf der Brücke begeistert gestikulieren.

Ein riesiges Containerschiff kommt uns entgegen. Der Raddampfer „Freya“ hat heute seine Jazzbrunchfahrt offensichtlich voll ausgebucht, als wir ihm auf der Höhe des Seegerichtshofes begegnen. Schiffchen und Schiffchen, Segler um Segler kommen uns entgegen und schließen hinter der Queen wieder auf, um sie in den Hafen zu begleiten. Natürlich darf das Schiffshorn nicht fehlen. Zur Begeisterung aller ertönt auch immer wieder von den kleinen Schiffen ein gegen die gewaltigen Bässe der Queen zaghaft klingendes Tuten, das mit fröhlichem Lachen und Rufen beantwortet wird. Wie hellhörig es auf dem Fluss doch ist!

Die Bugsierer des Wasserballettes machen Welle für die kleineren Schiffe, ELBE 1 passiert uns, die auslaufende AIDA sol erscheint neben der Brücke der Queen – und Hunderte ihrer Passagiere stehen an Deck und winken und rufen. Die kleine „Wilhelmsburg“ erinnert mich an meinen Weg nach Hause, der nachher über die Elbbrücken führen wird und: Nun beginnt es, mir die Sprache zu verschlagen. Menschen, Menschen, Menschen soweit es freie Stellen am Fluss gibt säumen das Ufer an der Backbordseite. Wieviele mögen das sein? Vom Ufer her ertönt laut die englische Nationalhymne. Zweimal vernehme ich laut und deutlich, dass jemand meinen Namen ruft. „Johanna, Johanna!“ Bin ich gemeint, haben sich Freunde auf den Weg gemacht, um auch mich zu begrüßen? Aber nein, es gibt viele Johannas auf der Welt und sicher auch auf diesem Schiff.

Wir fahren an der AIDA blu vorbei, am Fischmarkanleger und Fischmarkt, den Dampfern der Hafenrundfahrten, dem Schaufelraddampfer Louisiana Star, der Cap San Diego, zwei Marinekreuzern, die Elbphilharmonie in Augenhöhe und immer mehr Menschen, Menschen, Menschen, winken, rufen und einfach nur schauen, schauen auf dieses majestätische Schiff, das sich nun bereit macht anzulegen. Ein Menschenmeer erwartet die Königin.

Dazu muss Captain Kevin Oprey sein Schiff aber erst einmal drehen. Auf dieses Manöver scheinen hier alle gewartet zu haben. Die Menschen schauen gespannt zu. Es ist nicht viel Platz. Es scheint, als drehe sich ein Riese in einer viel zu kleinen Badewanne. Sachte und kaum wahrnehmbar vollzieht die Queen dieses Manöver und ich kann nun bis zu den Elbbrücken schauen und erblicke inmitten der Kräne des Containerhafens die Kirchturmspitze von Altenwerder, fast Zuhause.

Die Autorin ist Harburger Künstlerin und stellte in New York aus

Die Queen hat angelegt und die Nase wieder elbabwärts. Die Passagiere können nun langsam das Schiff verlassen. Jetzt kommt das „Meer“ von Koffern, Autos und Taxen, in dem es sich nicht so elegant gleiten lässt! Hinter der Queen liegt die „Deutschland“, das allen bekannte Fernseh – „Traumschiff“. Ich werde noch lange von dieser Fahrt träumen. Die Hamburger und ihre Gäste haben wieder einmal bewiesen, dass Fröhlichkeit, Gastfreundlichkeit, Spontaneität und Herzlichkeit für sie keine Fremdwörter sind. Es sollen 2,1 Millionen gewesen sein, die da auf die Queen gewartet haben, und ich weiß jetzt, wie das aussieht und werde es nie vergessen.

Fotos und Text: Wöhlke

 

 

Am Rande gesagt…

Der moderne Rechtsstaat ist über Jahrhunderte gewachsen und hat sich entwickelt unter Qualen und Schmerzen vieler Menschen. Sie haben gekämpft und gelitten, überzeugt und argumentiert, insistiert und nicht aufgegeben, die Suche nach und den Begriff von Gerechtigkeit zu entwickeln und zu festigen.

Für kultivierte Menschen ist es in diesen Tagen besonders schwer, die Zeitung aufzuschlagen und einem Gesicht zu begegnen, das zu einem menschlichen Monster gehört, dessen selbstgefällige und menschenverachtende Selbstdarstellung der Inhalte und Antriebe seines Handelns die Grenzen dessen erreicht, was in einem funktionierenden Rechtsstaat als gewährleistet betrachtet werden muss: Das Recht auf rechtliches Gehör und das Recht auf ein faires Verfahren vor dem Richter.

Das menschliche Monster hat einen Namen, Anders Behring Breivik. Das menschliche Monster hat ein auf den ersten Blick nicht unsympathisches Gesicht. Es kann lächeln, ein seltsames Lächeln. Da steht ein Mensch, der im Denken und Fühlen jedes normalen Menschen Schauer des Grauens, des Entsetzens und der Fassungslosigkeit auslöst. Verstehen, was ist Verstehen des Handelns eines Menschen in solch einem Fall? Wie soll das gehen? Wer soll das leisten können und wollen?

Ich beneide das norwegische Gericht und die Richter nicht. Ihre Aufgabe ist schwerer als schwer. Im Namen einer zivilisierten Gesellschaft zu Gericht sitzen zu müssen über einen Menschen, für den all diese Werte nichts bedeuten. Er hat sich seine eigene Welt zusammenargumentiert, in der es keinen Platz für die Akzeptanz der Werte einer entwickelten und kultivierten Gesellschaft gibt.

Er schafft sich seine Gesellschaft und die Rechtfertigungsgründe seines Handelns selbst, koste es, was es wolle. Er tobte sich an Kindern aus. Das Wehrlose nahm er sich zum Vernichtungsziel für den Irrsinn eines irrationalen Gedankengebäudes, das er sich selbst aufgebaut hat. Ein Platz in der Geschichte und in der psychologischen Forschung ist ihm sicher.

Dieses Gerichtsverfahren ist eine harte Probe für den modernen Rechtsstaat und seine Vertreter. Ich beneide sie nicht. Sie haben meine Anerkennung und meinen Respekt. Funktionsbeweise dieser Art stellen alles auf die Probe, was wir sind, unsere Werte, unsere Geschichte und Zukunft.

Der Schöffe Thomas Indrebe wurde von seinem Amt entbunden, weil er in einem Chat-Forum die Todesstrafe für Breivik gefordert hat, die es in Norwegen nicht gibt. Dies war ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Aber seien wir ehrlich – waren und sind wir in diesem einen, besonderen Fall nicht alle ein wenig Indrebe? Die größte Herausforderung an den Menschen, die größte Gefahr und das größte Rätsel für den Menschen ist der Mensch selbst. Dies ist ein Fall, an dem diese Erkenntnis leider erneut bekräftigt werden muss.

Erschienen auf der Seite der DAP-Hamburg

in gekürzter Form erschienen im Hamburger Abendblatt am 30. Januar 2012
Die „Initiative Gedenken in Süderelbe“ lud zu Erinnerungsgang und Diskussion ein.
Referent: Dr. Manfred Murck, Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungschutz
Von Johanna R. Wöhlke

Vor dem Gedenkstein

„Wir gedenken der Frauen aus dem KZ-Außenlager Neugraben und der wenigen mutigen Menschen, die ihnen geholfen haben.“ Mit diesen Worten begann Pastorin Bettina von Thun von der Michaelisgemeinde in Neugraben ihre Rede an der Gedenktafel vor dem Bürgeramt Neugraben.

Etwa dreißig Neugrabener hatten sich auf Einladung der Initiative „Gedenken in Süderelbe“ wie in jedem Jahr  dort eingefunden, um am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ein Gebinde abzulegen, der immer am 27. Januar begangen wird, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945.

Hinter ihnen lag an diesem Vormittag schon eine Stunde Weges in der Kälte des an diesem Freitagmorgen unerwartet eingebrochenen Winters im Schnee und Frost zu drei Stationen im Neugrabener Zentrum. Die Frauen des Lagers mussten  dort selbst im Winter in leichten Sommeroveralls arbeiten, den ganzen Tag ohne Essen und Wasser. Sie wurden unter den unmenschlichsten Bedingungen beim Siedlungsbau eingesetzt.

Von einigen Neugrabenern aber erfuhren sie Hilfe: einen Teller Suppe, Kleidung, Wolle, Kartoffeln, dicken süßen Brei, Schuhe für die erfrorenen Füße, gute Worte, einen Gang zur Toilette, um nicht die Notdurft zwischen Bäumen und Büschen zu verrichten, wie es sonst geschah. Das alles geschah mit Angst vor den Wächtern und der körperlichen und psychischen Belastung der schweren Zwangsarbeit: „Wieviel Stunden wir arbeiteten, wussten wir nicht; am Vorabend gingen wir zu Fuß nach Neugraben. Abends bekamen wir einen Schöpflöffel Suppe – nach menschlichem Gutachten ungenießbar – welche wir mit unseren Tränen salzten und eine Schnitte Brot – womöglich steinhart“, erinnert sich Helena B. in ihren Aufzeichnungen.

Die Teilnehmer des Rundganges hörten an allen Stationen Texte aus dem Leben der Frauen, die sie selbst danach aufgeschrieben hatten und in denen sie ihre schrecklichen Erlebnisse beschreiben, aber gleichzeitig auch erzählen, wie ihnen von einigen wenigen geholfen wurde.

Eine andere Gefangene, Helena B. schrieb: „Einen Lichtpunkt während meiner zweieinhalbjährigen Konzentration der Nazi- Deutschen will ich hinzufügen, was lebenswichtig für uns war in der irdischen Hölle von der SS Zeit: im November – Dezember bis anfangs Jänner – bis wir nach Tiefstack gingen – hatten wir einen Polier, Hermann Rose, Harburg – als Aufsichtsperson, der unter größter Gefahr für ihn – uns im Regen in die Bude schickte und nur, wenn er von der Ferne einen SS sah, zu uns sagte „schnell an die Arbeit!“ Hermann war ein älterer Herr; sehr oft morgens brachte er uns warmen Kaffee und manchmal auch etwas Brot – er hatte ja auch nur seine Zuteilung. Ich persönlich versprach ihm: Falls ich vielleicht doch überlebe diese Hölle, so werde ich ihn zu uns einladen, und es geschah vom ersten Geld der Wiedergutmachung, kaufte ich bei der Zim-Schiffsgesellschaft ein Billet für beide Reisen: hin und zurück und sandte es ihm ein. Er war bei uns in Israel 3 Monate…“

Weitere Namen hilfsbereiter Menschen sind Familie Storm, die ein Gemüsegeschäft betrieb; ein altes Ehepaar am Scheideholzweg; die beiden Mitarbeiter Rose und Stankowitz der Firma Prien und deren Baubaracken.

Pastorin Bettina von Thun und Andreas Winter ( Vorsitzender des Pfarrgemeinderates der katholischen Heilig Kreuz Gemeinde) sowie Eberhard Reinhard ( Mitglied des Pfarrgemeinderates der katholischen Heilig Kreuz Gemeinde) hatten Dr. Manfred Murck als Referenten für ihre Veranstaltung gewinnen können.

Dem morgendlichen Rundgang schloss sich eine Abendveranstaltung im Gemeindehaus der Michaeliskirche an. Zum Thema “Wehrhafte Demokratie. Was können wir als Bürgerinnen und Bürger gegen die Gefahr von Rechts tun?“ hatte die Initiative „Gedenken in Süderelbe“ zu einem Vortrag und Gespräch mit Dr. Manfred Murck, dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hamburg, eingeladen.

Um es vorweg zu nehmen: Aus den geplanten zwei Stunden wurden drei und auch danach waren noch nicht alle Fragen beantwortet.  Murck erläuterte zuerst  die Entstehungsgeschichte des Verfassungsschutzes seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland und seine verfassungsmäßige Basis. Sie beruht auf dem Prinzip der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes und dem darauf basierenden Prinzip, dass die Liberalität der Verfassung und des Staates nicht von innen heraus ausgehöhlt und zerstört werden darf. Wer in seinen Bestrebungen und Aktivitäten gegen das Grundgesetz und seine Werte agiert, darf vom Verfassungsschutz  beobachtet werden, um Informationen zu sammeln, mehr nicht.

So wurden zum Beispiel schon 1952 die Sozialistische Reichstpartei verboten, die sich als Nachfolgeorganisation der NSDAP verstand. Im Jahre 1956 folgte mit dem Verbot der KPD das zweite Parteienverbot der Bundesrepublik auf der Basis des Prinzips der wehrhaften Demokratie. In diesen und vergleichbaren Fällen können die Informationen des Verfassungsschutzes dazu beitragen, Gerichtsentscheidungen zu stützen.

Mit Bedauern diskutierten die Teilnehmer die Tatsache, dass nach der Zeit des Hitler-Regimes das rechtsradikale Gedankengut nicht verschwunden ist, in Deutschland und Europa gleichermaßen. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung werden diesem Gedankengut zugerechnet, zehn Prozent einem relativ geschlossenen rechtsextremem Weltbild. Murck: „Die Gedanken und Köpfe waren ja nicht weg.“ Die Hoffnung darauf wurde 1964 mit der Gründung der NPD zerschlagen, die zuerst nennenswerte Wahlerfolge hatte, dann aber doch wieder aus „der Taktung der Republik verschwand“.

Das was zu Beginn der Nachkriegszeit mit „Neonazis“ beschrieben werden konnte, Menschen also, die sich bewusst in der Nachfolge der NSDAP sahen, wechselte im Laufe der Jahre, so Murck, in die Fraktion der „ewig Gestrigen“ und „Revisionisten“ und bezog Jugendliche mit ein, die keine Erfahrung mit der Geschichte des Nationalsozialismus hatten. Hier waren wie auch bis heute junge Männer die Träger des aktiven Teils dieser Gruppierungen. Man schätzt, dass um die 2o Prozent der jungen Männer anfällig für extrem rechtes Gedankengut sind, deren politische Kultur und soziale Grundierung die der Verlierer ist aber auch im bürgerlichen Lager Unterstützung findet, ohne dass dies zu öffentlichen Aktionen führt.

Die liberale Auslegung des Versammlungsrechtes gibt diesen Gruppen Spielräume, sich zu treffen. Sie haben ihre Organisationsformen verlegt, agieren nicht mehr in Vereinen und Parteien, sondern sogenannten „Kameradschaften“. Die Vernetzung durch die Möglichkeiten der modernen Technik fördert dies. Das Internet macht klassische Strukturen überflüssig. Murck: „Die Leugnung des Holocaust steht unter Strafe. Aber das Versammlungsrecht erlaubt das Aufmarschieren. Das nutzen diese Gruppierungen für sich aus.“ War es bei den Nazis und Neonazis unter anderem die Idee des „Volkes ohne Raum“, so ist es bei diesen modernen Gruppierungen die Idee des „unseren Raum freihalten von Fremdem“, die ihren Aktivitäten zugrunde liegt.

Die Weiterentwicklung rechtsextremen Gedankengutes ist demnach nicht aufzuhalten, eine bittere Erkenntnis dieses Abends. Die „moderne“ Ausprägung in der Form sogenannter „ Autonomer Nationalisten“, die einem „arischen Herrenmenschentum“ das Wort reden, prägt das Bild. Hier spielen Faktoren hinein wie bestimmte Musik als Radikalisierungsmechanismus oder martialische Auftritte, die mit Fremdenhass gepaart sind, der sich zunehmend auch antiislamisch zeigt.

Murck: „Gewalttaten bewegen sich im Promillebereich, sind aber natürlich öffentlichkeitswirksam.“ Der Hamburger Verfassungsschutz legt in seinem jährlichen Bericht für alle offen, welche Gruppen von ihm beobachtet werden. Dazu gehören seit den Ereignissen des 11. September auch Aktivitäten radikaler Islamisten, die die Scharia als Rechtsgrundlage ihrer Aktivitäten hier behaupten.

Fazit eines in all seinen Fragen und Antworten nur anzureißenden Abends: Die Makroebene der Gesellschaft reagiert nur sehr träge und zähflüssig und muss darauf setzen, dass dies ein Generationenwerk ist und bleibt. Murck: „Ich glaube an diese Demokratie. Einfache Lösungen bleiben immer attraktiv, aber treffen nicht die komplexe Wirklichkeit.“

Bild 1: Am Vormittag legte die Gruppe an der Gedenktafel des Bürgeramtes Neugraben ein Gebinde nieder

Bild 2: Pastorin Bettina von Thun und Andreas Winter ( Vorsitzender des Pfarrgemeinderates der katholischen Heilig Kreuz Gemeinde) sowie Eberhard Reinhard ( Mitglied des Pfarrgemeinderates der katholischen Heilig Kreuz Gemeinde) hatten Dr. Manfred Murck als Referenten für ihre Veranstaltung gewinnen können.

ein Bericht über den Senatempfang in der Staats-und Universitätsbibliothek Hamburg

 

Professor Michael Brzoska, Egon Bahr, Dorothee Stapelfeldt

Michael Brzoska, Egon Bahr, Dorothee Stapelfeldt

Frieden war das Thema, denn der Jubilar hieß Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik ( IFSH) an der Universität Hamburg – bestehend seit 40 Jahren.

„Wenn wir den ewigen Frieden miteinander definieren wollten, ginge das schnell an einem Nachmittag zu bewältigen. Allerdings, je näher wir der Wirklichkeit kommen, umso schwieriger wird es!“ Als Egon Bahr – Architekt der historischen Ostverträge –  diese Worte auf dem Podium sprach, hatten Ehrengäste und Publikum der Jubiläumsfeier in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg schon einiges an Reden gehört und verarbeitet.

 

Siegfried Stiehl

Siegfried Stiehl

Diese 40 Jahre IFSH würdigte der Senat mit einem Empfang und die Zweite Bürgermeisterin, Dr. Dorothee Stapelfeldt, begrüßte die Gäste. Sie würdigte die Arbeit des IFSH: „Die Stadt Hamburg kann stolz auf das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik sein. Als eine der renommiertesten Friedensforschungseinrichtungen Deutschlands profitiert nicht nur Hamburg von der Verbindung zwischen Wissenschaft und gesellschaftlicher Praxis, von der Internationalität sowie der Interdisziplinarität, von Forschung, Lehrtätigkeit und Politikberatung.“ Professor H. Siegfried Stiehl, Vizepräsident der Universität Hamburg, sprach ebenfalls ein Grußwort.

Der wissenschaftliche Direktor des Institutes, Professor Dr. Michael Brzoska erläuterte in seiner Rede unter anderem  die Arbeit und Schwerpunkte des Institutes heute: „In diesem Jahr, in dem das IFSH seinen 40. Geburtstag feiert, haben wir ein knappes Dutzend Tagungen und Workshops organisiert, die überwiegende Zahl mit starker internationaler Beteiligung.“

 

Bereits seit 1971 erforscht das IFSH zielstrebig und mit großem Erfolg Strategien zur Konfliktlösung, Friedenswahrung und Gewaltprävention mit Blick auf Handlungsoptionen der Bundesrepublik Deutschland. Das IFSH wurde über die Jahre zu einer der renommiertesten internationalen Einrichtungen der Friedensforschung und ist als Mitherausgeber des Friedensgutachtens sowie Herausgeber des OSZE-Jahrbuchs über die Grenzen Hamburgs bekannt.

 

Detlef Bald

Detlef Bald

Der Historiker und Publizist Dr. Detlef Bald hatte es übernommen, den Festvortrag zu halten und zeigte darin die Geschichte des Institutes auf: von den Anfängen unter Wolf Graf Baudissin bis heute. Bald kennt und begleitet das Institut seit seiner Gründung.

 

Schließlich diskutierten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eines Podiums, moderiert von NDR Redakteur Andreas Flocken, in welchem Spannungsfeld Friedensforschung und Sicherheitspolitik sich seit 40 Jahren bewegen: Winfried Nachtwei, früherer Bundestagsabgeordneter; Alyson  J.K. Bailes, University on Iceland and College of Europe; Egon Bahr, Bundesminister a.D. und  Direktor des IFSH von 1984-1994 und Dr. Regine Mehl, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung.

Das Podium

Das Podium

 

Einige Stichworte und Fragen mögen die breite Palette der kontrovers angesprochenen Themen umreißen: Wie wirkt Friedensforschung auf die Politik ein? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Begriff der Beratungsresistenz und ist die Politik überhaupt an substanziellen Forschungsergebnissen aus der Wissenschaft interessiert? Sollte Friedensforschung nicht auch immer mehr mit ihren Ergebnissen von der Gesellschaft verstanden werden?

 

Egon Bahn

Egon Bahr und Regine Mehl

Besonders Egon Bahr wies darauf hin, dass es auch in der Politik so etwas wie einen mainstream gäbe, von dem auch die Forschung nicht frei sei, ein „Mitsegeln auf politischen Moden“. Egon Bahr: „Hat die Friedensforschung denn etwas zu Themen zu sagen, die nicht in der Zeitung stehen, die zukunftsweisend sind?“ Von Moderator Andreas Flocken danach befragt, was für ein Thema dieser Art ihm denn vorschwebe, antwortete Egon Bahr spontan: „Das Internet.“ Diese Gesellschaft werde immer mehr auch durch ein globales Internet bestimmt, dessen Regeln aber noch weit davon entfernt seien, eine globale Beachtung  in den politische Gremien gefunden zu haben – eine Gedanke, der vielleicht in der Zukunft noch intensive Forschungsvorhaben initiieren könnte.

 

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 27. September 2011

Was elektrisiert einen richtigen Mann? Wer bei dieser Frage an Erotik denkt, kennt mich nicht. Das  ist mir langweilig, wenn es um ernsthafte Fragen geht – und hier geht es um ernsthafte Fragen, natürlich! Also: Was elektrisiert einen richtigen Mann?

Schweigen? Ich gebe zu, es war eine etwas provozierende Frage, auf die ich nicht sofort eine Antwort erwarten kann. Heute habe ich zwar eine von einer Freundin bekommen, aber auch die war einigermaßen unzureichend. Sie berichtete davon, dass ihr Mann eine Art Elektroschocktherapie in abgemildeter Form erhalte. Die soll dazu beitragen, dass er wieder nervlich auf die Beine kommt.

Die medizinischen Methoden entsprechen eben immer den modernen technischen Möglichkeiten. Wenn also elektrisieren im Sinne von stimulieren eine medizinische Methode sein soll, dann bitteschön! Wenn es hilft, dann bitteschön! Wenn es dazu beiträgt, dass dieser Mensch und Mann wieder auf die Beine kommt, dann bitteschön!

Allerdings gibt es auf die Frage, was einen richtigen Mann elektrisiere, noch andere Antworten. Die liegen ganz eindeutig im sportlichen Bereich. Der richtige Mann nämlich interessiert sich für Sport, nicht immer für richtigen Sport. Es darf auch Fernsehsportsein, ruhiger, bequemer und unterhaltsamer Fernsehsport!

Wenn ich es also genau bedenke, dann lautet die Antwort auf die Frage: Was elektrisiert einen richtigen Mann?: Sport in allen Formen –  im Fernsehen und in der Arena. Ist dann ein Mann, der sich nicht für Sport interessiert, ein halber Mann, ein Viertelmann, ein Dreiviertelmann – ein Achtelmann gar? Fragen über Fragen, die ich alle nicht beantworten kann.

Ich merke, dass ich mir zu Anfang eine zu schwere Frage gestellt habe, und gebe auf. Soll antworten, wer will, ich nicht. Ich lasse einfach mal ein überaus sympathisches Exemplar Mann zu Worte kommen: „Ich interessiere mich nicht für Sport. Ich bin nur ein halber Mann!“ Ein Mann, der fähig und in der Lage ist, sich selbst als „halb“ zu bezeichnen? Das kann nur ein ganzer Mann sein! Ganz schön elektrisierend.

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 23. September 2011

Zurzeit ist das Glück in aller Munde. Eigentlich ist das Glück ja immer in aller Munde, zurzeit aber wie gesagt ganz besonders. Da trifft es sich gut, mit einem praktischen Beispiel aus dem Alltag aufwarten zu können, das einen klaren Blick darauf wirft, wann der Mensch wirklich glücklich ist. In diesem Fall ist der Mensch männlich und heißt Rolf.

Das mit dem Glück ging bei Rolf so: Er hatte sich entschlossen, im Garten zu arbeiten. Die Hecke musste geschnitten werden. Also war es kein freier Entschluss, sondern eher einer von denen, zu denen man gezwungen wird, man könnte auch verpflichtet wird sagen. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die Spinnen auftreten. In ihrem Netz bilden sie ein nicht sehr angenehmes Gegenüber und werden mit einem weit ausholenden Rundumschlag mit Hand und Arm entfernt. Dabei aber rutscht die Brille von der Nase und macht Rolf von einer Sekunde zur anderen fast blind.

Unser Gartenarbeiter muss also schweren Herzens aufgeben, die Hecke zu schneiden. Jetzt ist erst einmal Brille suchen angesagt. Aber die Brille will nicht so, wie Rolf gerne möchte. Eigentlich müsste sie vor seinen Beinen liegen, aber er findet sie nicht. Auch die herbeigerufene Ehefrau findet sie nicht. „Ich finde die Brille nicht ohne Brille!“, ist der verzweifelte Ausruf des gartenarbeitswilligen Mannes.

Beide suchen nun die Brille. Die Brille bleibt verschwunden.  Hatte ich überhaupt eine Brille auf? fragt Rolf sich verzweifelt und wird immer unglücklicher. Er zweifelt an sich selbst. Er vertagt. Er vertagt auf den nächsten Tag.

Der nächste Tag bringt die erhoffte Wende. Das Ehepaar geht noch einmal Hand in Hand an den Ort des Geschehens und siehe da: Die Brille liegt im wuchernden Immergrün am Boden vor ihnen. Wo war sie gestern? Wie kommt sie wieder hierher? Rolf ist wieder glücklich und fragt nicht viel, Hauptsache, er kann wieder sehen und spart sich den Weg zum Optiker.

Was sagt uns dieses Beispiel? Das Glück ist ungerecht. Es ist nie für alle gleich zu haben. Mal beglückt es den Brille verlierenden Gartenarbeiter und mal den Optiker. Fälle, in denen der Brille verlierende Gartenarbeiter auch gleichzeitig Optiker ist, scheinen selten zu sein…