Von Johanna Renate Wöhlke
Karl May Spiele 2014
Die Karl-May-Spiele haben zur Pressekonferenz geladen. Angetreten sind die große Karl-May-Schauspielerfamilie, dazu über zwanzig Pferde, fünfzig Komparsen sowie die Vögel Jimmy und Cliff. Cliff ist ein majestätischer Weißkopfseeadler. Er ist als „Ko-inta“ der Begleiter Winnetous. Jimmy ist eine Weißrückengeierdame mit zwei Metern Flügelspannweite. Ohne sie geht es in diesem Jahr in Bad Segeberg nicht, denn der Titel des Stückes der Karl-May-Spiele 2014 lautet „Unter Geiern – Der Geist des Llano Estacado“.
Falknerin Claudia Fischer hat kein Problem damit, die beiden Vögel bei ihrem „Auftritt“ zu unterstützen. Sie fliegen, und wie sie fliegen. Sie landen auch genau dort, wo sie es sollen. Majestätisch schwebt der Weißkopfseeadler in die Szene vom oberen Rand der Zuschauerarena über Sitzbänke und neugierige Köpfe ein und landet auf Winnetous Arm. Die Kameras klicken im Dauermodus. Was für ein ein Motiv!
Was für Motive bietet aber auch alles andere, das die Macher der Karl-May-Spiele in diesem Jahr entwickelt und ihren Zuschauern zu bieten haben – angefangen mit dem neuen Bühnenbild von Andreas Freichels. Er integriert die gefährliche und triste Wüstenlandschaft des Stückes, das Gasthaus nebst Store „Helmers Home“, ein Comanchendorf und eine geheime Oase inmitten des Llano Estacado zu einem beeindruckenden Ensemble. Auf- und Abgänge von Reitern, Kutschen, Komparsen und Schauspielern lassen Perfektion und Spielfreude strahlen.
Regisseur Norbert Schultze jun. moderiert es mit Freude und führt in die Szenen ein. Zum 14. Mal ist er der Regisseur der Karl-May-Spiele. Seit Mai ist er wieder in Bad Segeberg, denn im Winter lebt er in Kapstadt. Dort bringt er als Gründer des Deutschen Theaters diverse Inszenierungen auf die Bühne. Aber wer schon in den 60er Jahren mit Pierre Brice und Lex Barker am Set war und Karl-May-Filme gedreht hat, für den ist es die pure Freude, hier am Kalkberg zu inszenieren. Das ist ihm wieder einmal gelungen! Als Experte für eindrucksvolle Massenszenen und punktgenau inszenierte Komik sowie stimmungsvolle Musikuntermalung hat er in Bad Segeberg auch in diesem Jahr seine Meisterschaft bewiesen.
Mit den „Sechzigern“ allerdings hat es in diesem Jahr bei den Karl-May-Spielen eine besondere Bewandtnis: 63 Jahre ist es her, dass hier dieses Freilichtspiel eröffnet worden ist; 63 Jahre alt ist auch der diesjährige Bösewicht und Schauspielerstar Christian Kohlund. Diese beiden passen also offensichtlich sehr gut zusammen. Karl-May-Spiele- Bad Segeberg Geschäftsführerin Ute Thiel: „ Wir freuen uns, dass es in dieser Saison geklappt hat, denn wir haben uns Christian Kohlund seit Jahren für unser Ensemble gewünscht.“ Sein Charme allerdings und seine markante Bassstimme, die ihm in den Medien die Bezeichnung „Frauenschwarm“ eingetragen haben, wird Christian Kohlund in Bad Segeberg in die verschlagenen Täuschungsmanöver des gefürchteten Gangsters und Kopfes der Llanogeier-Bande ummünzen, der als Wolf im Schafspelz unterwegs ist. Als Priester Burton versucht er, mit frommen Sprüchen und einem am Gürtel der schwarzen Soutane baumelnden Kreuz zu täuschen. Ein Charakter, mit dem er seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Das charmante Lächeln taucht erst zum Schluss wieder auf, als das Blitzlichtgewitter der Fotografen und die Fernsehkameras auf ihn gerichtet sind.
Aber Karl May wäre nicht Karl May, wenn nicht die beiden einen bewunderten Mittelpunkt böten, ohne die es nun einmal nicht geht: Winnetou und Old Shatterhand! Dabei erweisen sich die beiden Blutsbrüder nicht nur als Friedensstifter und Versöhner, sondern sie sind in diesem Jahr auch schlagkräftig unterwegs, Jan Sosniok als Winnetou, Wayne Carpendale als Old Shatterhand.
Sosniok gibt den Winnetou in Bad Segeberg in der zweiten Saison und die Rolle ist ihm auf den Leib geschneidert. Er hat Winnetou in dieser Inszenierung eine besondere Note verliehen. Sein Kampf für Gerechtigkeit ist nicht nur einer mit Worten. Er lässt die Bösewichter auch schon mal im handfesten Kampf spüren, wenn sie zu weit gegangen sind. Als er im vergangenen Jahr in „Winnetou I – Blutsbrüder“ am Kalkberg einritt, bahnte sich ein Erfolg an. Befürchtungen, dass durch den Wechsel in der Besetzung des Winnetou die Besucherzahlen zurückgehen würden, bestätigten sich nicht, im Gegenteil. Am Ende der Saison 2013 konnten sich Sosniok und seine Kollegen über das beste Ergebnis in der Geschichte der Karl-May-Spiele freuen.
Wayne Carpendale kennt den Kalkberg und die Karl-May-Spiele seit vielen Jahren. Vor elf Jahren reüssierte er als Old Surehand, dem besten Schützen des Wilden Westens, und überzeugte dort mit einer dynamischen und sympathischen Darstellung. Er beweist in dieser Inszenierung genau wie Sosniok, wie wichtig körperliche Fitness und Mut sind, um die spielerischen Anforderungen zu erfüllen: Action-Szenen, in denen der Sand in der Arena aufgewirbelt wird und die beiden Blutsbrüder sich im Kampf messen, verlangen sportliches Können und Spielfreude der besonderen Art. Man spürt die Hand von Dr. Steve Szigeti, der das Stuntteam leitet, und seit über dreißig Jahren in Film-, Fernseh- und Theaterproduktionen für Action sorgt. Dem Publikum wird es gefallen, den Akteuren sichtlich auch.
Zum ersten Mal knüpft eine Inszenierung am Kalkberg das Band zum echten Wilden Westen indem es Buffalo Bill mit einbezieht. Er ist historisch und wird malerisch und einfallsreich mit seiner Wild-West-Show in die Handlung eingebaut. William Frederick Coda alias Buffalo Bill wird von Joshy Peters gespielt. Er ist ein alter Hase in Bad Segeberg und nun schon 27 Jahre lang in verschiedenen Rollen dabei. Wenn er mit Kutschen, Pferden, Stunts, Zirkus und Musik einzieht, entfaltet sich eine bunte und fröhliche Szenerie.
Wer auf das „sächsische Element“ gewartet hat, wird nicht enttäuscht. Uwe Karpa als Quacksalber Professor Hieronimus Zacharias Schmalfuß wird das Publikum mit Sicherheit durch seine explosiven Experimente überzeugen. Neu am Kalkberg ist die Hamburger Schauspielerin Heidrun Fiedler. Sie spielt die mutige Westernlady Mary Helmers. Sie verbindet eine Romanze mit dem geheimnisvollen Westmann Bloddy Fox, gespielt von Nicolas König. Auch er ein langjähriges Mitglied im Ensemble, nun schon zum zehnten Mal.
In weiteren Rollen spielen Dirc Simpson als Schiba-bigk, Häuptlingssohn der Comanchen, der den Mord an seinem Vater rächen will. Sein Debut in Bad Segeberg gab Fabian Monasterios schon im Jahr 2012. In dieser Saison spielt er Stewart, die rechte Hand von Gangsterboss Burton in der Llanogeier-Bande. Harald P. Wieczorek ist in drei Rollen zu sehen: als alter Comanchenhäuptling Tevua-schohe, als Store-Besitzer John Helmers und Diamantenhändler Mr. Leader. Schon in den 80er Jahren spielte Maik Sommer als Reiterstatist in Bad Segeberg. Dann folgten immer wieder Sprechrollen und mittlerweile fährt er die Kutschen durch den Sand der Arena. In diesem Jahr ist er der Gangster Porter und Major Owens von der US-Kavallerie.
Als „Off-Sprecher“ des Stückes für Ansagen und Begleittexte zwischendurch sind Reiner Schöne und Marek Erhardt aus dem Lautsprecher zu vernehmen. Auch diese beigen kennen den Kalkberg als Ensemblemitglieder aus Inszenierungen vergangener Jahre. Reiner Schöne spielte zweimal mit. Seit 2008 begleitet aber seine Stimme die Zuschauer durch die Wildwest Abenteuer in Bad Segeberg. Marek Erhardt spricht Texte zur Organisation, die Sicherheitsansage und Texte in der Pause. Der Schauspieler und Enkel von Heinz Erhardt wird vielen Zuschauern noch als Stadionsprecher des HSV in Erinnerung sein.
Der Premiere entgegen fiebern nicht nur die Aktiven in der Arena. Das Buch zum Stück hat Michael Stamp geschrieben. Zu erleben, wie sich 70 Seiten Dialoge und Regieanweisungen mit Leben erfüllen, ist immer wieder ein spannender Prozess. Ebenso geht es Produktions- und Spielleiter Stefan Tietgen. Auch er schon ein alter Hase in der Karl-May-Spiele Familie, seit 15 Jahren dabei. Er wird sich sicherlich in diesen Tagen des Juni und Juli 2014 an eine seiner bislang größten beruflichen Aufgaben erinnern: die Übertragung der Endrundenauslosung zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Leipzig.
Premierenfieber sieht bei Bühnenbildner Andreas Freichels übrigens besonders aus: Anschauen geht nicht, weil er in jeder Szene zu sehr mitfiebern würde. Hinterher freut er sich über den Applaus des Publikums, meint er, und die strahlenden Kollegen umso mehr. Ein volles Haus mit 7500 Zuschauern dürfte nicht zu überhören sein!
Und was ist mit dem Geist des Llano Estacado? Dazu schweigt die Autorin. Schließlich muss nicht alles im Voraus verraten werden. Nur so viel sei gesagt: Auch er kann reiten!
Infos:
Spielzeit: 28. Juni bis 7. September 2014
Jeden Donnerstag, Freitag und Samstag: 15 Uhr und 20 Uhr
Sonntag: 15 Uhr
Premiere 28. Juni 2014, 20.30 Uhr
Karten an allen Vorverkaufsstellen oder unter
www.karl-may-spiele.de
Ticket Hotline und Infos unter: 01805-952111
Fotos: Johanna Renate Wöhlke
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