Tag Archive: Digitalisierung


erschienen im Hamburger Abendblatt am 19. September 2011

Was wäre der Mensch ohne Käse? Er wäre ein Nichts -  nun ja, nicht ganz. Zumindest aber wäre er total käselos, man könnte auch sagen käsefrei und – wer von uns möchte schon käselos und käsefrei sein!

Der wichtigste Griff an einem gemütlichen Abend – noch vor dem Knie einer schönen Frau – ist der Griff zum Käse, wenn der Rotwein dabei nicht fehlt. Das hörte ich neulich aus männlichem Mund. Ist ohne Käse alles nur halb so schön? Dieser Vertreter des männlichen Geschlechtes scheint das zu glauben. Gut für den Käse, traurig für die Frauen…

Wenn wir weiter über die wundersamen Wirkungen und Freuden von Käse sinnieren, dann kann aber auch eines nicht unerwähnt bleiben: Wie die zwei Seiten einer Medaille gut und böse sind, so ist es auch beim Käse. Wir lieben und entbehren ihn und nennen ihn doch gleichzeitig in Zusammenhang mit etwas Schlechtem, das uns widerfährt oder es einfach nur ist. Wir sagen: So ein Käse! Jeder weiß, was damit gemeint ist.

Dinge, die wir oder andere tun, können so geraten, dass wir sie als Käse bezeichnen, sie können, sie können immer! Deshalb zum Beispiel wird es auch nicht mehr lange dauern, und man wird von digitalem Käse reden. Dieser Begriff wird in den Duden und die Wörterbücher der Welt eingehen. Diese moderne Erscheinungsform könnte man im Zuge der modernen gebräuchlichen Abkürzungsmode dann mit „dk“ abkürzen. Achtung also: Wenn Ihnen demnächst unter einer email oder einer Mitteilung über facebook das Kürzel „dk“ begegnet, dann haben Sie digitalen Käse geschrieben!

Wenn ich ein Käse wäre und eine Seele hätte, stürzte mich das in arge Nöte. Wahrscheinlich wäre der nächste Weg der zu einem Käsepsychologen und der Bitte, mich zu beraten. Wenn der dann vorschlüge, das bei einem Glas Rotwein zu tun, wäre wahrscheinlich schnell alles wieder in Ordnung und auch die Käseseele wieder gesund. Die Welt ist, wie sie ist. Käse jeder Art ist immer gut mit viel Rotwein zu verdauen!

 

erschienen im Hamburger Abendblatt am 13. August 2011

Es gibt viel zu loben in dieser Welt. Es gibt viel zu kritisieren in dieser Welt, immer wieder. Das ist keine Frage. Wo fangen wir an, wo hören wir auf! Versuchen wir mal die Quadratur des Kreises und verbinden Lob mit Kritik! Das geht nicht, meinen Sie? Aber natürlich geht das, das geht sogar perfekt!

Da ist zum Beispiel die Frau, die gerade auf ihren Bus wartet. Er ist verspätet und – das kann sie an einem digitalen Schild an der Bushaltestelle ablesen. Es sind genau 11 Minuten, so steht da. Nun weiß sie also, dass sie noch elf Minuten auf den Bus wird warten müssen. Ich lobe. Gleichzeitig denke ich: Welch ein Service auf hohem Niveau! Wir in diesem Teil der Welt können uns diesen Service leisten.

Da stehe ich am Geldautomaten meiner Bank und möchte Geld abheben, diesmal ein klein wenig mehr. Das geht nicht, „sagt“ der Automat sinngemäß – er hat kein Geld mehr. Ich muss in die Bank und mit dem mir schon lange nicht mehr bekannten Personal Kontakt aufnehmen. Meine Summe wird freigeschaltet, in 8 Minuten verfügbar.

Das ist doch wunderbar: Meine Bank schenkt mir 8 Minuten Zeit zum Nachdenken, Träumen, Unterhalten mit Passanten. Das ist nun wirklich lobenswert. Andererseits – seien wir ehrlich – hätte ich diese acht Minuten lieber dem Busfahrer geschenkt und dann wäre die Verspätung auf 3 Minuten geschrumpft. Ja, man kann beim Warten auf unlogische Gedanken kommen!

Zeit, Zeit, Zeit – wir „managen“ sie perfekt, unsere Zeit. Dann schmeißen wir sie als Luxusgut wieder zum Fenster hinaus, wie es uns gefällt. Diese Freiheit nehmen wir uns. Das ist unser Recht. Wenn die anderen uns unsere Zeit „stehlen“, reagieren wir sauer. Wenn wir sie uns selbst stehlen, ist alles erlaubt. Wollte ich loben und kritisieren? Ich wollte nur ein ganz klein wenig Ihrer kostbaren Zeit mit Gedanken über Zeit anfüllen – das war schon alles und, wie ich finde, natürlich sehr lobenswert!