Category: Journalismus


erschienen im Hamburger Abendblatt am 22. Juni 2011

Wie war es doch früher so schön. Ich plaudere mal aus dem Nähkästchen: Meine Mutter nähte uns in jedem Frühjahr zu Ostern neue Kleider. Sie war Schneiderin, und es gefiel ihr, ihre beiden Töchter gleich auszustatten, auch wenn wir keine Zwillinge waren. Alles neu machte das Frühjahr. Darauf war Verlass.

Seit einigen Jahren haben die Begriffe Erneuerung und das Erneuern Konkurrenz bekommen. Die Konkurrenz kommt aus dem Englischen und heißt: update – wir sprechen es apdeet aus, versuchen wir es mal! Update bedeutet soviel wie auf den neuen Stand bringen, etwas Veraltetes wieder frisch machen. Hörte ich da eben aus dem Hintergrund jemanden sagen: aufpolieren? Wäre gar nicht so schlecht, finde ich.

Unsere Computer bekommen diese Kur regelmäßig verordnet und verpasst, täglich. Sie werden immer und permanent „apgedeetet“ und wir müssen es ertragen. Wehe wenn nicht! Das geht gar nicht, geht nicht, funktioniert nicht und noch viel mehr: macht total unglücklich! Wer von uns möchte schon unglücklich sein? Wer von uns möchte schon unglücklich vor seinem PC sitzen, ihn nicht optimal mit all seinen Möglichkeiten zum Gebrauch zur Verfügung haben?

Es ist ganz klar: Ohne update geht gar nichts mehr! Ein date haben reicht in dieser Welt nicht mehr aus – das update ist Pflicht, mehr als das: Es ist Notwendigkeit! So war da früher bei meiner Mutter nicht beim Schneidern. Da kam der Frühling und mit ihm die Erneuerung. Mein PC meldet sich gerade und sagt laut und unmissverständlich: „Bei mir ist immer Frühling, ich bin immer da und neu, niemals veraltet, immer auf dem neuen Stand. Hasch mich, ich bin der Frühling…“  Das macht mich nun sprachlos. Ende.

erschienen im Hamburger Abendblatt am 4./5. Juni 2011

Von Johanna R. Wöhlke

Leitender Vorarbeiter André Buchholz vor dem riesigen Informationsschild am Eingang.

Es gibt immer wieder neue regionale Beispiele für gelungene funktionale Architektur, die dem Bürger im öffentlichen Raum originell und schön begegnet. Das kann auch bei einem Profanbau wie einem Recyclinghof der Fall sein – wie in dem unten aufgeführten Beispiel des neuesten Recyclinghofes der Stadtreinigung in Hamburg, im Hamburger Stadtteil Neugraben im Süden der Stadt. Dort macht eine Rotunde die Müllentsorgung zu einer „runden Sache“. Ein Grund, ein überzeugendes Stück funktionaler Architektur für den Bürger vor Ort vorzustellen.

 

Recyclinghof Neugraben ist eine runde Sache.

Kunden kommen sich an im Kreis angeordneten Müllcontainern nicht ins Gehege

So weit das Auge reicht nur Felder und Wiesen, blauer Himmel, in der Ferne das Alte Land und die Elbe, Vögelgezwitscher, Hunde an der Leine beim friedlichen Auslauf mit Herrchen und Frauchen im Schlepptau.

Henry Ockelmann empfängt die Besucher.

“Im Aschenland” ist es schön und doch findet sich hier auch der ideale Platz südlich der Elbe, um sich seiner Altlasten zu entledigen. Die Rede ist vom neuen Recyclinghof der Stadtreinigung Hamburg in der Straße „Im Aschenland“ in Neugraben. Er ist ein Beispiel dafür, zu welch überzeugenden Ergebnissen planerische Kreativität auf zehntausend Quadratmetern kommen kann, wenn sie sich mit praktischen Bedürfnissen und Erfordernissen auseinandersetzt, wie sie dem Bürger die Müllentsorgung fast schon zum Vergnügen werden lassen.

André Buchholz, leitender Vorarbeiter im Aschenland, spürt man die Freude über diesen neuen Standtort ab, der im Februar eröffnet worden ist. Was ist nun das besondere, das besonders Gute und Schöne – an einem Recyclinghof, an diesem Recyclinghof? Die Antwort ist einfach: Er ist nun mal eine vollkommen runde Sache! Er ist eine runde Sache im wahrsten Sinne des Wortes, weil als riesige Rotunde konzipiert.

Der Besucher wird an der Einfahrt empfangen, zum Beispiel wie ich von Henry Ockelmann. Er steht vor dem roten Wärterhäuschen, davor das Schild „Stadtreinigung Hamburg Kasse“, das dem Besucher schwarz auf weiß verdeutlicht, dass er hier halten sollte. Außerdem signalisieren der dicke weiße Strich auf der Fahrbahn und die Aufschrift „STOP“, dass hier gehalten werden muss. Man hält.

Im bekannten Orangeoverall mit zwei schwarzen Taschen um den Körper nähert sich Henry Ockelmann, und nun beginnt der Service der Stadtreinigung, gepaart mit – wie könnte es anders sein – dem unvermeidlichen Hinweis darauf, dass für bestimmten Müll eine extra Gebühr fällig wird: für Grünabfälle 50 Cent pro 100 Liter, für Bauschutt 9,20 Euro pro 100 Liter, für Altreifen 3 Euro pro Stück, Hausmüll 3 Euro pro 120 Liter und für Altöl bis sieben Liter 3 Euro.

Damit aber noch nicht genug. Es folgt auch ein genauer Hinweis darauf, in welchem Container der mitgebrachte Müll zu entsorgen ist und wo auf dem Gelände der sich befindet. Alle Container sind nummeriert – es gibt über zwanzig –  einmal in die „Umlaufbahn“ um die Rotunde einschwenken und an der entsprechenden Stelle von der äußeren Fahrbahn in den mittleren Ladestreifen wechseln, dort vor der Fußgängermarkierung anhalten. So geht es weiter. So haben sie alle ihre sichere Fahrbahn: die ankommenden und abfahrenden Autos, die Entladenden und die Fußgänger.

Der Müll wird zur Mitte in die in die Rotunde abgesenkten Container entsorgt. Kein Recken und Strecken, kein Abmühen und Jonglieren mit zu hebenden Gegenständen. Siebzehn dieser riesigen 35 Kubikmeter-Container stehen bereit, um den Müll aufzunehmen. Hat der Besucher seinen Müll entsorgt, verlässt er das Gelände auf derselben Fahrbahn weiter in Richtung Ausfahrttor. Durch die getrennten Tore: Einfahrt und Ausfahrt für die Besucher und die Zufahrt zur Mitte der Rotunde zum Abtransport der gefüllten Container ist immer ein reibungsloses Miteinander garantiert. Der Recyclinghof muss nicht geschlossen werden, während die riesigen Laster rangieren müssen, wenn sie die vollen Container abholen.

Robert Aust ist aus Finkenwerder gekommen, um Müll zu entsorgen, Altmetall und Holz: „Ich bin Rentner und helfe meinem Sohn“, erzählt er und André Buchholz weiß zu berichten, dass viele ältere Menschen hierher kommen, auch viele ältere Paare gemeinsam. Die vielen Einfamilienhäuser im Umkreis bilden das Haupteinzugsgebiet. Da gibt es im Frühling und Herbst „Highlife“ mit Grünabfällen und Laub. Das ist dann auch  Highlife für die 6 Mitarbeiter, Öffnungszeiten montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr, am Sonnabend von 8 bis 14 Uhr.

Die Baggerschaufel zerkleinert das Holz schon im Container.

Bürgernah und bürgerfreundlich, das ist der neue Recyclinghof und außerdem praktisch und originell, architektonisch ansprechend und von der Lage her sicherlich nicht in Gefahr, seinen Platz irgendwann einmal räumen zu müssen. Müll und Problemstoffe problemlos zu entsorgen, das ist hier möglich.

 

Fotos: Johanna R. Wöhlke

erschienen im Hamburger Abendblatt am 8. Juni 2011

Es ist Morgenstimmung im Lande. Die Menschen sind aufgestanden, haben ihre Morgenwäsche absolviert, den Tee oder Kaffee getrunken, gefrühstückt auf die Schnelle oder auf die langsame, gemütliche Weise – alles das. Dann geht es in den Tag, für jeden auf seine Weise.

Für den Busfahrer heute am Morgen ist eigentlich nicht mehr Morgen. Er ist schon seit einigen Stunden unterwegs. Der Tag begann in schwarzer Nacht und endet vor dem verdienten Schlaf am Mittag. Die Krankenschwester geht vom Nachtdienst nach Hause und lebt ebenfalls in einem Rhythmus, der nicht vom Auf- und Untergang der Sonne bestimmt ist. Piloten und Stewardessen von Flügen nach irgendwo erleben Tage und Nächte im Fluge vergehend. Schlafen im Rhythmus eines durch die Erddrehung bedingten Auf- und Untergehens der Sonne? In diesem Beruf werden Zeit und Geschwindigkeit wohl ganz besonders auf den Kopf gestellt.

Was unser Körper braucht und wie er Stress mit der Zeit verarbeiten kann, das ist schon längst nicht mehr wirklich die Frage, die uns bewegt. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir unterwerfen uns den Erfordernissen und Bedürfnissen einer hektischen modernen und die Mobilität fordernden Welt. Berufe wie das Bäckerhandwerk oder die pflegenden Berufe, die ohne Nachtarbeit nicht zu denken sind, können ein Lied davon singen.

Die moderne Berufswelt, die moderne Welt überhaupt, fordern von uns immer wieder ein Zeitmanagement unseres Lebens ab. Unser Leben, über Jahre geplant wie ein Uhrwerk mit Schule, Stempelkarte, Flugschein oder Krankenhausüberweisung. Versorgung braucht Verlässlichkeit. Das ist eine Binsenweisheit. Wer krank ist, geht davon aus, dass sein Arzt heute wie immer zuverlässig in seiner Praxis anwesend ist und helfen kann. Wer eine Reise machen möchte, geht davon aus, dass Bus, Bahn und Flugzeuge ihre Fahr- und Flugpläne einhalten.

Könnte nun das Fazit sein, dass wir uns in dieser Welt immer alle ganz besonders aufeinander verlassen können müssen? Neben Kompetenz auch auf Pünktlichkeit?  Rigoros verneinen würde ich das nicht… ich vermute, Sie haben es auch genossen, Ihre Zeitung heute früh pünktlich im Postkasten vorzufinden…

 

 

 

 

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 31. Mai 2011

Dieter ist mit seiner Frau Gertrud an der Nordsee unterwegs, denn es gefällt ihnen einfach immer wieder. Das ist nichts Ungewöhnliches für uns Nordlichter. Wir hier im Norden wissen ja, wie schön es im Norden ist! Wenn Dieter unterwegs ist, sendet er auch ab und zu auch eine Nachricht. Da steht dann zum Beispiel mit einem Augenzwinkern: Gerade sei er aufgestanden, um ans Meer zu gehen – aber das Meer war weg. So was aber auch.

Mit diesem Urlaubsproblem  kann ich den Dieter und seine Frau nicht alleine lassen. Wir im Norden sind freundlich und hilfsbereit. Ich sende ihm also ein Gedicht von mir, in dem ich die Schönheiten des Meeres beschreibe, sozusagen als Beschwörungsformel. Ich weiß ja sicher, dass diese Art der Beschwörung wirken wird, regelmäßig, an der Nordsee immer! Wie erwartet, hat es dann auch funktioniert und Dieter schreibt erfreut: „Dein Gedicht hat geholfen. Das Meer ist wieder da!“ Hurra!

Aber Dieters Urlaub ist noch nicht zu Ende. Er überrascht mit weiteren Nachrichten von der Küste. Diesmal sendet er keine Nachricht, er sendet das Bild eines Plakates vor der Eingangstür der Schlachterei seines Urlaubsortes. Dort scheint es sehr merkwürdig zuzugehen. Die Schlachterei bietet an: Pümmelwurst und Wattwürmer, Biker Beißer und Bauernschinken, Feldjäger und andere Spezialitäten.

Das macht mich nachdenklich. Sollte ich Dieter und Gertrud vielleicht doch lieber anbieten, ihren Urlaub abzubrechen, zu uns zu kommen und sie so davor bewahren, im schönen, friedlichen, wunderbaren Norden zu Kannibalen zu werden? Ich warte erst einmal ab – und da kommt die erlösende Information. Dieter schreibt glaubwürdig. „Ich muss nicht alles probieren!“ Recht so. Gott sei Dank! Allerdings sollte ich mich vielleicht einmal davon überzeugen, was sich hier im Norden an manchen Orten so für neue Essgewohnheiten etabliert haben…

Und hier mein “Beschwörungsgedicht” zur Glosse:

Das Meer

 

Weiße Gischt türmt Wasserwände.

Schwung auf Schwung und ohne Ende

wütet, spült es, fließt es leise,

rauscht es stets auf seine Weise.

 

(siehe auf dieser Seite unter “Bücher”: Federpferde. Himmlische Gedichte)

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 30. Mai 2011

Lange habe ich gebraucht, um den Genforschern auf diesem Wege DIE interessante Entdeckung zukommen können zu lassen, aber nun ist es soweit: Der Mensch stammt vom Hamster ab! Das wird einige unter uns erstaunen, denn bislang war Darwin mit seiner Abstammungslehre der Hit. Jetzt aber beginnt eine neue Zeit, die Postaffenzeit! Nur zur Erklärung: Wenn der Wissenschaftler „post“ sagt, meint er nicht, dass er Briefe versendet. Post ist lateinisch und bedeutet so viel wie hinter oder nach.

Wer nach Beweisen fragt, dem werde ich eine Erklärung nicht schuldig bleiben. Der moderne Mensch outet seine diesbezügliche Natur darin, dass er süchtig nach Giveaways ist. Das wiederum kommt aus dem Englischen, schreibt sich eigentlich give away, und meint einfach: etwas weggeben, verschenken.

Wenn der moderne Mensch unterwegs ist, dann sammelt er auf allen möglichen Veranstaltungen diese Giveways ein, egal ob er sie braucht oder nicht. Er sammelt Kugelschreiber, Streichhölzer, Einkaufsbeutel aus Baumwolle oder Leinen, Bonbons, Kekse, Schreibblöcke, Radiergummis, Postkarten – alles eben, was man so schnell in die Tasche stecken kann.

Dann geht der moderne Mensch in seine Höhle, pardon, in seine Wohnung, sein Zuhause und versteckt diese Gegenstände, genauer gesagt: er schafft Plätze für sie. Das können Schubladen, Küchenschränke, Dosen und Töpfchen sein. Manchmal vergisst der moderne Mensch diese Plätze auch und findet sie erst später wieder, wenn er einmal im Jahr Frühjahrsputz macht zum Beispiel. Aber auch dann noch hadert er mit sich selbst, etwas zu entsorgen, was er doch so freudvoll und glücklich mit nach Hause gebracht hatte vor langer Zeit. Er erinnert sich, ist glücklich und froh, betrachtet und versteckt erneut.

Wenn diese weltweit gemachten Beobachtungen kein Beweis dafür sind, dass der Mensch nicht vom Affen, sondern vom Hamster abstammt, dann will ich ab morgen Johanna Renate Darwin heißen. Sie meinen, das könnte nun ein Beweis dafür sein, dass ich dabei bin, Namen zu sammeln? Könnte sein, mehrere hab ich ja schon. Ich hamstere sie sozusagen….

 

 

Von Johanna Renate Wöhlke

Wirtschaftstag 2011 des Wirtschaftsrates der CDU in Berlin – zwischen Visionen und Realismus

Professor Kurt J. Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates

„Deutschland: Motor in Europa – Industrieland mit Zukunft“, unter dieses Motto hatte in diesem Jahr der Wirtschaftsrat der CDU seine Jahrestagung in Berlin gestellt. Im Dorint Hotel Convention Center Berlin waren mehr als 2000 Mitglieder und Gäste versammelt. Professor Kurt J. Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates, empfing die Gäste in seiner Rede auf der Eröffnungsveranstaltung mit einem positiven Votum: „Die deutsche Wirtschaft hat sich in Höchstform aus der Krise zurückgemeldet. Der Arbeitsmarkt zieht an, und Made in Germany ist weltweit erste Wahl. Unsere Nachbarn beneiden uns um die gesunde, breit aufgestellte Wirtschaftsstruktur unseres Landes.“

Bei der Eröffnungsveranstaltung des Wirtschaftstages wirkten außerdem der Notenbankchef Italiens, Prof. Mario Draghi, sowie Prof. Dr. Jürgen Stark, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, und der Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Dr. Jürgen Großmann, mit.

Professor Mario Draghi, Notenbankchef Italien

Mit Mario Draghi sprach der wahrscheinlich nächste Präsident der Europäischen Zentralbank zu den Delegierten und Gästen. In einem wichtigen Punkt zur EU- Schuldenkrise und anderen deckten sich seine Ausführungen mit der Position des Wirtschaftsrates: Hilfeleistungen an Pleiteländer solle es nur geben, wenn deren Sozialleistungen nicht höher sind als die der Geberländer. Eine Dramatisierung gegenüber den angesprochenen Ländern in Südeuropa verbietet sich allerdings nach diesen Ausführungen, denn ihr Anteil an der Wertschöpfung in ganz Europa beträgt nur etwa 6 Prozent.

Jürgen Großmann

Jürgen Großmann sprach mit bekannter Deutlichkeit und Witz über die seiner Meinung nach mit einem schnellen Atomausstieg verbundenen Risiken für die Stromversorgung, insbesondere der Gewährleistung der erforderlichen zuverlässig vorhandenen Grundlastversorgung in einem Land, dessen Industrie ein wichtiger Teil der Infrastruktur des Landes darstelle. Energiepolitik sei immer auch Industriepolitik. Ohne wettbewerbsfähige Energieversorgung sei kein Industriestandort denkbar.

Angela Merkel

Im weiteren Verlauf des Wirtschaftstages trafen auf hochkarätig besetzten Podien Vertreter aus Politik und Wirtschaft aufeinander. Die diskutierten Themen: „Globalisierung nach der Krise: Weltwirtschaft zwischen Währungsdumping und neuem Protektionismus“; „Weltmarktführer oder Protestnation: Industriestandort Deutschland am Scheideweg“; „Innovationsfähigkeit international: Kampf um Rohstoffe, Arbeitsplätze und kluge Köpfe.“

Angela Merkel und Kurt J. Lauk gratulieren Fredrik Reinfeldt (links)

Bundeskanzlerin Angela Merkel  hielt, wie in den vergangenen Jahren, die Hauptrede auf der Abendveranstaltung zum Thema „Soziale Marktwirtschaft: Die europäische Lösung aus der Schulden- und Währungskrise“.  Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt erhielt in diesem Jahr die Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold für seine „stabilitätsorientierte und wirtschaftsfreundliche Reformpolitik…die Schweden gestärkt aus der Krise geführt hat“.

Fredrik Reinfeldt

Reinfeldt erläuterte in seinem anschließenden Vortrag die Grundprinzipien dieser Politik, die er im Kern als ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen des Einzelnen, eingebettet und integriert in eine Gemeinschaft, darlegte.

Eine Form von Demut gelernt

Tuomo Hattaka

Dass sich gerade zu diesem Zeitpunkt während des Tagesverlaufs in den Podien alle Fragen zum Industriestandort immer wieder mit der Energiefrage verknüpften, lag auf der Hand. Auf dem Podium des Panels „Weltmarktführer oder Protestnation: Industriestandort Deutschland am Scheideweg“, stellte der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe AG, Tuomo Hatakka, in bemerkenswerter Klarheit fest: „Man braucht Visionen, aber man braucht auch Realismus.“ Er habe im Verlauf seiner Arbeit im Bereich der Energieversorgung eine Form von Demut gelernt. Die Zusammenhänge der Netze seien hochkomplex. Er schätze die Zeitspanne einer konsequenten Umstellung auf grünen Strom auf 40 bis 50 Jahre, in denen grundlastfähige Energieerzeuger den Markt sicher versorgen könnten. Die enormen Kosten dieser Umstellung müssten kommuniziert werden. Schon heute investiere das Unternehmen 5 bis 8 Milliarden Euro jährlich. Mit einer an der möglichen Praxis nachzuvollziehenden Vision schloss er seine Ausführungen auf dem Podium: „ Solange es noch keine Stromausfälle gibt, ist noch nichts los. Das Problem ist, alle nehmen ganz selbstverständlich an: Der Strom kommt aus der Steckdose.“

Professor Dr. Norbert Winkeljohann

Norbert Winkeljohann, Vorstandssprecher der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers AG,  unterstützte Hatakka  und führte aus, dass Investitionssicherheit in diesem Zusammenhang die wichtige Standortfrage eines Industrielandes sei: „Meine Sorge ist, dass wir gar nicht mehr über Investitionen nachdenken und damit darüber, wie viele Produktivarbeitskräfte wir mittelfristig behalten.“

Dr. Hermann Otto Solms

Hermann Otto Solms (FDP), Vizepräsident des Deutschen Bundestages, betonte, dass solche Umbrüche, wie wir sie gerade im Bereich der Energiepolitik erleben, nötig seien. Man müsse damit leben und reagieren, wenn die Bürger die Kernenergie ablehnten. Allerdings müsse die Politik nicht emotional, sondern rational handeln und eine Politik entwickeln, die sowohl die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit als auch Energieverträglichkeit berücksichtige.

Thomas Richterich, Vorstandsvorsitzender der Nordex SE, die Windkraftanlagen baut, berichtete davon, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der Widerstand der Bevölkerung auch gegen grüne Energieformen wie Windkraftanlagen existiere. „Man muss überall kämpfen.“

Tuomo Hattaka, Thomas Richterich, Michael Fuchs ( von links)

Auch in Amerika gebe es „Fledermäuse“, deren Bedrohung ins Feld geführt werde und den Ausbau dieser Energieerzeugungsart bremse. „Nur in China ginge es wohl schneller“, fügte er hinzu und betonte in diesem Zusammenhang, als wie wichtig er in einer Demokratie den Interessenausgleich ansehe. Intelligente Lösungen für Energieerzeugung, Energieeffizienz und Effizienz der demokratischen Prozesse seien gefragt. „Diese Prozesse müssen unbedingt entwickelt werden“, so Richterich.

Hermann Otto Solms, Hans Helmut Scherrer, Klaus Betz ( von links)

Hans Helmut Schetter, Aufsichtsratsvorsitzender des Immobilienkonzerns Bilfinger Berger Budownictwo S.A., hielt die Einschätzung des Industriestandortes Deutschland auf dem Podium für zu wohlwollend. „Die Großprojektmöglichkeit kommt uns abhanden, siehe Stuttgart 21, und ohne Großprojekte geht es nicht. Da ist mir um die Zukunft bange.“ Klaus Betz, Geschäftsführer der Imtech Deutschland GmbH, betonte die Notwendigkeit, Energie einzusparen durch Entwicklung effizienter Produkte, Anlagen und Bauten. Er setzt auf einen vernünftigen Energiemix.

Dr. Michael Fuchs, Professor Dr. Norbert Winkeljohann (von links)

Der Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand, fragte in  seiner Schlussbemerkung den Saal: „Muss der Eisbär schwimmen lernen?“ und erntete nachdenkliches Schmunzeln. Als Fazit der Diskussionen kann festgehalten werden: Kurzfristige Taktik bindet nicht. Langfristige Konzepte sind gefragt, in die alle eingebunden werden müssen.

Die Position des Wirtschaftsrates dazu: „Es reicht nicht, dass sich Bundesregierung, Bundestag und  Bundesrat auf den Ausstieg und über den Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Kernenergie verständigen. Wir brauchen Verlässlichkeit und Klarheit, wie wir die Energie-Infrastruktur – Speicher, Netze, Kraftwerke – so ausbauen, dass wir die neuen Energien auch rechtzeitig und sicher integrieren können. Eines ist zwingend: Wir können aus den alten Strukturen nicht aussteigen, bevor die neuen stehen. Jeder  nationale Alleingang zerstört den europäischen Binnenmarkt. Importverbote sind ein Schritt in die Isolation. Der Schutz der Bevölkerung kann nur gelingen, wenn wir europaweit aus der Kernenergie aussteigen. 40 von 146 Kernkraftwerken stehen in bis zu 50 Kilometern Entfernung zu unserer Grenze.“

erschienen im Hamburger Abendblatt am 25. Mai 2011

Von Johanna R. Wöhlke

An diesem Abend und immer hat er seinen großen Auftritt: der Mann mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit! Wann ist ein Mann ein Mann mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit? „Richtige“ Männer wissen das genau: Wenn sie Frauen Komplimente machen! Männer, die dieses Mittel der Kommunikation nicht nutzen, haben entweder einen extrem starken Charakter mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein, sind schüchtern, interessieren sich nicht für Frauen oder machen nur der eigenen Frau Komplimente. Auch das soll es geben.

Die in diesem Zusammenhang für uns Frauen wichtige Frage ist aber eine andere. Sie lautet: Meint er es wirklich ernst mit seinen Komplimenten oder redet er nur so daher, die jüngeren Damen benutzen hierfür gerne die Formulierung: Ist er nur ein Schleimer?

Liebe Damen, warum soll es uns da eigentlich anders ergehen als das Ergebnis einer Studie belegt. Sie befasste sich mit Komplimenten im Arbeitsleben und stellte fest: Wer Komplimente macht, kommt immer positiv an – und nun folgt das wirklich Erstaunliche: Er kommt auch dann positiv an, wenn das Kompliment als nicht wirklich ernst gemeint zu erkennen ist.

Im Verhältnis Männer und Frauen bedeutet das dann ja wohl, sagen wir es überspitzt: Der Mensch will betrogen werden, wenn es dem Wohlgefühl dient. Flirten macht das Leben schön! Hier würde ich jetzt gerne zum Ausdruck bringen, dass dieser Satz mit einem Lächeln geschrieben worden ist!

Fazit: Lassen wir uns von Männern und Menschen taktierende Komplimente machen soviel sie wollen. Fischen wir uns das Gute und Positive heraus und verachten wir die Schleimer nicht! Sie bringen Freude in unser Leben – die Freuden der netten, humanen Lüge, verpackt in Komplimenten. Es ist ja nur ein Spiel!

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 12. Mai 2011

Widmen wir uns einem heiklen Thema am Morgen. Widmen wir uns der Frage: War es Zufall oder Schicksal oder gar Bestimmung – was nun war es? Mir gefällt an diesen Begriffen  eines nicht: das Gefühl, eine von außen manipulierte Puppe an den Fäden von etwas zu sein zu sollen, das über mich verfügt, ohne dass ich eine Chance hätte, mich dagegen zu wehren, eigene Entschlüsse zu fassen, ich selbst zu sein, zu lernen, Fehler zu machen, all das.

Praktische Hilfe für diese wirklich schwerwiegende Frage des Lebens brachte gestern der Brötchenkorb auf dem Frühstückstisch. Als erstes war es mein Schicksal, die Brötchen essen zu müssen, die ein anderer für mich eingekauft hatte. Dann hatte ich noch das Pech, mich an den Tisch zu setzen, als einige schon ihr Lieblingsbrötchen ausgewählt hatten. Meine Auswahl war also erheblich eingeschränkt. Das Schicksal wollte es außerdem an diesem Morgen, ja presste mich in die Unabänderlichkeit, dass mein Lieblingsbrötchen schon vergeben war. Da ging nichts mehr. Kein Vorwärts, kein Zurück.

Wenn das Brötchen unserer Wahl nicht mehr frei ist, das ist ein höchst bedauerliches Frühstücksschicksal am Morgen. Was wir gerne hätten, ist nicht mehr da –  noch schlimmer: Es ist nicht mehr da, weil ein anderer es sich einverleibt hat für immer und ewig. Wir müssen etwas Anderes essen als wir gewünscht, erhofft hatten, das unserem Geschmack gar nicht so sehr entspricht. Hier ist Standhaftigkeit gefordert und etwas, das eng im Zusammenhang mit Schicksal gesehen werden muss: sich fügen!

Wenn Sie inzwischen auch angefangen haben zu schmunzeln, ist es recht. Ich möchte es weiter auf den „Schmunzelpunkt“ bringen und fortfahren in meiner Argumentation: Wenn der Mensch nicht will, dass ihm ein Schicksal aufgezwungen wird, muss er sich seine Brötchen entweder selbst backen, selbst einkaufen oder so rechtzeitig am Tisch erscheinen, dass die Auswahl noch groß genug ist. Er könnte auch auf Brötchen verzichten und Brot essen oder vielleicht einfach nur Spiegeleier. Wer das für unwichtige Brötchenphilosophie hält, könnte recht haben. Aber ein Lächeln am Morgen war sie vielleicht wert!

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 9. Mai 2011

Physik ist etwas Wunderbares! Wenn man doch nur immer alles verstände! Das waren nun zwei Ausrufungszeichen und – es waren nicht zwei Ausrufungszeichen zuviel. Ihre Faszination reicht für mich vom Begreifen der Funktionsweise des Motors meines Autos bis hin zur Relativitätstheorie Albert Einsteins. Was ist bei uns von dieser vielschichtigen und komplexen Theorie hängengeblieben? Es ist dieser wunderbare Satz: Es ist doch alles relativ oder: Es kommt immer auf den Standpunkt des Betrachters an.

Wer hätte diese Erfahrung im Leben noch nicht gemacht? Wer hat also noch nie eine unmittelbare Begegnung mit der Relativität gehabt? Keiner. Sie begegnet uns überall. Natürlich hatte Einstein recht. Seine Relativitätstheorie reicht sogar bis zum Einkauf der Brötchen am Morgen in der wunderbar duftenden Bäckerei. Wie das?

Der junge Mann kauft seine Brötchen heute gegen zehn Uhr am Vormittag ein, für ihn immer noch Frühstückszeit. Er wählt aus – Tigerbrötchen wie fast immer – und man kommt ins Gespräch. „Heute aber spät unterwegs“, meint die Verkäuferin. Sie kennt diesen Kunden. Der junge Mann schaut zur Uhr und meint: „Spät? Es ist doch erst 10 Uhr! Da kann von spät noch keine Rede sein!“

Die Verkäuferinnen hinter dem Tresen schauen sich lachend an. Dann meint eine: „Na ja, es ist eben alles relativ. Kommt darauf an, wann man aufgestanden ist.“ Wir müssen nicht Albert Einstein bemühen. Wir verstehen auch so. Was ist früh? Was ist spät? Natürlich: Es kommt immer auf den Standpunkt des Betrachters an. Albert Einstein und das nachts backende Bäckereihandwerk -  die beiden passen zusammen! Man könnte allerdings auch schmunzelnd reimen:  Frische Brötchen hinterm Tresen – sind nie relativ gewesen…

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 3. Mai 2011

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Die Leistung lässt uns nicht los. Wehe, wir leisten nicht, dann ist was los. Ich habe nichts gegen Leistung, im Gegenteil. Ich erbringe sie gerne und wenn es geht auf hohem Niveau, aber muss es denn immer und in jedem Augenblick meines Lebens sein?

Ich lerne. Ich lerne in jedem Augenblick. Ja, es muss in jedem Augenblick meines Lebens sein! Zum Beispiel auch dort, wo ich es gar nicht vermute: in meinem Haushalt. Was kann ich da nicht alles leisten!

Die neue Disziplin heißt Energiesparen. Ich habe das als Aufforderung zur Faulheit aufgefasst und meinem Mann das mitgeteilt. Schließlich spare ich die meiste Energie, wenn ich gar nichts tue. In diesem Moment habe ich meinen Mann endlich einmal sprachlos erlebt. Dann fasste er sich wieder und meinte, diese Aufforderung bezöge sich dann wohl auch auf ihn. Da müssten wir wohl beide Energie einsparen.

Gut. Wir setzten uns hin und sparten Energie dadurch, dass wir nichts taten. Wir stellten die Heizung ab und holten uns die Wolldecken. Wir tranken den Tee kalt. Der Weißwein kam warm auf den Tisch und auf gekochte Eier kann man auch mal verzichten beim Abendbrot. Auch unsere Gespräche stellten wir ein. Das verbraucht gemeinsam mit Denken einfach zu viel Energie.

Mein Mann stellte den Fernsehapparat an. Oh, nein, so geht das nicht. Ausschalten, das spart Energie. Mein Mann meinte – das Radio aber vielleicht wegen Nachrichten? Oh nein, war meine konsequente Antwort, das verbraucht zu viel Energie. Und die Lampen wegen etwas Helligkeit? Auch das geht nicht. Das verbraucht zu viel Energie. So saßen wir da im Dunkeln und sparten Energie. Schließlich meinte mein Mann, wenn gar nichts mehr ginge, vielleicht wäre dann Liebe möglich?

Da hatte er aber die Rechnung ohne mich gemacht! Wenn ich Energie spare, dann konsequent!