erschienen im Hamburger Abendblatt am 15. August 2012
Den ganzen Sommer über gab es auf meiner Terrasse keine Wespen. Jetzt, plötzlich und unerwartet, schwebte sie beim Abendbrot im Tiefflug ein. Einige Runden brauchte sie schon, aber dann setzte sie sich offensichtlich genüsslich auf dem Rand der letzten Scheibe Kochschinken nieder und begann mit der Arbeit.
Keiner reagierte mehr hektisch. Die Wespe hatte ihre Ruhe vor uns, denn: Sie wurde zum Objekt unserer Betrachtung. Wie flink und geschickt ging sie vor, um aus dem Rand der Schinkens einen kleinen Teil herauszulösen. Ihr kleiner Körper zitterte dabei vor Anspannung, kippte wie ein Lkw auseinander, der gerade dabei ist, Ladung abzuwerfen, zog sich wieder zusammen, zerrte und schnitt bei alledem offensichtlich sehr geschickt immer weiter in das Fleisch.
Dann hatte sie ein passendes Klümpchen herausgeschnitten und setzte zum Start an. Es klappte. Etwas schwerfällig zuerst, aber dann mit vollem Schwung entschwebte sie – aber: Nach wenigen Minuten war sie wieder da. Setzte wieder zum Orientierungsflug über den Tisch an und ließ sich auf dem Schinken nieder. So ging das mehrere Male. Mein Mann meinte lakonisch: „Wenn Du jetzt hier Wespen fütterst, wirst Du noch viel Spaß mit ihnen haben.“
Er hatte offensichtlich recht. Als ich heute Morgen den Frühstückstisch draußen deckte – war sie wieder da. Es dauerte keine fünf Minuten und sie setzte zu ihrem Erkundungsflug über die Teller an. Das hab ich nun davon. Mal sehen, wie dieses „schwebende Verfahren“ so enden wird…
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