erschienen im Hamburger Abendblatt am 21. September 2011

Wenn der Mensch verliebt ist, neigt er dazu, ins Kindliche abzugleiten. Das ist normal. Zum Beispiel füttern sich verliebte Paare gegenseitig, wie Mütter ihre Kinder füttern. „Ich füttere Dich“, das bedeutet so viel wie: „Ich sorge mich um Dich, ich will Dir etwas Gutes tun. Du bist mir wichtig.“ Beim nächsten Restaurantbesuch einfach mal darauf achten. Diese Paare sind immer jung verliebt!

Aber es ist nicht nur diese archaische Form der Sorge, die Verliebte auszeichnet. Sie geben sich auch recht eigenartige Namen. Erinnern Sie sich oder sind Sie gerade in der Phase des Namengebens für eine geliebte und angehimmelte Person? Welche Vielfalt an Namen ist uns allen schon begegnet, „Schatz“ ist dabei noch die harmlose Form. „Liebling“ könnte auch weit verbreitet sein. Ich erinnere auch, „Bärchen“ gehört zu haben oder  „Zuckerschnute“, „Kleines“, „Püppchen“, „Karlinchen“, „Mausezahn“, „Teufelchen“, „Rosenblättchen“ – sogar „Mistkäfer“, alles dies mehr oder weniger männlich oder weiblich wirkende Kosenamen.

Nun kommen Liebespaare ja manchmal auch in die Jahre miteinander und dann ist das nicht mehr so dringend mit dem archaischen Füttern bei Tisch und im Restaurant. Es könnte sein, das hat sich dann auf die Kinderlein verschoben und der gemeinsame Alltag erfordert „Fütterungen“ anderer Art, wie das Leben halt so spielt. Schön ist es aber, wenn dann immer noch das eine oder andere Mal so etwas wie ein Kosenamen auftaucht, über den man schmunzeln kann.

Dieses Erlebnis hatte ich neulich. Ich werde es nicht vergessen. In angeregt plaudernder Runde saßen wir zusammen. Da stand ein älterer Herr auf, erklärte dass er nun gehen müsse. Er sagte allerdings nicht einfach so, dass er gehen müsse. Er sagte: „So, nun wird es Zeit, wieder zu meiner Leidensfähigen nach Hause zu fahren.“ Dabei lächelte er verschmitzt. „Sie leidet unter Dir?“, war die Frage. Die Antwort war wieder ein verschmitztes Lächeln. Ist es nicht wunderbar, dass es immer wieder so einfühlsame Männer gibt!

 

 

« »