Archive for September, 2011


Wer könnte das Wiener Naturhistorische Museum besser beschreiben als die Texter auf der Museumsseite im Internet unter http://www.nhm-wien.ac.at/museum: „Das Wiener Naturhistorische Museum ist eines der bedeutenden naturwissenschaftlichen Museen der Welt. Seine frühesten Sammlungen sind über 250 Jahre alt. Heute werden 25 Millionen Objekte wissenschaftlich betreut.

Ein prächtiger Palast der Naturwissenschaft beherbergt seit 1889 diese ständig wachsenden Sammlungen. Das Zusammenspiel von Gebäude, Figuren- und Gemäldeschmuck, von Mobiliar und kostbaren Ausstellungsstücken ist weitgehend im Originalzustand erhalten und macht so das Museum als Museum des Museums auch zu einer kulturhistorischen Kostbarkeit, wie sie heute schon Ausnahme ist.

Berühmte und unersetzbare Exponate, etwa die 25.000 Jahre alte Venus von Willendorf, die vor über 200 Jahren ausgestorbene Stellersche Seekuh, riesige Saurierskelette und vieles mehr zählen zu den Höhepunkten eines Rundganges durch 39 weiträumige Schausäle. Zeitgenössische Präsentation mittels moderner Ausstellungstechnik lässt sich auch ohne Zerstörung historischer Strukturen verwirklichen. Das Naturhistorische Museum zeigt es und wurde dadurch zu einem der 10 besten Museen der Welt gewählt.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier liegen und schweben selbst die Engelchen inmitten perfekter Stuckarrangements an Wänden und Bögen in den Armen von Krokodilen und Schmetterlingen, Fröschen und urzeitlichem Getier jeder Art. Am Burgring 7 in Wien geht es lebendig zu, auch wenn das ausgestopfte Getier nicht zu übersehen ist. Man muss es nur mit lebendigen Augen wahrnehmen.

Der prächtige Palast hielt schon vor einigen Jahren, was er versprach: Faszination, Faszination pur. Als wir damals mit zwei kleinen Kindern in diesen heiligen Hallen unterwegs waren, meinte die Zeit es nicht so gut mit mir. Kleine Kinder und Museen? Das bedeutete immer geteilte Aufmerksamkeit für das Museum. Schließlich darf nicht alles angefasst werden, auch wenn es noch so verlockend da steht und danach verlangt.

Bis heute scheinen die Meteoriten der überwältigenden Mineraliensammlung, gleich rechts die Treppe hoch, beginnend mit Saal 5, in der Phantasie ein Eigenleben zu entwickeln. Besonders wenn man den fast versteckt in einer Vitrine als Computersimulation gezeigten Film über die Wirkungen beim Einschlag eines Meteoriten auf die Erde erleben kann. Schließlich kam man mit dem Flugzeug hierher. Könnte nicht vielleicht eines von diesen Steinchen – es würde schon ein kleines ausreichen, von den größeren ganz zu schweigen…könnte also nicht ein kleines von diesen Steinchen vielleicht auch eine besondere Begegnung mit einem Flugzeug haben, in der Luft, beim Fliegen… Ich spüre: Auch die Phantasie des Menschen scheint ein naturhistorisches Phänomen zu sein. Sie bleibt, beharrlich, und lässt sich nicht verleugnen.

An diesem Tag ist Zeit und Muße, diese Gedanken irgendwann bei einem kühlen Almdudler im Restaurant des Museums zu verdrängen und zu vergessen. Die kleinen Kinder sind groß und nicht dabei. Langsam und fast genüsslich führte mich der Weg vorbei an tausenden von Mineralien in ihren kristallinen Ausprägungen, deren Glanz, Schönheit und Pracht in ihrer Farb- und Formenvielfalt überwältigend ist. Ausruhen vom Schauen –  aber schon wieder ist Schauen angesagt. Die alte Pracht des Gebäudes zieht in ihren Bann.

Auf den zierlichen braunen Holzstühlen mit den gepolsterten roten Kissen sitzt es sich bequem. Ein schönes Haus, bestätigt der Kellner auf meine Ansprache hin, aber leider ändere das auch nichts daran, dass er arbeiten müsse. Ein schöner Arbeitsplatz entgegne ich. Ja, ein schöner Arbeitsplatz, ist die Antwort.

Zu bedienen sind viele. Der Almdudler schmeckt. Dann nehme ich ihn wahr, den kleinen Holzstuhl in der Ecke, zur Seite geschoben, geradezu eingepasst in die Ecke zwischen zwei riesigen Säulen. Ich erinnere mich an meine Kinder und den ersten Besuch hier vor vielen Jahren. Den Stuhl erinnere ich nicht. Ein kleiner Kinderstuhl in einem riesigen Museum voller alter, vergangener Zeugnisse des Lebens auf der Erde. Warum zieht er mich so in seinen Bann?

Ist er nicht ein Symbol und eine Metapher für das Leben? Ohne Kinder und Kinderstühle wäre das alles hier nichts. Sind diese Gedanken nicht weit hergeholt, kitschig gar? Mag sein, aber das spielt in diesem Augenblick keine Rolle. Dort steht ein kleiner Kinderstuhl, und er symbolisiert das Leben, für das all dies hier gemacht worden ist. Naturhistorisch, naturhistorisch im besten Sinne. Lebendig, lebendig im besten Sinne.

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 27. September 2011

Was elektrisiert einen richtigen Mann? Wer bei dieser Frage an Erotik denkt, kennt mich nicht. Das  ist mir langweilig, wenn es um ernsthafte Fragen geht – und hier geht es um ernsthafte Fragen, natürlich! Also: Was elektrisiert einen richtigen Mann?

Schweigen? Ich gebe zu, es war eine etwas provozierende Frage, auf die ich nicht sofort eine Antwort erwarten kann. Heute habe ich zwar eine von einer Freundin bekommen, aber auch die war einigermaßen unzureichend. Sie berichtete davon, dass ihr Mann eine Art Elektroschocktherapie in abgemildeter Form erhalte. Die soll dazu beitragen, dass er wieder nervlich auf die Beine kommt.

Die medizinischen Methoden entsprechen eben immer den modernen technischen Möglichkeiten. Wenn also elektrisieren im Sinne von stimulieren eine medizinische Methode sein soll, dann bitteschön! Wenn es hilft, dann bitteschön! Wenn es dazu beiträgt, dass dieser Mensch und Mann wieder auf die Beine kommt, dann bitteschön!

Allerdings gibt es auf die Frage, was einen richtigen Mann elektrisiere, noch andere Antworten. Die liegen ganz eindeutig im sportlichen Bereich. Der richtige Mann nämlich interessiert sich für Sport, nicht immer für richtigen Sport. Es darf auch Fernsehsportsein, ruhiger, bequemer und unterhaltsamer Fernsehsport!

Wenn ich es also genau bedenke, dann lautet die Antwort auf die Frage: Was elektrisiert einen richtigen Mann?: Sport in allen Formen –  im Fernsehen und in der Arena. Ist dann ein Mann, der sich nicht für Sport interessiert, ein halber Mann, ein Viertelmann, ein Dreiviertelmann – ein Achtelmann gar? Fragen über Fragen, die ich alle nicht beantworten kann.

Ich merke, dass ich mir zu Anfang eine zu schwere Frage gestellt habe, und gebe auf. Soll antworten, wer will, ich nicht. Ich lasse einfach mal ein überaus sympathisches Exemplar Mann zu Worte kommen: „Ich interessiere mich nicht für Sport. Ich bin nur ein halber Mann!“ Ein Mann, der fähig und in der Lage ist, sich selbst als „halb“ zu bezeichnen? Das kann nur ein ganzer Mann sein! Ganz schön elektrisierend.

 

 

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 23. September 2011

Zurzeit ist das Glück in aller Munde. Eigentlich ist das Glück ja immer in aller Munde, zurzeit aber wie gesagt ganz besonders. Da trifft es sich gut, mit einem praktischen Beispiel aus dem Alltag aufwarten zu können, das einen klaren Blick darauf wirft, wann der Mensch wirklich glücklich ist. In diesem Fall ist der Mensch männlich und heißt Rolf.

Das mit dem Glück ging bei Rolf so: Er hatte sich entschlossen, im Garten zu arbeiten. Die Hecke musste geschnitten werden. Also war es kein freier Entschluss, sondern eher einer von denen, zu denen man gezwungen wird, man könnte auch verpflichtet wird sagen. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die Spinnen auftreten. In ihrem Netz bilden sie ein nicht sehr angenehmes Gegenüber und werden mit einem weit ausholenden Rundumschlag mit Hand und Arm entfernt. Dabei aber rutscht die Brille von der Nase und macht Rolf von einer Sekunde zur anderen fast blind.

Unser Gartenarbeiter muss also schweren Herzens aufgeben, die Hecke zu schneiden. Jetzt ist erst einmal Brille suchen angesagt. Aber die Brille will nicht so, wie Rolf gerne möchte. Eigentlich müsste sie vor seinen Beinen liegen, aber er findet sie nicht. Auch die herbeigerufene Ehefrau findet sie nicht. „Ich finde die Brille nicht ohne Brille!“, ist der verzweifelte Ausruf des gartenarbeitswilligen Mannes.

Beide suchen nun die Brille. Die Brille bleibt verschwunden.  Hatte ich überhaupt eine Brille auf? fragt Rolf sich verzweifelt und wird immer unglücklicher. Er zweifelt an sich selbst. Er vertagt. Er vertagt auf den nächsten Tag.

Der nächste Tag bringt die erhoffte Wende. Das Ehepaar geht noch einmal Hand in Hand an den Ort des Geschehens und siehe da: Die Brille liegt im wuchernden Immergrün am Boden vor ihnen. Wo war sie gestern? Wie kommt sie wieder hierher? Rolf ist wieder glücklich und fragt nicht viel, Hauptsache, er kann wieder sehen und spart sich den Weg zum Optiker.

Was sagt uns dieses Beispiel? Das Glück ist ungerecht. Es ist nie für alle gleich zu haben. Mal beglückt es den Brille verlierenden Gartenarbeiter und mal den Optiker. Fälle, in denen der Brille verlierende Gartenarbeiter auch gleichzeitig Optiker ist, scheinen selten zu sein…

erschienen im Hamburger Abendblatt am 21. September 2011

Wenn der Mensch verliebt ist, neigt er dazu, ins Kindliche abzugleiten. Das ist normal. Zum Beispiel füttern sich verliebte Paare gegenseitig, wie Mütter ihre Kinder füttern. „Ich füttere Dich“, das bedeutet so viel wie: „Ich sorge mich um Dich, ich will Dir etwas Gutes tun. Du bist mir wichtig.“ Beim nächsten Restaurantbesuch einfach mal darauf achten. Diese Paare sind immer jung verliebt!

Aber es ist nicht nur diese archaische Form der Sorge, die Verliebte auszeichnet. Sie geben sich auch recht eigenartige Namen. Erinnern Sie sich oder sind Sie gerade in der Phase des Namengebens für eine geliebte und angehimmelte Person? Welche Vielfalt an Namen ist uns allen schon begegnet, „Schatz“ ist dabei noch die harmlose Form. „Liebling“ könnte auch weit verbreitet sein. Ich erinnere auch, „Bärchen“ gehört zu haben oder  „Zuckerschnute“, „Kleines“, „Püppchen“, „Karlinchen“, „Mausezahn“, „Teufelchen“, „Rosenblättchen“ – sogar „Mistkäfer“, alles dies mehr oder weniger männlich oder weiblich wirkende Kosenamen.

Nun kommen Liebespaare ja manchmal auch in die Jahre miteinander und dann ist das nicht mehr so dringend mit dem archaischen Füttern bei Tisch und im Restaurant. Es könnte sein, das hat sich dann auf die Kinderlein verschoben und der gemeinsame Alltag erfordert „Fütterungen“ anderer Art, wie das Leben halt so spielt. Schön ist es aber, wenn dann immer noch das eine oder andere Mal so etwas wie ein Kosenamen auftaucht, über den man schmunzeln kann.

Dieses Erlebnis hatte ich neulich. Ich werde es nicht vergessen. In angeregt plaudernder Runde saßen wir zusammen. Da stand ein älterer Herr auf, erklärte dass er nun gehen müsse. Er sagte allerdings nicht einfach so, dass er gehen müsse. Er sagte: „So, nun wird es Zeit, wieder zu meiner Leidensfähigen nach Hause zu fahren.“ Dabei lächelte er verschmitzt. „Sie leidet unter Dir?“, war die Frage. Die Antwort war wieder ein verschmitztes Lächeln. Ist es nicht wunderbar, dass es immer wieder so einfühlsame Männer gibt!

 

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 19. September 2011

Was wäre der Mensch ohne Käse? Er wäre ein Nichts -  nun ja, nicht ganz. Zumindest aber wäre er total käselos, man könnte auch sagen käsefrei und – wer von uns möchte schon käselos und käsefrei sein!

Der wichtigste Griff an einem gemütlichen Abend – noch vor dem Knie einer schönen Frau – ist der Griff zum Käse, wenn der Rotwein dabei nicht fehlt. Das hörte ich neulich aus männlichem Mund. Ist ohne Käse alles nur halb so schön? Dieser Vertreter des männlichen Geschlechtes scheint das zu glauben. Gut für den Käse, traurig für die Frauen…

Wenn wir weiter über die wundersamen Wirkungen und Freuden von Käse sinnieren, dann kann aber auch eines nicht unerwähnt bleiben: Wie die zwei Seiten einer Medaille gut und böse sind, so ist es auch beim Käse. Wir lieben und entbehren ihn und nennen ihn doch gleichzeitig in Zusammenhang mit etwas Schlechtem, das uns widerfährt oder es einfach nur ist. Wir sagen: So ein Käse! Jeder weiß, was damit gemeint ist.

Dinge, die wir oder andere tun, können so geraten, dass wir sie als Käse bezeichnen, sie können, sie können immer! Deshalb zum Beispiel wird es auch nicht mehr lange dauern, und man wird von digitalem Käse reden. Dieser Begriff wird in den Duden und die Wörterbücher der Welt eingehen. Diese moderne Erscheinungsform könnte man im Zuge der modernen gebräuchlichen Abkürzungsmode dann mit „dk“ abkürzen. Achtung also: Wenn Ihnen demnächst unter einer email oder einer Mitteilung über facebook das Kürzel „dk“ begegnet, dann haben Sie digitalen Käse geschrieben!

Wenn ich ein Käse wäre und eine Seele hätte, stürzte mich das in arge Nöte. Wahrscheinlich wäre der nächste Weg der zu einem Käsepsychologen und der Bitte, mich zu beraten. Wenn der dann vorschlüge, das bei einem Glas Rotwein zu tun, wäre wahrscheinlich schnell alles wieder in Ordnung und auch die Käseseele wieder gesund. Die Welt ist, wie sie ist. Käse jeder Art ist immer gut mit viel Rotwein zu verdauen!

 

Hans-Peter Kurr spielt Korczak

Lieber Hans-Peter!

Es sei mir gestattet, in diesem Fall einmal das ganz Andere zu versuchen, um der Premiere eines Theaterstückes gerecht zu werden, schließlich spielte ein Freund die Titelrolle. Umstände und Inhalte, liebe Leser und Leserinnen, mögen Sie diesem Artikel auf der DAP- Seite entnehmen:

http://die-auswaertige-presse.de/2011/09/keine-rezension-oder-doch-zur-premiere-von-korczak-und-die-kinder-in-hamburg/

Den jüdischen Arzt, lieber Hans-Peter, den hast Du an diesem Abend nicht gespielt. Du warst Dr. Januz Korczak, der jüdische Arzt Januz Korczak, der gemeinsam mit zweihundert Kindern aus einem Waisenhaus in Warschau im KZ Treblinka in den Tod ging. Es könnte sogar sein, dass ich ihn nie mehr von Dir werde trennen können, wenn wir uns begegnen – und das ist ja nicht so sehr selten der Fall.

Als junge Frau mit Interesse an Geschichte und Politik, die dann schließlich Politische Wissenschaften studierte, weil sie dachte, dadurch könne sie erfahren „was die Welt im Innersten zusammenhält“, habe ich mich eingehend mit dem Dritten Reich beschäftigt. Das war nicht nur in meiner Schule und im Studium möglich, das war mir auch ein persönliches Anliegen. Aber lesen alleine, das genügte nicht. Der Besuch einiger Konzentrationslager und Gespräche mit ehemaligen Inhaftierten bis heute im engeren Umkreis brachten Klarheit, echte Klarheit. Diesen Teil der deutschen Geschichte in seiner Grausamkeit zu erfassen, ist aber auch dadurch nicht möglich. Es ist wahrscheinlich nie möglich.

Schon damals, ich bin 1950 geboren, waren wir natürlich keine Zeitzeugen mehr und auf das Erzählen angewiesen, das Erzählen und das schauende Erleben im entsetzen Nachvollziehen zum Beispiel auch bei einem Besuch in Auschwitz. Seit ich dort war, habe ich nie mehr ein KZ betreten. Ich erinnere, dass mir schlecht wurde und ich die Bilder und Beklemmungen lange Jahre nicht los wurde: ein Haufen von Brillen, Gebisse, Goldzähne… Die ewigen Fragen blieben. Antworten kamen viele und führten doch nicht zu dem Ergebnis, eine sichere Hoffnung darauf aufbauen zu können, dass so etwas nie wieder würde geschehen können.

Die Gespräche innerhalb der Familie und mit Freunden fanden immer dort ein Ende, wo jemand leicht und auf die leichte Schulter nehmend Worte sagte wie: „Kann alles nicht so schlimm gewesen sein. Wir haben davon nie etwas erfahren!“ oder „ Hitlers gab und gibt es viele auf der Welt.“ Es fanden nicht nur Gespräche ein Ende. In diesem Fall fanden auch Beziehungen ein Ende. Es gibt Grenzen im Denken, die zu überschreiten es nicht mehr möglich macht, mit dem Gegenüber freundschaftlich zu kommunizieren. Wenn es nicht möglich war, Beziehungen zu beenden, weil sie im engsten Familienkreis angesiedelt waren, dann blieb nur die innere Emigration, eine beklemmende Lebenserfahrung.

Als ich, lieber Hans-Peter, in Eurer Aufführung saß, die von allen Beteiligten so wunderbar auf der Bühne, die ja auch ein Altarraum war, ins Leben und Wahrnehmen getragen worden ist, da wurden diese alten Bilder wieder lebendig. Weinen? Ja, ich habe geweint. Keine Möglichkeit, das zu verhindern, auch wenn am Ende das Lächeln und der Applaus zurück in die „normale“ Welt geführt haben. Ihr habt mit wenigen, mit spartanischen Mitteln in der Ausstattung, aber dafür mit umso stärkeren Mitteln im Spiel und in der dadurch hergestellten Dichte die Emotionen geweckt, ohne die keiner angesichts einer solch grausamen Lebensgeschichte bleiben kann.

Was will ich mit diesen persönlichen Worten sagen? Es ist das Weinen, das uns beim Verstehen von Geschichte oftmals fehlt. Es ist das Empfinden können, das echte Wahrnehmen von Schmerz und Leid der anderen. Wir sind immer nur Nachvollziehende mit dem Kopf und wenn wir Mitgefühl haben, dann bleibt auch das an der Schale haften und kann nicht wirklich in den Kern vordringen. Im Grunde können wir nichts wirklich verstehen, weil dieses Grauen der NS Zeit so unvorstellbar groß ist, dass es jede menschliche Vorstellungskraft sprengt.

Deshalb ist es so wichtig, dass Ihr Schauspieler auf der Bühne agiert und uns als Menschen begegnet, die im Ansatz so etwas wie Empathie wachrufen können. Deshalb ist es wichtig, dass Ihr an die Schulen geht, und den Jugendlichen von heute eine Ahnung dessen vermittelt, dass dieser Teil der deutschen Geschichte nicht vergessen werden darf. Kein Mensch von heute trägt irgendeine Schuld. Aber alle miteinander stehen wir in der Geschichte unseres Landes und Volkes und sind ein Teil davon für immer.

In diesem Fall also zolle ich Euch Schauspielern auf der Bühne den Respekt, sich in einem langen Prozess des Textlernens und Probens immer wieder und wieder emotional auf diese Geschichte und diese Gedanken einzulassen. Danke dafür! Ich könnte es nicht. Ich wünsche den Zuhörern und Zuschauern Eurer wunderbaren Produktion Tränen.

Deine Johanna

 

Im Rahmen der Kulturtage Süderelbe haben mich Tanja Jaffal und Martina Hahn eingeladen, bei ihnen im FalkHus zu lesen. Das freut mich sehr und gerne habe ich die Einladung angenommen.

Unter dem Motto:

“Heiterkeit und Fröhlichkeit, ihr Götter dieses Lebens!”

werde ich aus meinen Büchern und Texten lesen UND erzählen!

wann: Mittwoch, 25. Oktober 2011 um 18 Uhr

wo: FalkHus, Heidrand 5, 21149 Hamburg

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 14. September 2011

Wir sind alle lernfähig, hoffentlich! Lernen macht nämlich Spaß! Diese beiden Ausrufungszeichen zeigen schon ganz deutlich – nun  muss etwas kommen, das mich in Sachen lernfähig tief beeindruckt hat. Ja, das hat es auch – und das ganz plötzlich und unerwartet und ganz ohne mein eigenes Zutun.

Das ging so: In gemütlicher Runde saßen wir zusammen. Vor uns die weite grüne und bäuerliche Wiese, hinter uns das wunderschöne Fachwerkhaus mit einem großen, liebevoll angelegten Bauerngarten. Eine Ansicht und eine Aussicht wie im Bilderbuch. Aber da waren auch noch das Bier, der Wein und das Wasser auf dem Tisch. Sommerlich war es – ja, die Sonne schien – und fröhlich und heiter war deshalb auch die Stimmung.

Auch der Bürgermeister des Ortes saß mit am Tisch und er war in Hochform. Was konnte er über sein Dorf nicht alles erzählen! Schrieb ich Dorf? Als Dorf bezeichnet man ja laut Wikipedia Enzyklopädie „eine zumeist kleine von Menschen bewohnte Gruppensiedlung mit geringer Arbeitsteilung, die ursprünglich durch eine landwirtschaftlich geprägte Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur gekennzeichnet ist.“

„Mein“ Bürgermeister ist aber nicht von gestern. Er ist einer von heute und hat noch sehr viel mehr als Wikipedia dazu beizutragen, das moderne Dorf zu charakterisieren. Er beeindruckt mich wirklich nachhaltig an diesem Tag und sorgt für den unterhaltsamen“ running gag“ des Tages, denn er sagt: „Wir sind nicht nur ein Dorf, wir sind ein Wohnort in ländlicher Umgebung geworden.“

Ja, es ist wohl so. Es gibt keine „reinen“ Dörfer mehr. Es gibt zunehmend Wohnorte in ländlicher Umgebung: Auf das Land gezogene Städter mit schön ausgebauten Resthöfen erhoffen sich ländliche Ruhe und Idylle, die es dort auch gibt. Sie erleben aber gleichzeitig, dass Kühe stinken bevor man frische Milch genießen kann, Trecker laut sind, Hühner gackern, Hähne krähen und Landwirtschaft insgesamt nicht steril zu haben ist. Einer der Konflikte, zu denen das Wohnen in ländlicher Umgebung nun mal führen kann. Aber: Wir sind ja alle lernfähig – in ländlicher Umgebung…

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 12. September 2011

Bundesverdienstkreuz für Baustoffunternehmer Heiko Dallmann. Ein Unternehmer mit Herz!

Bärbel und Heiko Dallmann

Nicht nur an diesem Tag fühlte er sich ausgezeichnet: der Unternehmer Heiko Dallmann aus Sauensiek (Niedersachsen). Er fühlte sich ausgezeichnet und er wurde ausgezeichnet: Landrat Michael Roesberg steckte ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an sein Anzugjacket und verlas die Urkunde im Auftrag des Bundespräsidenten. Über einhundert Gäste hatten sich eingefunden, um dem Chef der Heinrich Dallmann GmbH&Co.KG, die Kies, Sand und Mörtel in den Werken Goldbeck und Agathenburg produziert, die Ehre zu geben.

 

Schon die Feier auf dem “Beekhoff“  in Beckdorf machte es klar: Hier wird ein Unternehmer geehrt, der nicht nur unternehmerisch erfolgreich ist, sondern sich auch ehrenamtlich engagiert. Denn Bürgermeister Siegfried Stresow von „Die Kranzbinder Beckdorf e.V., Verein zur Förderung von Brauchtum und Kultur“ in Beckdorf, hatte Ort und Räumlichkeiten des Beekhoffs gerne für diese Feier zur Verfügung gestellt – ein nur von ehrenamtlichen geschaffener und gepflegter Landschafts- und Gebäudekomplex auf 25 000 Quadratmetern in Beckdorf.

Landrat Michael Roesberg überreichte die Auszeichnung

 

Außerdem waren Freunde und Begleiter des Lions Club aus Nah und Fern angereist, um ihm die Ehre zu geben. Denn auch bei den Lions ist Heiko Dallmann aktiv. Dort hat er als Beauftragter für internationale Beziehungen Ost schon Anerkennung und Auszeichnungen erhalten, so die höchste von Lions International, den „Ambassador of Good Will“.

 

Heiko Dallmann - mit beiden Beinen immer auf festem Grund

Heiko Dallmann, ein Unternehmer also, der mit beiden Beinen auf der Erde steht? Wohl im wahrsten Sinne des Wortes. Allerdings müsste diese Erde dann noch etwas näher bestimmt werden: Sand, Grubenkies, Kiesel, Füllsand,  Unterbettungssand, Mineralgemisch, Feinstsand und darauf aufbauend Vormörtel und Putzmörtel – das sind die „Erden“ des Heiko Dallmann.

 

Wer einmal mit ihm durch seine Kiesgruben und die Produktionsanlagen im Landkreis gefahren ist, der weiß: Er betreibt sein Unternehmen mit Freude, ist aber gleichzeitig sehr engagiert dabei, die Abgrabungsstätten nach Gewinnung der Rohstoffe wieder vollständig der Natur zurückzugeben. Dieser Ansatz seiner Unternehmensführung wurde auch besonders noch einmal von Landrat Michael Roesberg gewürdigt. Dallmann setze sich für die Entwicklung von Techniken umweltschonender Gewinnungsmöglichkeiten für Kies und Sand ein sowie für umweltgerechte Wiederherrichtung der Abbaugeländeflächen. Ebenso, so Roesberg, fördere er die Produktion von Recycling-Materialien: „Sein Ziel ist es, einerseits Primärrohstoffe einzusparen und andererseits Deponieraum zu schonen.“ Diese Bemühungen haben in den Fachverbänden und auch in der europäischen Normung von Recycling-Baustoffen als Primärrohstoff Früchte getragen.

 

 Ein Abgrabungsstätte im Landkreis, im Volksmund auch Kieskuhle genannt...

Seit ihn der Vater und Firmengründer Heinrich Dallmann 1969 in die Geschäftsführung integriert hatte, übernahm er nach dessen Tod 1998 die alleinige Geschäftsführung. Seine unternehmerischen Stationen lesen sich wie das Who in Who der deutschen Mörtelindustrie bis zum seit 2004 stellvertretenden Vorsitzenden des Wirtschaftsverbandes der Baustoffindustrie Nord-West e.V. ( WVB) und dessen Fachgruppe Gesteinskörnungen.

 

Sein unternehmerisches „Credo“ fasste Dallmann in vier Begriffen zusammen: starker Wille, positives Denken, Ideen und Teamarbeit. Einer, der im Landkreis verwurzelt ist, hat mit dieser Ehrung die Anerkennung erfahren, zu der ihm Mitarbeiter und alle Begleiter nur herzlich gratulierten. Aber Dallmann wäre nicht Dallmann, wenn er nicht in seiner Dankesrede ganz besonders und zum Schluss seiner Frau Bärbel als maßgeblich dafür gedankt hätte, diesen Weg gegangen sein zu können.

 

 

Fotos: Johanna R. Wöhlke

erschienen im Hamburger Abendblatt am 2. September 2011

Jetzt bin ich mir nicht mehr so ganz sicher, ob ich in das Klagelied über den verregneten Sommer weiterhin mit einstimmen sollte. Es gab da nämlich ein Gespräch. Das war ein Gespräch mit einem lieben und männlichen Kollegen, dem ich bislang so ohne weiteres nicht zugetraut hätte, ein gefühlsschwangeres Wort in den Mund zu nehmen – dieses Wort lautet Sehnsucht!

Ja, er bekannte sich, Sehnsucht zu verspüren. Es geschah wie gesagt im Zusammenhang mit einem Gespräch über den verregneten Sommer. Das hätte mich stutzig machen sollen, ich weiß. Denn er sprach nicht von Sehnsucht nach der Sonne, nach der Liebe, nach all so schönen Dingen – er sprach von der Sehnsucht, nun doch endlich einmal den Rasen mähen zu können! Sie haben richtig gelesen: Ein Mann redet von der Sehnsucht danach, endlich wieder einmal seinen Rasen mähen zu können.

So weit hat es der verregnete Sommer gebracht. Er bringt unsere Männer zum sehnsuchtsvollen Träumen danach, ihren Pflichten in Sachen Gartenarbeit nachkommen zu können. Sonst – ich erinnere mich – haben sie das eher von sich gewiesen und nicht mit Hochstimmung und Sehnsucht reagiert, wenn es darum ging, dem heimischen Rasen ein stets schön rasiertes Äußeres zu gewährleisten.

Frauen, wollen wir ein Fazit ziehen? Wollen wir in ein Loblied auf den verregneten Sommer ausbrechen und uns über diese neuen Gefühlsausbrüche unserer Männer freuen? Sie meinen, es sei nur einer gewesen, das gelte nicht für alle? Na ja, irgendwie sind sie doch alle gleich…