Manchmal stellen Freunde wichtige Fragen – und man muss sich damit beschäftigen, ob man will oder nicht. Hier eine davon:
Soll man überhaupt moralisch sein? ( Frage von Wolf Tekook)
Diese Frage hast Du also als Einstieg in eine Diskussion gemeint. Dafür taugt sie wohl sehr gut in ihrer provozierenden Art. Also antworte ich gerne auf eine Kernfrage menschlichen Handelns im Jahre 2012 n.Chr.
Wen wollen wir zuerst antworten lassen? Die Zehn Gebote, den Koran, die humanistische Aufklärung, das Völkerrecht, das bürgerliche Gesetzbuch, die katholische Soziallehre, Freud,das Handelsgesetzbuch, den Internationalen Gerichtshof…Endlosschleife?
Antwortete jemand auf Deine Frage „Nein“, so begäbe er sich JEGLICHER Kritikmöglichkeit am Verhalten anderer Menschen in Gemeinschaften und stellte sich frei von jeglicher Schuld – siehe Holocaust zum Beispiel. Das ist wohl nicht zu akzeptieren.
Er oder sie müssen also immer sagen, innerhalb welcher Gesellschafts- und Moralstruktur sie agieren – und das auch noch innerhalb welchen Territoriums. Denn nur in bestimmbaren Gesellschaften und auf abgegrenzten Territorien lassen sich Moralvorstellungen festlegen und ihre Verletzung einklagen und/oder bestrafen. Sanktionen müssen gesellschaftlich-politisch definiert und festgelegt werden.
Seit der Gründung der Vereinten Nationen gibt es auf diesem Globus eine „Grundweltmoral“, auf die sich die unterzeichneten Staaten geeinigt haben. Es gibt einen Codex. Es gibt einen Sanktionsmechanismus. Der allerdings muss – wie das System schon sagt – immer wieder durchgesetzt werden und unterliegt dem Wandel, dem freien Willen der Beteiligten. Ein gutes System. Ein System, das einen Rückschritt in barbarische Rechts-und Moralformen nicht mehr zulässt, es sei denn, die gesamte Völkergemeinschaft gäbe eine in Jahrtausenden gewachsene Kultur auf.
Also: Im internationalen Maßstab ist es inzwischen recht überschaubar geworden. Im privaten „moralischen Sektor“ mag der Mensch sich seine Nischen suchen, in denen er glücklich werden kann und seine ganz persönlichen „Verträge“, ausgesprochen oder unausgesprochen, mit den Beteiligten schließen, halten oder nicht halten, der herrschenden Moral entsprechen oder nicht.
Gäbe es die darauf basierenden und daraus entstehenden Konflikte nicht, hätten wir keine Religionen und Philosophien, keine Juristen, Richter und keine Demonstranten, keine Lehrer und Psychologen, keine Politik und keine Kriege.
Fazit JRW im Jahre 2012 n. Chr. und Antwort auf Deine Frage „Soll man überhaupt moralisch sein?“: Man muss moralisch sein!
Ein Leben ohne Moral ist ein beziehungsloses Schwebeteilchen im Kosmos der Unverbindlichkeiten, wie ein Stück Seife, das immer wieder aus den Fingern gleitet, wie ein Pudding, den man nicht an die Wand nageln kann …und wie gesagt: Wer wollte dann wen auf welcher Basis für Verhalten jemals zur Rechenschaft ziehen – siehe wieder Holocaust.
Es gibt keine Alternative zur Moral!
Es war gut, sich diese grundlegenden Gedanken anhand Deiner Frage wieder einmal deutlich zu machen!
« “Literatrubel” in Hamburg: Verband Deutscher Schriftsteller und Hamburger Autorenvereinigung Bretton Woods – So sieht es heute aus »
JRW schreibt über die UN, sie sei “(…) ein System, das einen Rückschritt in barbarische Rechts-und Moralformen nicht mehr zulässt, es sei denn, die gesamte Völkergemeinschaft gäbe eine in Jahrtausenden gewachsene Kultur auf.”
Das wäre schön.
Aber zum einen glaube ich nicht, dass es “barbarische Rechts- und Moralformen” je gegeben hat, sondern, wie das Wort “barbarisch” schon andeutet, nur “barbarische Unrechts- und Unmoral-Formen”. Die wurden dann zwar, etwa von den Nazigrößen, als ihr Gegenteil verkauft – es war ja geradezu eine Tugend für die Bewohner der Dörfer rund um das KZ Neuengamme, nach entkommenen KZ–Insassen mit Schäferhunden Jagd zu machen. Doch wenn das Moral wäre, wäre es ein Zynismus. Dass Leute wie Eichmann oder der jetzt in Den Haag vor Gericht stehende General Mladic, der Schlächter von Srebrenica, gar kein Unrechts-Bewusstsein haben, dass also ihre Moral völlig umgedreht, nämlich pervertiert war/ist, zeigt die Beliebigkeit, mit der Moral je nach Lage der Dinge definiert werden kann. Es gibt, soweit ich sehen kann, schlechterdings keine verbindliche Moral, noch dazu eine solche, die mit einer verbindlichen gemeinsamen Kultur verknüpft wäre. Reue zum Beispiel wäre ja nur zu erwarten bei Einsicht in begangenes Unrecht. Haben diese Herren aber nicht. Also denke ich, auf der Ebene der Moral werden wir an ihren Perversionen nichts ändern.
Wie verhält es sich aber generell bei dem unterstellten Zusammenhang von Moral und Kultur?
Ich glaube nicht, dass es eine “über Jahrtausende gewachsene Kultur” je gegeben hat. Die Papuas, die Peruaner und die Polen haben eine andere Kultur als die Preußen, und die wiederum eine andere als die “wiedervereinigten Piefkes”, wie ein Schriftsteller-Freund zu sagen pflegte. Leider ist er vor wenigen Jahren verstorben und kann nicht mehr so pointierte Sätze formulieren. Doch immerhin, möchte ich nachträglich anmerken, haben wir inzwischen das Holocaust-Mahnmal in Berlin, und Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft besuchen freiwillig das KZ Auschwitz, um sich über das absolute Fehlen von Moral ein eigenes Bild zu machen.
Das sind meines Erachtens (sehr erfreuliche) Anzeichen von Zivilisation, aber nicht von Kultur. Kultur hatten wir ja immer, und sei’s in Form von Buchdruck und Barlach-Skulpturen. Nein, die Deutschen als nationale Gemeinschaft fangen endlich hier und da an, zivilisiert zu sein. Und sogenannte “vertrauensbildende Maßnahmen” unseres neuen Bundespräsidenten sind solche, die nach außen signalisieren, seht her, wir sind mittlerweile sogar zivilisiert, zumindest ein bisschen.
Eine gemeinsame Kultur indes kann die Menschheit wegen asynchroner Geschichtsverläufe, unterschiedlicher ästhetischer Auffassungen und je anderer Hör- und Essgewohnheiten nie haben. (Man könnte hier noch endlos weitere kulturelle Unterschiede anführen, die es zu unserem Glück oder Unglück gibt und aus denen heraus jeweilige nationale oder ethnische Besonderheiten resultieren.) Deshalb kommt es mir so vor, als sei das, was die UN und den Sicherheitsrat dauernd lahm legt, eher das Fehlen einer gemeinsamen Zivilisation ist. Wir müssten uns zumindest darauf einigen können, dass Streubomben und Hungersnöte die Menschheit nicht befördern. Müssten uns entschließen, in der Weltgemeinschaft oder auch im globalen Dorf in irgend einer verbindlichen Form festzulegen, wie man zivilisiert miteinander umgeht. Der kulturelle Unterschied zwischen der Pariser Haute Couture und den Batik-Turbanen der senegalesischen Frauen und den Körpermaßen nordamerikanischer Jeans wäre dann gern zweitrangig. Er würde nur verschiedene Aspekte von Kultur zeigen. Während das antike Konzept der Zivilisation, den Deutschen lange Zeit fremd, sich langsam zu Normen vorarbeiten könnte, die für alle verbindlich wären.
Eine wunderschöne Utopie, da gebe ich JRW Recht.
JRW schreibt über die UN, sie sei “(…) ein System, das einen Rückschritt in barbarische Rechts-und Moralformen nicht mehr zulässt, es sei denn, die gesamte Völkergemeinschaft gäbe eine in Jahrtausenden gewachsene Kultur auf.”
Das wäre schön.
Aber zum einen glaube ich nicht, dass es “barbarische Rechts- und Moralformen” je gegeben hat, sondern, wie das Wort “barbarisch” schon andeutet, nur “barbarische Unrechts- und Unmoral-Formen”. Die wurden dann zwar, etwa von den Nazigrößen, als ihr Gegenteil verkauft – es war ja geradezu eine Tugend für die Bewohner der Dörfer rund um das KZ Neuengamme, nach entkommenen KZ–Insassen mit Schäferhunden Jagd zu machen. Doch wenn das Moral wäre, wäre es ein Zynismus. Dass Leute wie Eichmann oder der jetzt in Den Haag vor Gericht stehende General Mladic, der Schlächter von Srebrenica, gar kein Unrechts-Bewusstsein haben, dass also ihre Moral völlig umgedreht, nämlich pervertiert war/ist, zeigt die Beliebigkeit, mit der Moral je nach Lage der Dinge definiert werden kann. Es gibt, soweit ich sehen kann, schlechterdings keine verbindliche Moral, noch dazu eine solche, die mit einer verbindlichen gemeinsamen Kultur verknüpft wäre. Reue zum Beispiel wäre ja nur zu erwarten bei Einsicht in begangenes Unrecht. Haben diese Herren aber nicht. Also denke ich, auf der Ebene der Moral werden wir an ihren Perversionen nichts ändern.
Wie verhält es sich aber generell bei dem unterstellten Zusammenhang von Moral und Kultur?
Ich glaube nicht, dass es eine “über Jahrtausende gewachsene Kultur” je gegeben hat. Die Papuas, die Peruaner und die Polen haben eine andere Kultur als die Preußen, und die wiederum eine andere als die “wiedervereinigten Piefkes”, wie ein Schriftsteller-Freund zu sagen pflegte. Leider ist er vor wenigen Jahren verstorben und kann nicht mehr so pointierte Sätze formulieren. Doch immerhin, möchte ich nachträglich anmerken, haben wir inzwischen das Holocaust-Mahnmal in Berlin, und Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft besuchen freiwillig das KZ Auschwitz, um sich über das absolute Fehlen von Moral ein eigenes Bild zu machen.
Das sind meines Erachtens (sehr erfreuliche) Anzeichen von Zivilisation, aber nicht von Kultur. Kultur hatten wir ja immer, und sei’s in Form von Buchdruck und Barlach-Skulpturen. Nein, die Deutschen als nationale Gemeinschaft fangen endlich hier und da an, zivilisiert zu sein. Und sogenannte “vertrauensbildende Maßnahmen” unseres neuen Bundespräsidenten sind solche, die nach außen signalisieren, seht her, wir sind mittlerweile sogar zivilisiert, zumindest ein bisschen.
Eine gemeinsame Kultur indes kann die Menschheit wegen asynchroner Geschichtsverläufe, unterschiedlicher ästhetischer Auffassungen und je anderer Hör- und Essgewohnheiten nie haben. (Man könnte hier noch endlos weitere kulturelle Unterschiede anführen, die es zu unserem Glück oder Unglück gibt und aus denen heraus jeweilige nationale oder ethnische Besonderheiten resultieren.) Deshalb kommt es mir so vor, als sei das, was die UN und den Sicherheitsrat dauernd lahm legt, eher das Fehlen einer gemeinsamen Zivilisation. Wir müssten uns zumindest darauf einigen können, dass Streubomben und Hungersnöte die Menschheit nicht befördern. Müssten uns entschließen, in der Weltgemeinschaft oder auch im globalen Dorf in irgend einer verbindlichen Form festzulegen, wie man zivilisiert miteinander umgeht. Der kulturelle Unterschied zwischen der Pariser Haute Couture und den Batik-Turbanen der senegalesischen Frauen und den Körpermaßen nordamerikanischer Jeans wäre dann gern zweitrangig. Er würde nur verschiedene Aspekte von Kultur zeigen. Während das antike Konzept der Zivilisation, den Deutschen lange Zeit fremd, sich langsam zu Normen vorarbeiten könnte, die für alle verbindlich wären.
Eine wunderschöne Utopie, da gebe ich JRW Recht.